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Entscheidung: Baupfusch in der JVA Aichach: Staat muss nicht zahlen

Entscheidung

Baupfusch in der JVA Aichach: Staat muss nicht zahlen

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    Seit Anfang 2018 ist das neue Versorgungszentrum in der JVA Aichach in Betrieb. Den modernen Bau mit Wäscherei, Bäckerei und Großküche kennzeichnet die teilweise rote Fassade (vorne Mitte). Der Fliesenpfusch hat den Bau um drei Jahre verzögert.
    Seit Anfang 2018 ist das neue Versorgungszentrum in der JVA Aichach in Betrieb. Den modernen Bau mit Wäscherei, Bäckerei und Großküche kennzeichnet die teilweise rote Fassade (vorne Mitte). Der Fliesenpfusch hat den Bau um drei Jahre verzögert. Foto: Erich Echter

    Dieser Baupfusch in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aichach hat Schlagzeilen gemacht: 4800 Quadratmeter Fliesen waren im Neubau des Versorgungszentrums dermaßen schlecht verlegt worden, dass sie komplett wieder herausgerissen werden mussten. Das dreistöckige Gebäude ist seit rund eineinhalb Jahren in Betrieb. Der Fliesenskandal aber ist erst jetzt juristisch entschieden – zumindest vorläufig.

    Spanische Firma verlegt 4800 Quadratmeter Fliesen mangelhaft

    Die mangelhaft verlegten Fliesen sorgten für jede Menge Ärger. Zu einem Zeitpunkt, als das Versorgungszentrum mit neuer Anstaltsküche, neuer Wäscherei und Bäckerei in Betrieb gehen sollte, musste das Staatliche Bauamt im Januar 2015 die Öffentlichkeit vom Fliesenpfusch unterrichten. Den Auftrag hatte bei der vorgeschriebenen EU-weiten Ausschreibung eine spanische Firma erhalten. Doch die Abwicklung der Arbeiten erfolgte „nur zögerlich und mit Mängeln behaftet“, hieß es damals in einer Pressemitteilung. Die Fliesen lagen zum Teil hohl, waren bucklig verlegt, die Dichtigkeit des Belags nicht gewährleistet. Ein Gutachter kam zu dem Schluss: Die 4800 Quadratmeter müssen komplett wieder entfernt werden.

    Seit Jahren ist der Baupfusch in der JVA Aichach ein Fall fürs Gericht

    Das war erst der Beginn der Scherereien. Denn danach kamen viele Fragen auf: Wer steht für den Schaden gerade? Wer beseitigt ihn? Die spanische Firma sah sich nicht in der Pflicht. Seither läuft die juristische Auseinandersetzung. Unter dem Strich verzögerte sich der Bau um drei Jahre. Die zunächst auf 18,2 Millionen Euro geschätzten Kosten stiegen auch deshalb am Ende auf 21 Millionen Euro.

    Ulrich Blickle, Leiter des Staatlichen Bauamts, hat schon häufig den Kopf geschüttelt über diese Angelegenheit. Sie brachte dem Freistaat und seiner Behörde, die den Bau realisiert hat, unangenehme Berühmtheit ein: Der Bund der Steuerzahler nahm den Fliesenskandal zweimal als besonders krasses Beispiel von Steuerverschwendung in sein Schwarzbuch auf. Denn der Freistaat sprang schließlich finanziell in die Bresche, damit wieder weitergebaut werden konnte.

    Ein Gericht hat entschieden, wer für dem Baupfusch aufkommen muss

    Für Blickle ist die jüngste Entwicklung vor Gericht ein Grund zum Durchschnaufen. Es handelte sich um ein sogenanntes stelbstständiges Beweisverfahren vor einer Zivilkammer am Landgericht in Augsburg. Das wurde laut Pressesprecherin Diana Bestler mit einer letzten Anhörung beendet. In einem Beweisverfahren gibt es zwar kein Urteil. Aber "das Ergebnis spricht schon für den Freistaat Bayern", resümiert Bestler. Denn: Der Gutachter kam dabei zu dem Schluss, dass relevante Mängel vorlagen, die den Abbruch der Fliesen und eine Neuherstellung nötig machten.

    Das ist eine Bestätigung für das Staatliche Bauamt. Dessen Leiter bezeichnet das Ergebnis als zufriedenstellend. Nun habe die Behörde etwas in der Hand, „dass wir das Geld zurückbekommen“, betont Blickle. Er kündigt an, als Nächstes den Schaden exakt zu berechnen. Überschlägig reicht die ursprünglich geschätzte Summe von einer dreiviertel Million Euro nicht aus. Blickle rechnet inzwischen mit über einer Million Euro. Die Rechnung bekomme nicht nur die spanische Fliesenfirma, sondern auch das Unternehmen, das für den Putz verantwortlich war, und die Bauleitung. Wegen des Baupfuschs hatte das Staatliche Bauamt die extern vergebene Bauleitung wieder an sich genommen.

    Ob der Baupfusch in der JVA Aichach juristisch erledigt ist, ist fraglich

    Trotz der aktuellen Entwicklung rechnet Ulrich Blickle nicht damit, dass er den Fliesenskandal ad acta legen kann. Er vermutet, dass die Betroffenen „nicht klein beigeben“ werden. „Die werden nicht freiwillig zahlen“, glaubt Blickle. Dann muss der Staat das Geld einklagen. Immerhin: Die Gutachten aus dem Beweisverfahren können laut Bestler in einem Klageverfahren herangezogen werden. Unterm Strich ist Bauamtsleiter Blickle also im Moment noch nicht so richtig zufrieden. Das sei er erst, „wenn die Firmen das Geld überwiesen haben“.

    Die Geschichte des Versorgungszentrums

    Juli 2012 Die damalige Bayerische Justizministerin Beate Merk startet das Großprojekt in den Mauern der Justizvollzugsanstalt (JVA) symbolisch mit dem Bagger.

    Januar 2015 Das Versorgungszentrum sollte in Betrieb gehen. Stattdessen muss das Staatliche Bauamt Augsburg über massiven Pfusch beim Einbau der Fliesen berichten. Es steht fest: 4800 Quadratmeter Fliesen müssen wieder herausgerissen werden.

    Anfang 2016 Wegen der Beweissicherung und weil die Schadensursache strittig ist, ruhen die Bauarbeiten etwa ein Jahr. Der Freistaat beschließt, finanziell in die Bresche zu springen. Er streckt die Kosten vor.

    Mitte 2016 Der Rückbau ist abgeschlossen, der Wiederaufbau beginnt.

    Herbst 2016 Der Steuerzahlerbund führt das Versorgungszentrum als eines von zehn krassen Beispielen von Steuerverschwendung auf.

    Anfang 2018 Das Versorgungszentrum geht nach sechs Jahren Bauzeit in Betrieb.

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