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Aichach-Friedberg/Donau-Ries/Neuburg-Schrobenhausen: Friedberger Ach: Wie viel giftiges PFC darf im Fisch sein?

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Friedberger Ach: Wie viel giftiges PFC darf im Fisch sein?

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    Die Fische in der Friedberger Ach sind mit PFC belastet, vor dem regelmäßigen Verzehr wird gewarnt.
    Die Fische in der Friedberger Ach sind mit PFC belastet, vor dem regelmäßigen Verzehr wird gewarnt. Foto: Marcus Merk (Symbolbild)

    Im Verlorenen Bach beziehungsweise in der Friedberger Ach ist giftiges PFC. So weit, so schlecht und seit einem guten halben Jahr auch der Öffentlichkeit im Wittelsbacher Land nach einer Berichterstattung unserer Redaktion erstmals bekannt. Seit vergangener Woche wissen auch die Menschen an der Donau bei Neuburg, rund 100 Kilometer nördlich vom Ursprung, dem Fliegerhorst Landsberg, dass hiesige Fische das Gift in sich tragen. Die Friedberger Ach mündet bei Stepperg in die Donau. Generell Bescheid darüber wissen Behörden schon seit Jahren – allerspätestens seit 2013, weil der Stoff in einer Quelle des Bachs nachgewiesen wurde. Ein Trinkwasserbrunnen wurde damals dort stillgelegt. Dass die Industriechemikalie zuvor über Jahrzehnte hinweg durch Einsatz von Löschschaum bei Feuerwehrübungen auf dem nahen ehemaligen Militärflughafen Penzing im Landkreis Landsberg ins Erdreich gelangte, wussten Bundeswehr und zuständige Ämter natürlich vorher. Der Weg weiter in Grundwasser und Quellfassung war absehbar - darum wurde ja auch gemessen. Und wohin dieser Bach führt, dass dort Fische schwimmen und geangelt wird, und dass diese Fische später auch gegessen werden, sind nun auch nicht unbedingt bahnbrechende neue Erkenntnisse.

    Die mittlere Fließgeschwindigkeit des Gewässers liegt bei geschätzt zwei Kilometern pro Stunde – in gut zwei Tagen ist das Wasser in der Donau. Der Informationsfluss über das Problem flussabwärts war da deutlich langsamer unterwegs. Nach der Brunnenschließung verstrichen schon mal sechseinhalb Jahre, bis nach einer erstmaligen Beprobung von wild lebenden Forellen die erste Verzehrwarnung Ende 2019 - und nur am Oberlauf im Landkreis Landsberg - veröffentlicht wurde. Fischproben aus kommerziellen Betrieben am Bach hatten dort in den Jahren zuvor allerdings deutlich niedrigere Werte ergeben. Acht Jahre danach haben nun auch die Landkreise Donau-Ries und Neuburg-Schrobenhausen eine Verzehrwarnung für Fische aus der Ach ausgesprochen. Damit wird nun zumindest von Quelle bis zur Mündung durchgängig gewarnt.

    Dass sich Forellen an Landkreisgrenzen halten, ist eher unwahrscheinlich

    Ob sich Fische an Landkreisgrenzen halten, ist generell eher unwahrscheinlich. Es brauchte aber fast eineinhalb Jahre, bis vier von fünf zuständigen Kreisbehörden am Bachlauf auf einer Linie sind. Im November 2019 warnte das Landratsamt Landsberg und Anfang 2020 nach Beprobungen auch das Landratsamt Augsburg. Dazwischen liegen rund 40 Kilometer im Wittelsbacher Land: Hier gilt seit September 2020 eine vorläufige Verzehrwarnung. Zuvor war dazu kein Anlass gesehen worden. Das änderte sich erst, nachdem im Sommer auch hier Fische gefangen und dann untersucht wurden. Diese Warnung wurde dann im Januar bestätigt. Im Februar zogen die Donau-Rieser und Anfang März die Neuburg-Schrobenhausener nach – sie beprobten noch später.

    Durchaus aufschlussreich ist dabei, wie die Gesundheitsgefahr von den zuständigen Behörden eingeschätzt wird und wie sie sich verändert hat. Oder anders: Wie viel Gramm PFC-Fisch darf's denn auf dem Teller noch sein, ohne gesundheitlichen Schaden zu nehmen? Ziemlich einig sind sich die Landratsämter im generellen Warnungstext: Zwar sei keine akute Gesundheitsgefahr gegeben, doch rate das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vom regelmäßigen Verzehr vorsorglich ab. Dieser Satz folgt dann auch nahezu wortgleich in allen Mitteilungen: Schon durch sehr niedrige Verzehrmengen werde die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit als unbedenklich angesehene Aufnahmemenge überschritten.

    PFC-Belastung nimmt flussabwärts durch Verdünnungseffekt ab

    Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die PFC-Belastung des Wassers im Verlauf des Baches durch Zuläufe und den Verdünnungseffekt immer weiter abnimmt. Am Ursprung ist die Konzentration von PFOS bis zu 100-mal so hoch wie wenige Kilometer vor der Mündung. Die perfluorierte Alkylsubstanz Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) hatte jeweils den höchsten Gehalt aller festgestellten PFC-Stoffe im Wasser und den Fischen.

    Die Fische in der Friedberger Ach sollten nicht verzehrt werden.
    Die Fische in der Friedberger Ach sollten nicht verzehrt werden. Foto: Adalbert Riehl (Archivbild)

    Zunächst mal der Wortlaut der Verzehrwarnung im November 2019 im Landkreis Landsberg, also am Oberlauf mit der höchsten Kontamination und mit Berufung auf die Fachbehörde LGL: Auch beim Verzehr einer großen Menge Fisch aus dem Verlorenen Bach mit einer Mahlzeit oder über einen Tag verteilt seien bei keinem der in den verschiedenen Proben vorliegenden PFOS-Gehalten nachteilige Wirkungen auf die Gesundheit zu erwarten. Von einem regelmäßigen und dauerhaften Verzehr von Fischen aus dem Verlorenen Bach rät das LGL dennoch ab, da dies wegen ihrer PFOS-Belastung negative gesundheitliche Wirkungen hervorrufen könnte. Der kleine Unterschied liegt in der Formulierung zwischen "nachteiliger Wirkung" und "negativer Wirkung" auf die Gesundheit. Auf diese Pressemitteilung verweist das Amt aus Landsberg bis heute.

    Landesamt: Nicht mehr als 420 Gramm Forelle in einem Monat essen

    Die Landkreis-Behörde aus Donauwörth am Unterlauf der Ach wird ganz aktuell nach der Beprobung von Aiteln, Barben, Karpfen, Aalen und Bachforellen aus der Ach und den Messergebnissen zu Perfluoroctansulfonsäure in ihrer Mitteilung deutlich konkreter: Die Forellen und Aiteln aus der Ach seien geringer belastet gewesen. Nach Empfehlung des LGL sollen Erwachsene aber nun auch von diesen Fischen nicht mehr als 420 Gramm pro Monat essen – also weniger als ein halbes Kilo. Grundsätzlich müsse bei anderen, nicht untersuchten Fischarten aus dem betroffenen Gewässer von einer ähnlichen Belastung ausgegangen werden.

    In Neuburg-Schrobenhausen rät das LGL generell vom Verzehr derartig belasteter Fische ab, da sich die hier festgestellten Substanzen wegen ihrer langsamen Ausscheidung im Menschen anreichern können. Beim einmaligen Verzehr – auch einer größeren Menge – seien durch die hier in den Fischen vorliegenden Gehalte keine nachteiligen Wirkungen auf die Gesundheit zu erwarten. Die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) festgelegte und als unbedenklich angesehene Aufnahmemenge würde im vorliegenden Fall überschritten, wenn lebenslang mehr als 7,0 Kilo Aitel oder 1,0 Kilo Aal pro Jahr verzehrt werden würde.

    Die Diskrepanz liegt zwischen "einer großen Menge Fisch" ohne nachteilige Wirkung auf die Gesundheit am vielfach höher belasteten Oberlauf und "nicht mehr als 420 Gramm pro Monat" bei deutlich geringerer Konzentration im Wasser kurz vor der Mündung. Das LGL hat auf eine entsprechende Anfrage unserer Redaktion zu dieser unterschiedlichen Bewertung bis zum Donnerstagnachmittag noch nicht geantwortet.

    Bach läuft über 100 Kilometer durch fünf Landkreise bis zur Donau

    Rund 100 Kilometer führt der Bach die Industriechemikalie von Süd nach Nord über fünf Landkreise (Landsberg, Aichach-Friedberg, Augsburg, Donau-Ries, Neuburg-Schrobenhausen), zwei Regierungsbezirke (Oberbayern, Schwaben) und im Zuständigkeitsbereich von drei Wasserwirtschaftsämtern (Weilheim, Donauwörth, Ingolstadt) von Penzing bei Landsberg, bis er ein gutes Stück unterhalb der Staustufe bei Bertoldsheim in die Donau mündet. Der Gewässerverlauf wurde über Jahrhunderte hinweg mehrmals verändert. Der Bach wurde zusammengelegt, umgeleitet und erhielt neue Zuläufe – darum ändert sich auch mehrmals der Name.

    An der Friedberger Ach, hier unterhalb von Scherneck bei Rehling, wird geangelt. Für die Fische gilt aber eine Verzehrwarnung.
    An der Friedberger Ach, hier unterhalb von Scherneck bei Rehling, wird geangelt. Für die Fische gilt aber eine Verzehrwarnung. Foto: Josef Abt (Archivbild)

    PFC sind schwer abbaubar und bleiben deshalb lange in der Umwelt und in der Nahrungskette nachweisbar. Die giftigen Substanzen reichern sich in den Fischarten unterschiedlich stark an. Besatzfische sind dabei weniger betroffen als wild lebende Fische, weil sie ja in der Regel nicht so lange im Gewässer sind. Die Gruppe der organischen PFC-Verbindungen umfasst über 3000 verschiedene Stoffe. Einige davon stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. PFC weisen Wasser, Öl, Fette und Schmutz ab, werden industriell hergestellt und in einer Vielzahl von Produkten verwendet.

    PFOS-Belastung an Quelle: Das 460-fache der Umweltqualitätsnorm

    Das Bachwasser wurde im Zuständigkeitsbereich des Wasserwirtschaftsamtes Donauwörth (Landkreise Aichach-Friedberg, Augsburg, Donau-Ries) mehrmals auf besonders giftige PFC-Verbindungen untersucht. PFOS hatte jeweils den höchsten Gehalt aller festgestellten Substanzen. Die sogenannte Umweltqualitätsnorm in einem Fließgewässer liegt bei 0,65 Nanogramm PFOS pro Liter Wasser. Ein Nanogramm ist ein Milliardstel Gramm. An der Kreisgrenze zwischen Landsberg und Aichach-Friedberg bei Unterbergen (Schmiechen) wurden vor gut einem Jahr 16 Nanogramm PFOS pro Liter gemessen. Also 25-mal so viel, wie die Norm besagt. In der Ach bei Derching (Friedberg) waren es 14 Nanogramm, nördlich von Thierhaupten (Kreis Augsburg) zehn, bei der Kittelmühle (Rain) fünf und bei Niederschönenfeld (beide Landkreis Donau-Ries) noch vier Nanogramm PFOS – etwa sechsmal so viel, wie die Norm besagt. Zum Vergleich: An Messstellen nahe den Quellen des Bachs lag der PFOS-Gehalt in einem Korridor zwischen 150 und 300 Nanogramm – das ist bis zu 460-mal so viel wie die Umweltqualitätsnorm.

    Was passiert eigentlich an dieser PFC-Quelle, also am ehemaligen Transall-Fliegerhorst in Penzing, damit der Eintrag endet? Nun, die Erkundungen, Sondierungen und Untersuchungen laufen seit Jahren, wie auch am Fliegerhorst in Neuburg. Die kontaminierte Bodenfläche im Bereich des Feuerlöschübungsbeckens und der Feuerwache ist nicht außergewöhnlich groß: Sie wird vom Umwelt- und vom Gesundheitsministerium mit 8500 und 200 Quadratmetern angegeben. Daneben müssen aber rund 40 weitere Verdachtsflächen auf dem Militärgelände hinsichtlich PFC bearbeitet werden. Um für den Notfall vorbereitet zu sein, trainierte die Flughafen-Feuerwehr über viele Jahre hinweg mit dem Löschschaum in diesem Übungsbecken. Dort wurden 2000 Liter Sprit eingefüllt, angezündet und dann gelöscht. Der Schaum wurde dabei oft so großflächig versprüht, dass er nicht nur im Becken landete, aus dem anschließend die Rückstände aus der Verbrennung abgesaugt werden konnten. Er verteilte sich auch rundum und versickerte im Boden.

    Keine Hoffnung, dass sich kurzfristig an der PFC-Belastung der Ach etwas ändert

    Das Übungsbecken sei 2019 gesichert und das PFC dort zumindest aus dem Wasser entfernt worden, so das Landratsamt Landsberg. Seit einem guten Jahr ist dort eine Aktivkohlereinigungsanlage mit Fernüberwachung in Betrieb, um weiteres Eindringen von PFC-haltigem Wasser in den Boden zu minimieren. Es gibt jetzt auch ein Grob-Konzept für eine vorgezogene zeitweilige Abdeckung des Beckens und der nachweislich verunreinigten angrenzenden Bereiche. Derzeit werde auch eine detaillierte Abdeckungsplanung ausgearbeitet. Damit soll eine weitere PFC-Kontamination des Bodens und damit des Grundwassers minimiert werden. Das soll sich auch langfristig positiv durch einen verringerten PFC-Eintrag in den Verlorenen Bach auswirken. Große Hoffnung, dass sich schnell was am PFC-Problem ändert, macht das Landratsamt Landsberg den Unterliegern an der Ach aber nicht: Es sei nicht von einem kurzfristigen Effekt auf das Oberflächengewässer auszugehen.

    Die Mühlen malen dort wie hier extrem langsam – auch wenn sich das Gift mit der Zeit immer mehr in der Nahrungskette zu verbreiten scheint, was der ganz aktuelle Nachweis von PFC in Hühnereiern aus einem Hof bei Rosing (Gemeinde Königsmoos) zu untermauern scheint.

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