Robert Burkhard ist wieder im Geschäft. Seit Donnerstagmorgen steht er in seinem Männermode-Laden am Aichacher Stadtplatz, räumt neue Ware ein, sortiert Hemden und Hosen - kurz: Er bereitet sich und sein Geschäft darauf vor, dass es wieder losgeht. Die Wochen, in denen Burkhard und etliche Einzelhändler im Raum Aichach zum Fast-Nichtstun gezwungen waren und nur mit Click & Collect ein paar Euro verdienen konnte, neigen sich dem Ende zu. "Wir richten alles her, dass am Montag wieder Leute kommen können. Das ist gut fürs Gemüt", sagt Burkhard. Aus ihm spricht Erleichterung - aber auch Zweifel. "Ich bin schon ein bisserl zwiegespalten."
Der Landkreis Aichach-Friedberg liegt seit Anfang Februar durchgehend unter dem Inzidenzwert von 50. Bislang hatte dies keine Lockerungen zur Folge - im Wittelsbacher Land galten die Corona-Regeln wie für ganz Bayern. Doch das ist nun anders. Der Freistaat richtet sich größtenteils nach dem Stufenplan, der Mittwochabend für ganz Deutschland beschlossen worden ist. Das bedeutet für den Landkreis, dessen Inzidenzwert am Donnerstag bei 28,2 liegt: Nachdem zuletzt bereits unter anderem Gärtnereien, Baumärkte und Friseure wieder öffnen durften, folgen ab kommender Woche deutliche Lockerungen für Handel, Kultur und Sport.
Corona-Lockerungen im Landkreis Aichach-Friedberg: Einzelhandel öffnet
Bleibt der Inzidenzwert unter 50, darf neben Kultureinrichtungen auch der Einzelhandel mit Quadratmeter-Regel und Hygienekonzept wieder öffnen. "Natürlich freuen wir uns, wieder aufsperren zu können", sagt Burkhard, der auch Vorstandsmitglied der Aktionsgemeinschaft Aichach (Aga) ist, einem Zusammenschluss lokaler Einzelhändler. "Aber uns treibt auch eine Befürchtung um: Dass wir wegen zwei, drei Wochen jetzt alles aufs Spiel setzen." Müsse man bald wieder komplett schließen, weil die Infektionszahlen infolge der Lockerungen wieder stark steigen, sei das für den Einzelhandel "der schlechteste aller Fälle, das ist eine große Angst."
Steigt die Inzidenz im Landkreis und liegt zwischen 50 und 100, bleibt der Einzelhandel offen, Kunden müssen dann jedoch einen Termin vereinbaren ("Click-and-Meet"). Neu ist dieses Konzept für Birgit Winkler nicht. Sie ist Inhaberin des Schuhhauses Winkler in Aichach, wo schon in den vergangenen Wochen im Halb-Stunden-Takt Einzeltermine für Kinder unter drei Jahren stattfanden. "Die Eltern waren natürlich heilfroh darüber, aber auf Dauer ist Click-and-Meet auch keine optimale Lösung." Zu groß sei der logistische Aufwand, zu klein der Umsatz dadurch. Umso glücklicher sei sie nun, dass es am Montag wieder losgehe, sagt Winkler. "Das ist wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag auf einmal. Wir sitzen hier auf Kohlen."
Neue Regeln: Einzelhändler im Wittelsbacher Land sind erleichtert
Auch Claudia Kopp, Inhaberin eines Brautmodengeschäfts in Kühbach, steht bereits seit einigen Wochen in den Startlöchern. "Der Laden ist voll mit Ware“, berichtet sie am Telefon. Außerdem habe sie Spender mit Desinfektionsmittel aufgestellt und Markierungen auf dem Boden angebracht. "Ich freue mich riesig, dass ich wieder öffnen darf“, sagt sie. Für Kopp ist es nicht schwer, die Regelungen einzuhalten. Es war auch vorher selten, dass Kunden unangekündigt in ihren Laden kommen.
"Bräute kommen eigentlich immer nur mit Termin", sagt sie. Selten hätten sich mehrere Kunden gleichzeitig in ihrem Geschäft aufgehalten. Auch für Kleider und Anzüge für die Kommunion kommen ihre Kunden nur mit Termin. Besonders für die bald anstehende Kommunion gäbe es viel zu tun, das sei immerhin ein Lichtblick. Viele andere Anlässe für festliche Kleidung gebe es im Moment nur wenig, sagt Kopp.
Als einen "Sonderfall" bezeichnet Wolfgang Sperr sein Trachten- und Lederwarengeschäft in Pöttmes. "Einen großen Teil des Umsatzes erwirtschafte ich nicht mit Laufkundschaft, sondern mit Maßanfertigungen", berichtet Sperr. Momentan werden in seiner Werkstatt noch Aufträge aus dem Herbst abgearbeitet. Er freue sich, dass er am Montag wieder öffnen dürfe. Gut darauf vorbereitet sei er bereits. Schon im vergangenen Frühjahr habe er in seinem Ladengeschäft eine bessere Lüftung einbauen lassen und Ständer mit Desinfektionsmittel aufgestellt. Die Pandemie habe aber auch ihre guten Seiten. "Seit der ersten Welle im Frühjahr fragen viel mehr Kunden nach einem Termin", berichtet er. Vorher sei manch einer unangekündigt in seinem Geschäft aufgetaucht, um eine Lederhose zu kaufen.
Sport wieder möglich - Nicole Vogt vom TSV Aichach: "Es wird Zeit"
Lockerungen gibt es bald auch im Bereich Sport: Bleibt die Inzidenz unter 50, dürfen maximal zehn Personen kontaktfrei Außensport betreiben - zwischen 50 und 100 gilt das für maximal fünf Personen aus zwei Haushalten. Darauf angesprochen, macht Nicole Vogt keinen Jubelsprung, aber auch bei ihr ist die Erleichterung in der Stimme geradezu spürbar: "Es wird Zeit. Viel länger hätten wir nicht mehr durchgehalten." Als Geschäftsführerin des TSV Aichach ist sie für den größten Sportverein im nördlichen Landkreis zuständig, und der hat schon einige Mitglieder verloren. Derzeit sind es rund 2600 in 18 Abteilungen. Weil es bislang keine neuen Angebote gab, fehlen vor allem die sonst üblichen Neueintritte im Frühjahr. Weniger Kurse und Gebühreneinnahmen, weniger Mitglieder, aber konstante Fixkosten – der Lockdown ist für den Verein mittlerweile auch ein ernstes finanzielles Problem.
Aber jetzt laufen auf der Geschäftsstelle und in den Abteilungen die Vorbereitungen, wie die Sportangebote entsprechend der Öffnungsschritte wieder hochgefahren werden können. Der TSV plane derzeit Angebote sowohl für draußen als auch für die Halle, sagt die Geschäftsführerin. Parallel wolle man bestehende Online-Kurse fortführen. Denkbar seien auch sogenannte Hybrid-Kurse, also mit präsenten und digitalen Teilnehmern. Es gebe Überlegungen für Sportangebote auf öffentlichen Plätzen, erzählt Vogt. Jetzt muss nur noch die Inzidenzzahl unten bleiben, damit die "Notbremse" - ab dem Inzidenzwert 100 tritt der bisherige Lockdown wieder in Kraft - die Luftsprünge nicht wieder stoppt.
"Sahnehäubchen" für Landkreis hängt von Inzidenzwert ab
Bleibt der Inzidenzwert im Landkreis wie bislang unter 35, gibt's ab 8. März laut Ministerpräsident Markus Söder ein "Sahnehäubchen": Dann sind Treffen von bis zu zehn Personen aus maximal drei Haushalten erlaubt. Bei einem Inzidenzwert zwischen 35 und 100 dürfen sich bis zu fünf Personen aus maximal zwei Haushalten treffen. Ab 15. März soll im Landkreis auch wieder mehr Präsenzunterricht möglich sein - wann welche Schularten und Klassenstufen betroffen sind, hängt ebenfalls von den Inzidenzwert-Stufen 35, 50 und 100 ab.
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