Startseite
Icon Pfeil nach unten
Aichach
Icon Pfeil nach unten

Altenpflege: Ein Leben in Würde – bis zum letzten Augenblick

Altenpflege

Ein Leben in Würde – bis zum letzten Augenblick

    • |
    Als bundesweit erste Einrichtung hat sich das Caritas-Pflegezentrum St. Hildegard in Pöttmes einer Zertifizierung für die Betreuung Sterbender unterzogen. Unser Bild zeigt (von links) Hauswirtschaftsleiterin Anni Kühbacher, Herbert Kammers, Geschäftsleiter des Zertifizierungsausschusses PallCert, Einrichtungsleiterin Andrea Neukäufer, und Pflegedienstleiterin Stefanie Beck.
    Als bundesweit erste Einrichtung hat sich das Caritas-Pflegezentrum St. Hildegard in Pöttmes einer Zertifizierung für die Betreuung Sterbender unterzogen. Unser Bild zeigt (von links) Hauswirtschaftsleiterin Anni Kühbacher, Herbert Kammers, Geschäftsleiter des Zertifizierungsausschusses PallCert, Einrichtungsleiterin Andrea Neukäufer, und Pflegedienstleiterin Stefanie Beck. Foto: Vicky Jeanty

    In Würde sterben können. Die letzten Stunden, Tage oder Wochen so gestalten, dass dem Sterbenden und seinen Angehörigen das Abschiednehmen erleichtert wird. Im Pflegeheim St. Hildegard wird schon seit 2008 intensiv daran gearbeitet, schwerstkranke und sterbende Menschen bestmöglich zu betreuen.

    Der Sterbende bleibt bis zum Schluss im vertrauten, eigenen Zimmer, die Angehörigen haben Tag und Nacht Zutritt. Blumen, Familienfotos, Kerzen, auf Wunsch leise Musik, Rosen- und Zedernduft: Das Pflegepersonal versucht mit vielen kleinen Dingen den Sterbenden, aber auch den Angehörigen zu helfen. Es gibt Bücher mit Gebetstexten, Haltekreuze, Steine – Symbole, die den Angehörigen Halt und Trost geben sollen. Die Fachkräfte lindert mit medizinischen und pflegerischen Mitteln Schmerzen oder sorgt nur durch behutsames Einreiben mit wohltuenden Ölen für Wohlbefinden. Wenn nötig, bietet eine Hospizhelferin ihren Beistand an.

    St. Hildegard hat nun das bundesweit erste Zertifikat für palliative Pflege erhalten. Eine offizielle Würdigung und Anerkennung dessen, was seit 2008 im Pflegeheim praktiziert und gelebt wird: Die umfassende, bestmögliche Betreuung schwerstkranker oder sterbender Menschen. Ziel ist es, neben der medizinischen Versorgung menschenwürdige Rahmenbedingungen bis in den Tod hinein zu schaffen.

    Überreicht wurde die Urkunde von Herbert Kammers, Geschäftsführer der Zertifizierungsorganisation PallCert Europe GmbH (siehe Infokasten). Der rein formale Akt bestätige, „dass in Pöttmes gute Arbeit geleistet wird“, so Kammers. Oder, wie es in der Pressemitteilung heißt: „..wie hier die Palliativversorgung und Abschiedskultur im Alltag umgesetzt und erlebt wird“.

    Für Einrichtungsleiterin Andrea Neukäufer, Anna Kühbacher und Stefanie Beck ist dieser Alltag seit ihrer Zusatzqualifikaktion als Palliative-care-Fachkräfte immer fordernd und herausfordernd. Ein gutes Jahr und annähernd 160 Schulungsstunden haben die drei Mitarbeiterinnen investiert, um sich in die vielen Bereiche einzuarbeiten, die diese anspruchsvolle Pflege und Betreuung verlangen. Schmerzmanagment gehört ebenso dazu wie Symptomerkennung, Ernährung oder der Umgang mit den Angehörigen. Um das in die Praxis umzusetzen, wurden Leitfäden selbst erarbeitet, an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert. Wichtig ist die Zusammenarbeit mit Hospizvereinen, Ärzten und der Spezialisierten Ambulante Versorgung (SAV), betont Neukäufer. Ganz wesentlich bleibt aber die vertrauensvolle Teamarbeit im Haus. Einige Mitarbeiter haben eine zusätzliche Ausbildung, etwa in der Schmerztherapie. Erfreulich sei die geringe Fluktuation unter den derzeit 32 Pflegekräften, zusätzlich der zwei Auszubildenden.

    Auf ein „Sterbezimmer“ wird bewusst verzichtet

    Die Sterbebegleitung als höchste Stufe der mitmenschlichen Zuwendung bleibt an wichtige Rituale gekoppelt. Das ist auch für die Bewohner wichtig. „Wir leben und feiern in diesem Haus. Aber auch der Tod gehört zum Leben dazu“, sagt Andrea Neukäufer. So wird in Pöttmes bewusst auf ein eigenes „Sterbezimmer“ verzichtet. Wenn die Patienten im Krankenhaus gestorben sind, werden sie in der Hauskapelle aufbewahrt, wo alle Bewohner Abschied nehmen können.

    Lernen, den Sterbenden in einem würdigen Rahmen zu verabschieden, Beistand zu leisten in den letzten Lebensphasen: Wie diese und viele andere Aspekte zu verstehen und umzusetzen sind, dazu liefert die Zertifizierungsgesellschaft PallCert Europe wichtige Hinweise, Leitfäden, Richtlinien. Herbert Kammers sieht in der Zertifizierung ein Signal mit praktischen Effekten. Es gibt alle denen Orientierung, die für sich selbst oder ihre Angehörigen einen geeigneten, „letzten“ Platz suchen. Und sie soll ein deutliches Zeichen an die Politik sein, finanzielle Ressourcen für diese personalintensive Pflege bereit zu stellen. Ein Gesetzentwurf werde derzeit erarbeitet. So könnte die Finanzierung von Pflegeplätzen für Sterbende an die Zertifizierung gekoppelt werden.

    Die Nachfrage ist groß. Andrea Neukäufer betont, dass ihr Anfragen aus Augsburg vorlägen, auch jüngere, schwer kranke Menschen seien schon betreut worden. Doch ohne Aufstockung des Personals sei die Arbeit nicht zu gewährleisten. In der Regel ist sie mit ihren Mitarbeiterinnen rund um die Uhr einsatzbereit. „Da ist viel Ehrenamt mit dabei“, sagt sie. Platz wäre da in St. Hildegard. Seit Ende vergangenen Jahres laufen in Pöttmes die Um- und Neubauarbeiten. Von bislang 30 Betten wird wie berichtet auf 60 aufgestockt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden