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Diskusion: Schädigen Pestizide unsere Gesundheit?

Diskusion

Schädigen Pestizide unsere Gesundheit?

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    Das Pestizide aufzubereiten, hatten sich die Veranstalter vorgenommen (von links): Stephan Kreppold (Biolandgruppe Augsburg Ost), Andrea Eiter (AbL), Referent Dr. Peter Clausing und Ernst Haile (BN).
    Das Pestizide aufzubereiten, hatten sich die Veranstalter vorgenommen (von links): Stephan Kreppold (Biolandgruppe Augsburg Ost), Andrea Eiter (AbL), Referent Dr. Peter Clausing und Ernst Haile (BN). Foto: Martin Golling

    Dasing „Anstelle von Weihnachtsmärkten und Christkindl-Idylle“, wie sich Stephan Kreppold ausdrückte, waren 120 Menschen in den Bauernmarkt nach

    Vor die Daten-Kolonnen Clausings schoben die Veranstalter Bund Naturschutz (BN), Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Biolandgruppe Augsburg Ost, eine „Vor Ort“-Reportage des Bayerischen Rundfunks (BR). In dem Streifen (Gift im Essen – wie gesund ist unser Gemüse wirklich?) geht es auch um Bauer Willibald Schamberger (Kreis Fürstenfeldbruck). Es ist schwer an Parkinson erkrankt. Seine lückenlos geführten Spritz-Tagebücher sollen nun helfen, sein Leiden als Berufskrankheit anerkannt zu bekommen. „Es gibt viele Bauern, die betroffen sind, und es werden immer mehr“, sagt seine Frau Rosi. Bis zu 14 verschiedene Gifte, so die Macher des BR, verstecken sich im sonst als so gesund geltenden Gemüse – aber nur aus konventionellem Anbau. Vor allem Beeren sind betroffen. Bioprodukte waren bei den BR-Recherchen nirgends auffällig.

    Die Frage, ob Pestizide gesundheitsschädigend sind, ist nur mit langfristig vorliegenden Daten zu beantworten – Clausing hat sie ausgewertet. Vorweg: In den vergangenen 15 Jahren stieg die ausgebrachte Pestizidmenge in Deutschland um 26 Prozent auf 45 Megatonnen. Es gebe immer wieder akute Vergiftungen etwa mit Hautschäden, wirklich bedrohlich aber seien chronische Erkrankungen und Fortpflanzungsschäden. Schäden? Wir leben doch immer länger? „Ja“, bestätigt Clausing und stellt die Frage: „Länger, aber unter welcher Lebensqualität?“ So habe sich die Zahl der Diabetes-Patienten von 1997 bis 2008 (alterskorrigiert!) um 29 Prozent erhöht. Die Prostatakrebs-Fälle stiegen zwischen 1970 und 2010 um das 2,7-Fache (alterskorrigiert), 2,2-fach erhöht haben sich in der Zeit die Diagnosen für Brustkrebs.

    Für jedes einzelne Pflanzenschutzmittel gilt, dass es in niedriger Dosis für den Menschen nicht toxisch sei. Vor allem Landwirte sind aber über Jahre Giften ausgesetzt. Hier seien Krebs, neurologische Erkrankungen wie Parkinson, Atemwegserkrankungen oder Erbgutschäden wahrscheinlicher. „Das wurde signifikant, als zwischen 1958 und 1967, also zehn bis 20 Jahre nach Beginn des Chemieeinsatzes in der Landwirtschaft, eine Häufung von Langen- und Hautkrebs bei deutschen Winzern festgestellt wurde“, so Clausing. Damals erschien auch die erste Liste mit 70 Mitteln, die möglicherweise krebserregend seien. Die Mittel Dicamba, Pendimethalin und vor allem maneb/mancozeb stehen aktuell unter Verdacht, Krebs- und Nervenkrankheiten auszulösen. Zu letzteren zählen Alzheimer, Autismus, Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom und Amyotrophe Lateralsklerose.

    In Frankreich gilt Parkinson seit 2012 bei Bauern als Berufskrankheit, hierzulande sind erst vier Fälle „wie eine Berufskrankheit“ anerkannt, berichtete Clausing. Unter schwerem Verdacht stehen (Stand: 2009) 101 Präparate, die als hormonschädigende Substanzen (EDC) eingestuft sind, wie etwa Chlor- und phosphororganische Insektizide. Diese Stoffe können beim Menschen können das Heranreifen bis zum 25. Lebensjahr schwer beeinträchtigen.

    6000 Tonnen Glyphosat wie RoundUp von Monsanto werden jährlich auf Deutschlands Grün ausgebracht. Es ist mit zwölf Prozent das am häufigsten eingesetzte Pestizid – „und gleichzeitig das am schlechtesten überwachte“, kritisierte Clausing. Bei über fünf Millionen Lebensmittelproben wurde 2014 nur bei 3200 nach Glyphosat-Rückständen geschaut. In 765 Proben wurde das Gift nachgewiesen.

    Clausings das Ergebnis seiner Forschung war beklemmend: Pestizide verursachen Krebs, chronische Krankheiten und beeinträchtigen unsere Reproduktion. „Chemische Produkte machen unser Leben bequemer, aber diese Bequemlichkeit hat ihren Preis“, so der Experte.

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