Dienstagmorgen, kurz nach sieben. Die Paartalbahn fährt in den Bahnhof Dasing ein, Karsten Fiedler beobachtet den Zug. Er wartet jeden Morgen mehrmals auf die Bahn, steigt aber selbst nie ein. Der Busfahrer nimmt unter anderem die Fahrgäste auf, die aus dem Zug aussteigen. Es geht von hier aus nicht etwa nach Obergriesbach oder Friedberg. Mit Fiedlers Doppeldeckerbus können die Leute Richtung Olympiastadion fahren, Richtung Viktualienmarkt und Hofbräuhaus. Sofern es Corona zulässt, geht es hier im September vom Wittelsbacher Land ab zur Wiesn. Die neue Buslinie fährt nämlich über Adelzhausen und Odelzhausen bis nach München-Pasing. Am Dienstagmorgen steigt nur ein Fahrgast zu. 90 Sitzplätze hat der Doppeldecker eigentlich.
Der Fahrgast, Eduard Raul, nimmt jeden Morgen die Buslinie X372, um zu seiner Arbeit in Odelzhausen zu kommen. Raul hat sich sehr über die neue Linie gefreut, öffentlich zu fahren war für den Obergriesbacher vorher sehr umständlich. Er hätte mit dem Zug von Obergriesbach nach Hochzoll, von Hochzoll nach München-Pasing fahren müssen und von dort wiederum mit dem Bus nach Odelzhausen. "Da bin ich ja zwei Stunden unterwegs", sagt Raul. Dementsprechend hat er bisher sein Auto genommen.
Sein Miniauto fährt allerdings nur 45 Kilometer pro Stunde, jetzt ist Raul sehr froh darüber, mit dem Bus zur Arbeit zu können. "Der Weg ist jetzt um einiges kürzer", sagt er. Raul erzählt, morgens sei er oft der Einzige, der ab Dasing mitfährt. "Viele wissen glaub ich noch nicht, dass der Bus existiert", vermutet Raul. Er selbst habe es im Internet herausgefunden und nicht von irgendwem erzählt bekommen.
Dasing-Pasing: Buslinie wegen Corona und Homeoffice weniger gefragt
Busfahrer Fiedler denkt, dass prinzipiell Interesse an der Linie bestehe. "Wenn ich in Dasing stehe, werde ich viel zu dem Bus gefragt", erzählt er. Aber im Moment, denkt Fiedler, sei die Strecke wegen Corona und dem vielen Homeoffice sicherlich weniger gefragt. Die Fahrzeuge stellt Geldhauser, ein Busunternehmen mit Sitz in Odelzhausen. Die Linie gehört zum Münchner Verkehrs- und Tarifverband MVV. Die MVV erklärt auf Nachfrage ebenfalls, dass Corona als Grund dafür gesehen werde, dass derzeit noch so wenige die Buslinie nutzen. Die MVV-Pressesprecherin sagt aber auch, dass neue Linien immer zwei bis drei Jahre brauchten, um angenommen zu werden.
Fahrgast Raul freut sich, dass der Fahrbetrieb trotz Corona gestartet ist. Der Lackierer kann kein Homeoffice machen. Um 7.24 Uhr fährt der Bus pünktlich los. Es ist noch dunkel. Die Fahrt hat fast etwas Romantisches. Verschneite Hügel, Wälder, kleine Ortschaften. "Ich kann mir vorstellen, dass viele in den umliegenden Dörfern gerne angefahren werden wollen", sagt Fiedler.
Die nächste Station für den Expressbus ist allerdings kein kleinerer Ort, sondern direkt Adelzhausen. Dort steigt ein weiterer Fahrgast ein. Er nickt Fiedler kurz zu und steigt die Treppe in den oberen Busteil hoch. Einige Fahrgäste, die täglich einsteigen, kennt Fiedler schon. Er kontrolliert aber auch bei neuen Gästen keine Fahrkarten, das gehört nicht zu seinen Aufgaben.
Er verkauft sie allerdings. Zwar gibt es die MVV-Fahrkarten in Dasing am Automaten, aber die meisten Fahrgäste würden direkt bei ihm bezahlen, erzählt Fiedler. Manchmal Einzel- oder Tageskarten, meist Monatstickets. Die Fahrt von Dasing nach Pasing kostet 8,50 Euro. Die Tageskarte 10,80 Euro. Der Monatspreis liegt aktuell bei 142,50 Euro. Will der Fahrgast in München überall hinfahren können, liegen die Preise höher.
Autofahrer müssen sich noch an Bus zwischen Dasing und Pasing gewöhnen
Von Adelzhausen geht es auf die Autobahn. Es ist trotz Corona einiges los. Die Autobahn ist der Grund, weswegen die Firma Geldhauser Doppeldeckerbusse für die Strecke gekauft hat. Um dort 100 fahren zu dürfen, muss jeder Fahrgast einen Sitzplatz haben. Damit es zu Stoßzeiten nicht dazu kommt, dass manche Fahrgäste nicht mitfahren dürfen, brauchte es vorsorglich Busse mit vielen Sitzmöglichkeiten. Langsam geht die Sonne auf. Der Himmel färbt sich rosa unter den Wolken, davor die roten Rücklichter der Autos. Um viertel vor acht steigt Eduard Raul in Odelzhausen aus, ein Mann steigt ein, kauft ein Ticket nach Pasing und geht die Treppen nach oben. "Die meisten Fahrgäste gehen nach oben", sagt Fiedler. Drei weitere Männer fahren mit dem Bus von Odelzhausen in das Gewerbegebiet Sulzemoos.
Fiedler kommt gut durch, der Verkehr ist nicht zu dicht. Allerdings müssen sich manche Autofahrer wohl noch an den Bus gewöhnen. Als Fiedler im Sulzemooser Ortsteil Wiedenzhausen kurz an der Haltestelle stehen bleibt, überholt ein Auto den Bus. Der Gegenverkehr hupt laut, kann gerade noch rechtzeitig abbremsen. Der Überholer biegt scharf vor dem stehenden Bus wieder auf seine Spur und beschleunigt noch mal ordentlich. "Oioioi", ruft der Busfahrer.
Doppeldeckerbus X732 nach Pasing: Blick von oben auf die A8
Nach Sulzemoos geht es wieder auf die Autobahn. Aus dem sogenannten Panoramafenster vorne oben kann man sogar Alpenumrisse erkennen. Laut den MVV sind die Sitzplätze an den Panoramafenstern am beliebtesten. Heute sitzt dort Benjamin Dillitz. Mit Kopfhörern im Ohr blättert er in einem Kalender und schaut auf sein Handy. Das Panorama beachtet er kaum. Dillitz fährt jeden Tag von Adelzhausen nach Pasing. Der 27-Jährige arbeitet in München im Einzelhandel. Aktuell kann er durch Click und Collect wieder arbeiten. Kunden bestellen Artikel im Internet und holen sie dann beim Laden ab. "Ich bin zuversichtlich, dass der Bus angenommen wird", sagt Dillitz. Er denkt, wenn die Spritpreise in den nächsten Jahren steigen, würden sich viele nach Alternativen umsehen.
Der 27-Jährige findet, mit dem Bus zu fahren seiallein der Umwelt wegen die richtige Lösung. Er zeigt auf die Fahrzeuge, die unter ihm auf der Autobahn unterwegs sind. "Die Leute sitzen alle alleine in den Autos", sagt Dillitz. In manchen Fällen, wie zum Beispiel bei Schichtarbeit, gehe es nicht anders. Aber oft seien die Leute einfach zu bequem für den öffentlichen Nahverkehr. Dabei findet Dillitz es bequemer als im eigenen Wagen. "Du fährst im Bus und musst dich um nichts kümmern, kannst Musik hören, deine Sachen durchgehen", sagt der 27-Jährige.
Er sei auch vorher öffentlich unterwegs gewesen. Dafür sei er von Adelzhausen nach Odelzhausen und von dort wiederum nach Pasing gefahren. Dass er jetzt quasi vor der Haustüre in einen Bus in die Landeshauptstadt steigen kann sei "etwas Besonderes". Dillitz denkt, sobald die Geschäfte und die Gastronomie öffnen, werde der Bus an Samstagen von Tagesausflüglern gut angenommen.
Buslinie von Dasing nach Pasing hat noch Anfangsschwierigkeiten
Um 8.14 Uhr kommt der Bus in München an. Zwei Minuten früher, als der Fahrplan vorgibt. Um 8.25 Uhr geht es schon wieder zurück Richtung Odelzhausen. Fiedler hat einen sehr langen Tag: Wenn er wie heute Frühschicht hat, geht sein Wecker um 3.30 Uhr. Um 5.24 Uhr ist er zum ersten Mal in Dasing losgefahren, um 18.35 Uhr endet seine Schicht. Aber so lange ist er nur an einem Tag pro Woche unterwegs. Morgen hat er dafür zum Beispiel um 11.30 Uhr Feierabend. Fünf Doppeldeckerbusse des Odelzhausener Unternehmens Geldhauser sind jeden Tag im Betrieb, neun Fahrer sind für die Linie zuständig. Ein Fahrer hat immer eine lange Schicht, die anderen vier Busse fährt einen halben Tag ein Fahrer und den Rest des Tages ein Kollege.
Neue Busverbindung vom Wittelsbacher Land nach München
Doppeldeckerbusse
Erstmals sind auf einer Linie des Münchner Verkehrsverbundes (MVV) fünf neue Doppelstockbusse im Einsatz. Sie sind 14 Meter lang und haben Platz für 90 Passagiere. Beauftragt ist das Busunternehmen Geldhauser.
Fahrplan
Unter der Woche gibt es 15 auf den Zugfahrplan abgestimmte Schnellbusverbindungen im Stundentakt ab Dasing (die erste um 5.23 Uhr) und 16 zurück vom Münchner Verkehrsknoten ins Wittelsbacher Land (letzte Ankunft 22 Uhr). An Samstagen sind es zehn Verbindungen und an Sonn- und Feiertagen jeweils sieben in beide Richtungen. Wer in Dasing einsteigt, braucht zwischen 45 und 53 Minuten, von Adelzhausen sind es im Expressbus, der ab Sulzemoos auf der Autobahn bleibt, bestenfalls 33 Minuten bis in die Landeshauptstadt. Zurück geht es in 47 oder 49 Minuten. Natürlich immer vorausgesetzt, auf der A8 ist gerade kein Stillstand.
Angebot für Pendler
Der dicht getaktete Fahrplan ist für Pendler in die Landeshauptstadt eine zeitliche Alternative. Mit dem Zug von Dasing aus über die Paartalbahn und mit Umstieg in Hochzoll ist man im Regionalverkehr in ungefähr derselben Zeit (bestenfalls 47 Minuten) in Pasing. Der Autobahn-Schnellbus bringt für München-Pendler aber finanzielle Vorteile. Denn obwohl er bis Odelzhausen auf AVV-Gebiet fährt, gilt dort der MVV-Tarif. Das ist das erste MVV-Angebot überhaupt, das in das AVV-Kerngebiet hineingeht.
Kostenausgleich
Das Betriebskostendefizit gleicht vor allem der Landkreis Dachau aus. Der Kreis Aichach-Friedberg und die Gemeinden Adelzhausen und Dasing übernehmen zusammen jährlich 50.000 Euro. Und der Freistaat schießt in drei Jahren insgesamt 1,5 Millionen Euro zu.
Zukunftsvision
Als Zukunftsvision wird von einer Magnetschwebebahn auf Stelzen über dem Mittelstreifen der Autobahn gesprochen, die Pendler von Augsburg bis zum Bahnhof in Pasing bringt. Diese Revolution im Nahverkehr wird aber wohl noch einige Jahre oder gar Jahrzehnte auf sich warten lassen, falls die Vision überhaupt umgesetzt wird.
Noch merkt man der Buslinie gewisse Anfangsschwierigkeiten an. Ein Plakat im Bus bewirbt Wlan, aber das Handy kann keine Verbindung finden. "Ich musste gestern schon einen Fahrgast vertrösten", sagt Fiedler. Mirko Skeljic, der Fahrdienstleiter der Firma Geldhauser erklärt, es sei schon alles für das WLAN installiert, die Telefongesellschaft müsse es nur noch freischalten. Fiedler merkt an, dass für die Fahrer aktuell nicht klar sei, wo sie zwischen den Fahrten auf Toilette gehen können. Auch da heißt es von der Firma Geldhauser, man sei bereits dabei, das Problem zu lösen.
Dasing: Der erste Bus nach Pasing ist am besten besetzt
Der Wind zieht auf, Fiedler beäugt die Wolken. Für heute Nachmittag sei Schnee angesagt, sagt er. Er fährt ohne Fahrgäste von Pasing ab. Das sei normal, sagt er. Morgens wollen mehr Leute von Dasing nach Pasing, abends fahren sie dann zurück. Der erste Bus um kurz nach fünf ist laut dem Busfahrer immer am besten besetzt. "Von zehn bis 14 Uhr ist es ruhiger", sagt Fiedler.
Er ist absichtlich erst ein paar Minuten später losgefahren, bei den Haltestellen auf dem Weg will er nicht warten müssen, denn dort kann man nicht so gut stehen bleiben. Fiedler kann sich vorstellen, dass bald mehr los sein wird. Dass Familien den Bus für Familienausflüge nutzen. Fürs Erste bleibt nur abwarten. Aber vielleicht klappt es ja doch noch in diesem Jahr, um mit dem Bus zum Oktoberfest zu fahren.
Lesen Sie dazu auch:
Bis Weihnachten ist der A8-Schnellbus zwischen Dasing und Pasing kostenlos
A8-Expressbus Dasing-Pasing ist ein vorgezogenes ÖPNV-Geschenk
Schwebebahn an der A8: Diese Idee lässt Pendler träumen
- Bis Weihnachten ist der A8-Schnellbus zwischen Dasing und Pasing kostenlos
- A8-Expressbus Dasing-Pasing ist ein vorgezogenes ÖPNV-Geschenk
- Schwebebahn an der A8: Diese Idee lässt Pendler träumen
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.