Mitte November war der erste Bewohner positiv. Seither kämpft das Haus an der Paar in Aichach gegen das Coronavirus. Zunächst scheinbar erfolgreich. Anfang Dezember zeigte sich auch Leiterin Lolita Höpflinger eher zuversichtlich. Damals waren 16 der über 80 Bewohner und einer von 70 Mitarbeitern positiv getestet. Um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, wurden Schnelltests eingeführt und die Mitarbeiter tragen seither durchgehend FFP2-Masken. Doch das Virus war am Ende stärker: Insgesamt neun Bewohner des Seniorenheimes sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Das konnten auch die ersten Impfungen im Landkreis, die im Haus an der Paar stattfanden, nicht verhindern.
Wie kam das Coronavirus ins Haus an der Paar?
Ins Heim kam das Virus vermutlich Anfang November über einen Bewohner, der von einem Krankenhausaufenhalt zurückgekehrt war, berichtet Heimleiterin Lolita Höpflinger unserer Redaktion vom Versuch einer Rückverfolgung mit dem Gesundheitsamt. Bis Klarheit herrschte, verging wertvolle Zeit. Seit Anfang Dezember ist mit täglichen Schnelltests viel rascher Gewissheit möglich, aber es zeigt sich auch: "Es geht rasend schnell." Die Heimleiterin sagt: "Wenn das Virus einmal drin ist, ist es schwierig." Schwierig, es in Schach zu halten, schwierig Todesfälle zu verhindern bei den anfälligsten aller Menschen. Der überwiegende Teil der Todesopfer sei bereits in der Palliativversorgung, also der letzten Station ihres Lebens, gewesen.
Vor Weihnachten hatte das Landratsamt zwei Todesfälle aus dem Haus an der Paar gemeldet. Erst am Mittwoch wurde schlagartig klar, wie folgenreich der Ausbruch wirklich war. Die Behörde meldete sieben weitere Todesopfer seit Weihnachten nach - alle aus dem Heim an der Franz-Beck-Straße. Warum erst jetzt? Laut Wolfgang Müller, Pressesprecher im Landratsamt, gab es zwischen den Jahren keine täglichen Meldungen des Gesundheitsamtes zu Zahlen und Verstorbenen. Begründet wird das mit der Umstellung der Software im Gesundheitsamt und der personellen Situation dort über die Ferien.
So versuchte das Haus an der Paar die Ausbreitung zu verhindern
Eine Einschätzung des Gesundheitsamtes zum Krisenmanagement im Haus an der Paar gibt es aktuell noch nicht. Lolita Höpflinger ist jedenfalls der Überzeugung: "Wir haben wirklich alles gemacht, was man tun kann." Verhindert hat das die Ausbreitung nicht. Trotz täglich zweimaliger Desinfektion von Handläufen oder Lichtschaltern, trotz Quarantänestationen, trotz Schutzmontur der Mitarbeiter, trotz der Schnelltests. Die 60-jährige Heimleiterin spricht von einem Kampf gegen Windmühlen. Wie trotz allem das Virus in eine nicht befallene Station eindringen konnte, kann sie nicht erklären. Womöglich lässt sich später manches noch nachvollziehen. Denn zu den Pflichten einer befallenen Einrichtung gehört es auch, Listen der Personen zu führen, die ein Zimmer betreten.
Mitarbeiter fahren wegen Corona zum Teil Zwölf-Stunden-Schichten
Die Mitarbeiter haben nach Angaben Höpflingers viel geleistet in den vergangenen Wochen. Immerhin kam es nicht zu einem Personalnotstand, wenngleich das Haus an der Paar stets und auch aktuell auf der Suche nach Verstärkung ist. Zwölf-Stunden-Schichten, "wie man es im Fernsehen sieht", waren nicht selten. Höpflinger selbst war über die Feiertage täglich zehn Stunden im Heim. Sie spricht von einem unheimlichen Aufwand. Nicht nur organisatorisch. Es galt die Bewohner zu beruhigen, Kontaktsperren zu überwachen, was bei zum Teil dementen Menschen eine Herausforderung sein kann, es galt, mit kranken, verunsicherten Menschen zu sprechen, die keine Besuche empfangen durften. "Das muss man alles auffangen", schildert die Heimleiterin. Auch für die Angehörigen sei all das sehr schwer gewesen. Durch das Besuchsverbot sei wohl ein Vertrauensverlust entstanden, "ob wir das alles auch gut machen hier drin", befürchtet Höpflinger.
Inzwischen sieht die Einrichtungsleiterin Licht am Ende des Tunnels. Am 27. Dezember gab es die ersten Impfungen, die gleichwohl für die bereits Infizierten zu spät kamen. Vorerst, so Pressesprecher Müller, werden nur Personen geimpft, die noch keine Covid-19-Erkrankung durchgemacht haben. Von den im Haus an der Paar geimpften Senioren ist bislang keiner erkrankt. Am Sonntag werden die ersten Impfungen vorschriftsmäßig wiederholt und weitere Erstimpfungen durchgeführt. Danach werden laut Höpflinger 55 Bewohner und etwa 30 Mitarbeiter geimpft sein. Ein dritter Termin ist geplant. Der Heimleiterin zufolge wollen sich 90 Prozent der Bewohner impfen lassen. Außerdem sind zwei von drei Quarantänestationen im Haus inzwischen aufgelöst. Die Ergebnisse der letzten Reihentestung vom Mittwoch werden laut Landratsamt am Freitag oder Samstag erwartet. Höpflinger hofft, dass danach auch die letzte Quarantäneabteilung aufgehoben werden kann. Nun sei das Schlimmste überstanden. Das Schlimmste, so sagt die Heimleiterin, war das Bemühen, "alles unter Kontrolle zu halten", das war "immer wieder die Angst" vor Neuinfektionen, das waren "die ganzen Sorgen".
Seniorenheime im Landkreis hoffen auf die Impfungen
Das Haus an der Paar ist das dritte Seniorenheim in Aichach, in dem das Coronavirus gewütet hat. Im AWO-Heim starben im Frühjahr 17 Menschen, im Spital waren bis Mitte Dezember 14 Todesopfer zu beklagen. Kein Wunder, dass sich die Hoffnungen auf die nun angelaufenen Impfungen konzentrieren. Wie viele Heime im Landkreis inzwischen schon Besuch von Impfteams bekommen haben, ist am Donnerstag nicht mehr zu erfahren. Die Reihenfolge jedenfalls legt Vitolus fest, das Unternehmen, das im Impfungen durchführt. Es orientiert sich dabei laut Wolfgang Müller daran, "wie die Heime am besten in den Einsatzplan passen, damit der Impfstoff schnellstmöglich verimpft werden kann". Es gebe keine bevorzugten Heime und auch keine Bewerbungen, versichert er.
Lolita Höpflinger jedenfalls ist froh, dass die Impfungen in ihrem Haus schon laufen. Sie stellt am Donnerstag fest: Jetzt sei die Lage im Heim wieder im Griff, es werde leichter. Mit dem Tod leben muss das Haus an der Paar dennoch auch in Zukunft. Denn es würden immer Bewohner sterben. So gab es im gleichen Zeitraum vor einem Jahr 13 Todesfälle - ohne Corona. Das Heim sei "einfach Endstation", sagt Höpflinger. Doch die große Hoffnung ist, dass in Zukunft nicht mehr das Coronavirus die Hand im Spiel hat.
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