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Aichach: Zerstört oder belebt der Biber die Natur im Kreis Aichach-Friedberg?

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Zerstört oder belebt der Biber die Natur im Kreis Aichach-Friedberg?

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    In Eisingersdorf wüteten Biber in Gebieten nahe des dort verlaufenden Baches. Die Besitzer der Gebiete sind davon gestört und möchten zusammen mit der Gemeinde eine Lösung finden.
    In Eisingersdorf wüteten Biber in Gebieten nahe des dort verlaufenden Baches. Die Besitzer der Gebiete sind davon gestört und möchten zusammen mit der Gemeinde eine Lösung finden. Foto: Anna-Lena Bruggner

    Die Bäume nahe der „Axt“ im Aindlinger Ortsteil Eisingersdorf auf dem Grundstück von Klaus-Peter Schieschke sind alle mit Drahtnetzen eingesäumt. Dort lebt seit mehreren Jahren ein Biber. Er frisst die Bäume an, fällt sie teilweise und staut mit seinem Damm fast das gesamte Wasser des kleinen Bachs. Aber das wohl größte Problem für Schieschke, der dort täglich mit seinem Hund spazieren geht, sind die Schlupflöcher. Mit ihnen untertunnelt der Biber das Ufer.

    Das Nagetier gräbt sich, wenn Gefahr droht, vom Wasser aus unter der Erde ein. Der Biberbau betrifft nicht nur Schieschke, sondern auch andere Anlieger des kleinen Bachs. Deshalb wurde dort gemeinsam mit der Naturschutzbehörde des Landratsamts Aichach-Friedberg und der Gemeinde Aindling nach einer Lösung gesucht. Nun wird ein elektrischer Zaun über den Damm gebaut. Er soll den Biber davon abhalten, sein Revier weiter auszubauen.

    Der Biber polarisiert hierzulande wie kaum eine andere Tierart. Während Naturschützer seine Schlüsselfunktion für Artenvielfalt und Wasserhaushalt hervorheben, klagen unter anderem Landwirte über die starke Vermehrung der Tiere und große Schäden. Denn die Tiere untertunneln mit ihrem Bau ganze Felder und Wege entlang der Ufer von Flüssen oder Bächen. Der Boden kann anschließend unter dem Gewicht landwirtschaftlicher Fahrzeuge einstürzen, sagt Wolfgang Gutmann. Er ist der Geschäftsführer der Geschäftsstelle Aichach-Friedberg des Bayerischen Bauernverbandes.

    Diese Probleme bereitet der Biber im Landkreis Aichach-Friedberg

    Ein weiteres Problem: Wenn der Biber ein Gewässer aufstaut, steigt der Grundwasserstand. So kann das Wasser nicht mehr abfließen. Die umliegenden Flächen können dann vernässen. Zwar werden in solchen Fällen Entschädigungen aus dem ausgleichenden Biberfonds gezahlt. Gutmann hat aber die Erfahrung gemacht, dass die Entschädigungen oft nicht ausreichend sind. Landwirte können nur wenig gegen das Tier unternehmen. Ein Abschuss wird nur genehmigt, wenn das Allgemeinwohl gefährdet ist.

    Aichach-Friedberg: Schäden und Zahlungen (Biberfonds)

    2008 richtete der Freistaat Bayern einen ausgleichenden Biberfonds ein. Die Ausgleichszahlungen richten sich jeweils nach der Summe der Schäden. Wenn die gemeldeten Schäden höher sind als der Fonds, werden die Antragsteller anteilig nach der sogenannten Ausgleichsquote entschädigt.

    Hier die Ausgleichszahlungen der vergangenen Jahre im Landkreis Aichach-Friedberg:

    • 2013 Schäden: 8298 Euro, Ausgleichsquote: 75 Prozent, 6223 Euro ausbezahlt
    • 2014 Schäden: 11.413 Euro, Ausgleichsquote: 62 Prozent, 7076 Euro ausbezahlt
    • 2015 Schäden: 19.690 Euro, Ausgleichsquote: 80 Prozent, 15 752 Euro ausbezahlt
    • 2016 Schäden: 2959 Euro, Ausgleichsquote: 74 Prozent, 2189 Euro ausbezahlt. (AZ)

    Quelle: Anfrage an Bayerischen Landtag von Markus Rinderspacher zu „Biber in Bayern“ 2017 & Bund Naturschutz

    Helmut Schenke, ehemaliger Kreisvorsitzender des Bundes Naturschutz, ist ein großer Fürsprecher des Bibers. Er hält ihn für einen „Landschaftsgestalter“ und sagt: „Das Tier gibt uns kostenlos viel Reichtum in der Natur zurück.“ Der 88-Jährige war 30 Jahre lang im Biberschutz aktiv. Für ganz besonders wichtig hält er es, dass die Tiere durch ihre Dämme das Wasser zurückhalten. Somit fließe das Wasser langsamer und die Gewässer trockneten in den Sommermonaten nicht aus. Das biete vielen Tieren einen besseren Lebensraum, erklärt Schenke. Denn so können mehr Fische und Vögel an den Flüssen und Bächen überleben. Außerdem gebe es keine Probleme mit Überbevölkerung, da sich die Tiere, wenn alle passenden Stellen in einem Ort besetzt sind, nicht weiter ausbreiten. „Das wird alles von der Natur selbst geregelt“, sagt Schenke.

    Seit 2010 wird der Bestand im Landkreis mit Biberkartierungen aufgezeichnet. Thomas Kaeuffer von der Naturschutzbehörde des Landratsamts erklärt, wie das funktioniert: Bei den Kartierungen werden Biberspuren gesucht, um so die ungefähre Anzahl der Reviere im Landkreis zu bestimmen. Aktuell gebe es im Landkreis etwa 115 bis 120 Reviere, vermutet Kaeuffer. Die Anzahl der Tiere wird momentan auf 380 bis 400 geschätzt.

    Die Population in einem Gebiet kann Kaeuffer zufolge immer nur auf eine bestimmte Größe wachsen. Denn ausgewachsene Tiere müssen sich immer ein neues Revier suchen. Wenn alle günstigen Plätze belegt sind, kommt es zu Kämpfen unter den Tieren. Jungtiere, die keinen Platz für ihren Bau finden, wandern an andere Gewässer aus.

    Das sind die Biber-Reviere im Landkreis Aichach-Friedberg

    Die erfassten Reviere im Landkreis werden laut Kaeuffer in drei Konfliktstufen unterteilt. Da sind konfliktfreie/konfliktarme Reviere, in deren Nähe kaum wirtschaftliche Nutzung stattfindet und wo Maßnahmen nur in geringem Umfang notwendig sind. Dann gibt es „konfliktträchtige Reviere mit Vorrang von Präventivmaßnahmen“: Hier sollen vorbeugende Maßnahmen getroffen werden, sodass aber der Biber vor Ort bleiben kann. Außerdem gibt es „konfliktträchtige Reviere mit Vorrang von Zugriffsmaßnahmen“. Dabei handelt es sich um Areale in unmittelbarer Nähe von Siedlungsgebieten. Weil dort die öffentliche Sicherheit und die Infrastruktur gefährdet sind, werden die Tiere in der Regel eingefangen. Im Landkreis werden ein Drittel der Reviere in konfliktarm und ein Fünftel in konfliktträchtig eingestuft. Etwa die Hälfte der Reviere liegt dazwischen.

    Das ist der Biber

    Der Biber ist Europas größtes Nagetier.

    Ein ausgewachsener Biber kann bis zu 130 Zentimeter lang werden und 20 bis 30 Kilogramm Gewicht auf die Waage bringen.

    Die Säugetiere leben an fließenden und stehenden Gewässern. Diese sollten mindestens 80 Zentimeter tief sein, damit die unter Wasser gelegenen Eingänge der Biberburgen im Winter nicht zufrieren.

    Ursprünglich waren die vegetarisch lebenden Nagetiere in ganz Europa verbreitet. Die Jagd auf sie führte im 19. Jahrhundert fast zu ihrer Ausrottung.

    In Bayern war der Biber von 1867 bis 1966 ausgestorben. Nicht nur Fleisch und Pelz der nachtaktiven Nager waren begehrt, sondern auch ihr Analdrüsensekret.

    Jäger und Händler verkauften das sogenannte "Bibergeil" früher, um Nervosität, hysterische Anfälle und Epilepsie zu behandeln. Biber nutzen die fetthaltige Substanz zur Fellpflege und Reviermarkierung. (dpa)

    Im Jahr 2019 wurden im Landkreis 34 Biber eingefangen. Diese Zahl bleibt seit mehreren Jahren etwa gleich. Kaeuffer erklärt aber: „Unsere mittlerweile 20-jährige Erfahrung im Bibermanagement zeigt, dass eine dauerhafte Abwesenheit des Bibers sich jedoch nur in wenigen Fällen einstellt, da aus Bibersicht gut geeignete und leergefangene Reviere in der Regel schnell wiederbesetzt werden.“ Durch das Bibermanagement werde versucht, die Wünsche der Betroffenen und der Allgemeinheit sowie den Erhalt des Tieres miteinander zu vereinen.

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