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Aichach: Prozess in Aichach: War es Partnertausch oder Vergewaltigung?

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Prozess in Aichach: War es Partnertausch oder Vergewaltigung?

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    Vor dem Aichacher Amtsgericht wird ein außergewöhnlicher Fall verhandelt.
    Vor dem Aichacher Amtsgericht wird ein außergewöhnlicher Fall verhandelt. Foto: Sonja Wurtscheid/dpa (Symbol)

    Die Suche nach der Wahrheit war schwierig. Zum einen, weil es bei der Verhandlung am Schöffengericht des Aichacher Amtsgerichtes um das Sexualleben zweier Ehepaare ging. Zum anderen, weil alle Beteiligten kaum Deutsch sprachen, und ein Dolmetscher alles übersetzen musste. Rund vier Stunden lang versuchte das Gericht unter Vorsitz von Walter Hell eine Antwort auf die Frage zu finden, ob es bei einem Treffen der Pärchen im Januar im nördlichen Landkreis zu einem missglückten Partnertausch oder einer Vergewaltigung gekommen war. Der 31-jährige Angeklagte bestritt, dass Gewalt im Spiel gewesen war.

    Bummeln, Shoppen und Grillen – das Treffen der vier Personen im Landkreis begann vor drei Monaten ganz harmonisch. Das schildern auch die beiden Pärchen, von denen eines aus dem Landkreis Rosenheim kommt, dem Gericht so. Geht es dann aber um die betreffende Nacht, dann unterscheiden sich die Erzählungen stark.

    Prozess in Aichach: Alle vier befanden sich in einem Schlafzimmer

    Laut dem Angeklagten seien die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, vertreten durch Melanie Koch, frei erfunden. Laut Anklage seien er und seine 36-jährige Ehefrau in das Zimmer des anderen Pärchens gekommen, als dieses gerade zu Bett gehen wollte. Der 31-Jährige soll unvermittelt auf die 28-jährige Ehefrau des anderen Mannes zugegangen und dieser an die Brüste gegriffen haben. Obwohl sie sich wehrte, soll er sie auf das Bett geschubst und mit ihr gegen ihren Willen intim geworden sein.

    Gewalt gegen Frauen in Bayern

    In Bayern gibt es keine offizielle Statistik zur Zahl der Frauen, die von Frauenhäusern abgelehnt oder weitergeleitet werden. Die Freien Wähler starteten 2018 einen Antrag zur Erfassung dieser Fälle - die CSU blockte jedoch ab.

    Eine Studie der Uni Erlangen-Nürnberg aus dem Jahr 2016, vom Institut für empirische Soziologie gibt Anhaltspunkte. Sie sollte den Bedarf an Frauenhausplätzen in Bayern errechnen. Das Ergebnis: Schätzungsweise die Hälfte aller Frauen, die um einen Platz im Frauenhaus bitten, werden abgewiesen oder weitergeleitet - wenn nicht mehr.

    Laut dieser Studie geben Frauen, die von Gewalt betroffen sind und nach einem Platz im Frauenhaus suchen, nach ein bis drei vergeblichen Versuchen auf. So finden in Bayern "nach vorsichtiger Schätzung" jedes Jahr etwa 1500 bis 2000 betroffene Frauen keinen Schutz in Frauenhäusern.

    Das intime Zusammensein gab der Angeklagte auch zu. Es sei jedoch mit dem Einverständnis der 28-Jährigen gewesen, sagte er aus. Deren Ehemann habe zu ihm gesagt: „Sie will dich“, so der 31-Jährige. Das bestätigte auch die 36-jährige Ehefrau des Angeklagten, die die ganze Zeit mit im Zimmer gewesen war. Sie sei geschockt gewesen, sagte sie auf Richter Hells Frage nach ihrer eigenen Reaktion. Die eindeutigen Avancen, die der Ehemann der 28-Jährigen ihr gemacht habe, habe sie abgelehnt, sagte die 36-Jährige vor Gericht aus. Daraufhin sei der andere Ehemann ausgeflippt und habe sie alle geschlagen.

    Vorwurf der Vergewaltigung: Nachbarn riefen die Polizei

    Von Schlägen ihres Ehemannes berichtete auch die 28-Jährige. Sie sagte aus, dass ihr Mann schlafend neben ihr gelegen und von der Vergewaltigung nichts mitbekommen habe. Er sei erst von ihrem Geschrei aufgewacht und dann hätten er und der Angeklagte miteinander gerangelt, sagte der Ehemann aus.

    Das rät die Polizei den Frauen

    Licht, Leute, Lärm: Die Opferschutzbeauftragte des Polizeipräsidiums Schwaben-Nord, Kriminalhauptkommissarin Sabine Rochel, rät Frauen zum Prinzip der drei L: Licht, Leute und Lärm. „Viele Frauen haben Angst, wenn sie in der Dunkelheit allein unterwegs sind.“ Das sei vor allem aber ein Gefühl. Denn Zahlen belegten nicht, dass Frauen öfter nachts angegriffen würden als am Tag. Dennoch rät Sabine Rochel, am besten den Heimweg schon einmal im Kopf zu planen: Wie komme ich an möglichst vielen beleuchteten Wegen vorbei, wo liegt ein Supermarkt, der bis 20 Uhr geöffnet hat, oder eine Tankstelle? Wo ist es laut und wo sind somit auch viele Menschen unterwegs?

    Präsent bleiben: Ein ganz praktischer Tipp ist zudem, auf dem gesamten Weg möglichst präsent zu bleiben. So kann es helfen, den Auto- oder den Hausschlüssel in unbekannten Ecken schon in der Hand bereit zu halten, ohne dass man lange nach ihm suchen muss.

    Stöpsel aus dem Ohr: Kritisch sieht Sabine Rochel, wenn Frauen mit Ohrstöpseln unterwegs sind. Sie vermittelten ihrer Umgebung damit, dass sie eben nicht ganz präsent, sondern von der Musik abgelenkt sind. „Wer nichts hört, bekommt nicht so viel mit“, sagt Sabine Rochel. Einem möglichen Angreifer gebe das leicht einen Moment Vorsprung, bevor er überhaupt erkannt wird.

    Hilfe rufen, aber richtig: Und wenn es doch einmal zu einem Angriff kommt? Sabine Rochel rät, Passanten möglichst direkt, um Hilfe zu bitten, also: „Hallo Sie mit dem roten Schal, bitte helfen Sie mir“, oder „Sie mit dem Hund, bitte rufen Sie die Polizei“. Sie rät von Pfeffersprays ab – zu gefährlich könnten sie für die Nutzerin selbst werden. „Ein Windhauch aus der falschen Richtung genügt und schon hat man sich selbst ausgeknockt.“ Zudem warnt sie: Es gebe auch Männer, bei den Pfefferspray nicht wirke – sei es aus genetischen Gründen oder weil sie etwa wahrnehmungsverändernde Drogen genommen haben.

    Nochmal die Fakten: Woran die Opferschutzbeauftragte der Polizei zudem erinnert: 80 Prozent der Gewalttaten gegen Frauen geschehen im engeren sozialen Umfeld – und das seien allein die angezeigten Fälle. Das Dunkelfeld könnte viel größer sein, vermuten wissenschaftliche Untersuchungen. (jah)

    Der Streit war so heftig, dass Nachbarn die Polizei riefen. Gegenüber den Beamten erwähnten die beiden Frauen nichts von einer Vergewaltigung. Beide seien eingehend von ihm im Hinblick auf ein Sexualdelikt befragt worden, sagte der

    Das sah auch das Schöffengericht so. Es habe keine Spuren oder knallharte Fakten für eine Vergewaltigung gegeben, sagte Hell. „Wir konnten nur aus den Zeugenaussagen erfahren, ob ein Einverständnis vorlag oder nicht.“ Er sagte aber auch: „Trotz Freispruch können wir nicht behaupten, ob und wenn ja wer von den Zeugen gelogen hat.“ Schwer vorstellbar war für das Gericht, dass jemand eine Frau in Anwesenheit ihres Ehemannes vergewaltigt. Ausschließen wollte es aber auch nichts.

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