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Autismus: Schreiben als Tor zur Welt, als Brücke zur Normalität

Autismus

Schreiben als Tor zur Welt, als Brücke zur Normalität

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    Raphaels Klassenkameradin Barbarella Petz hat das Titelbild zu „Jonas wird ausgeschlossen“ gestaltet. Es zeigt einen Schmetterling mit gebrochenem Flügel.
    Raphaels Klassenkameradin Barbarella Petz hat das Titelbild zu „Jonas wird ausgeschlossen“ gestaltet. Es zeigt einen Schmetterling mit gebrochenem Flügel. Foto: privat

    Statt zu sprechen schreibt Raphael Müller. Der elfjährige Aichacher ist stumm, autistisch und sitzt im Rollstuhl. „Schreiben ist mein Tor zur Welt, meine Brücke zur Normalität“, sagt er. Nicht nur seine Begeisterung, sondern auch seine Begabung ist groß. So veröffentlichte Raphael bereits mehrere Kurzgeschichten und Gedichte. Für sein aktuelles Projekt, den Text „Jonas wird ausgeschlossen“, den er beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten einreichte, wird er nun ausgezeichnet.

    231 von insgesamt 1152 Arbeiten, die sich in diesem Jahr mit dem Thema „Ärgernis, Aufsehen, Empörung: Skandale in der Geschichte“ beschäftigten, erhalten einen Preis für den Landessieg. Damit haben die Teilnehmer die Chance, auch einen von 50 Preisen auf Bundesebene zu erringen. Raphaels Arbeit, die 28 Seiten reinen Text umfasst, beschäftigt sich mit Angst, Ablehnung, und Ausgrenzung – alles Reaktionsweisen auf behinderte Menschen.

    In einem geschichtlichen Überblick von der Steinzeit bis heute sowie einem konkreten, lokalen Fallbeispiel, das der Elfjährige bewusst anonym beschrieben hat, arbeitete er dieses Thema auf. Wichtigster Teil seines Textes ist laut Raphael der Schluss. Er gibt darin einen Ausblick und stellt die Frage, „ob es nicht auch anders gegangen wäre“.

    Sein Hauptanliegen ist – wie in vielen anderen seiner Texte – das Thema Inklusion. Jeder Mensch soll dabei in seiner Individualität von der Gesellschaft akzeptiert werden und in vollem Umfang an ihr teilhaben dürfen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass ein inklusives Schulsystem zum Beispiel helfen könnte, unsere Gesellschaft offener und toleranter zu gestalten“, so Raphael.

    Er selbst ist froh, dass er trotz Behinderung am Unterricht des Deutschherren-Gymnasiums in Aichach teilnehmen darf. Raphael besucht seinem Wissensstand entsprechend die Klasse 8f und wird dabei von einer Begleitperson unterstützt. Anderen mitteilen kann sich der Schüler über die sogenannte „Gestützte Kommunikation“. Im Einfingersystem tippt Raphael auf einer Tastatur. Dazu braucht er jemanden, der seine Hand stützt. Über den Unterricht am Gymnasium sagt er: „Es ist solch ein Geschenk, wenn man dabei sein darf!“

    Hoffnung auf ein Treffen mit dem Bundespräsidenten

    Der Landessieg, den er mit seiner sozialkritischen Arbeit errungen hat, macht den Elfjährigen stolz und lässt ihn auch auf einen Preis auf Bundesebene hoffen. „Ich würde mich besonders freuen, Herrn Wulff kennenzulernen“, erklärt Raphael und fügt hinzu: „Nicht so sehr wegen mir, sondern weil das dem Thema einen höheren Stellenwert einräumen würde.“

    Raphael betont, dass sich das Thema Inklusion, das ihm so am Herzen liegt, nicht nur auf Menschen mit Behinderung beziehe. „Allen Menschen in der Gesellschaft kommt das zugute“, erklärt er. Mit den vielen Texten, die er sowohl für Kinder als auch für Erwachsene schreibt, möchte Raphael vor allem eines erreichen: „Ich möchte den Menschen Mut machen für einen möglichst natürlichen Umgang miteinander.“

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