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Aichach: Prozess: Vertreter erschleicht sich Unterschriften für Anzeigenabos

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Prozess: Vertreter erschleicht sich Unterschriften für Anzeigenabos

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    Ein Anzeigenvertreter hat vor dem Aichacher Amtsgericht Widerspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt.
    Ein Anzeigenvertreter hat vor dem Aichacher Amtsgericht Widerspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt. Foto: Katja Röderer (Archivbild)

    Kurz, aber teuer war der Besuch eines Anzeigenvertreters aus Nordrhein-Westfalen in zwei Modegeschäften im nördlichen Landkreis vor drei Jahren. Während die beiden Inhaberinnen dachten, sie würden ihre Firmendaten für eine Gemeindetafel bestätigen, unterschrieben sie in Wirklichkeit einen Anzeigenvertrag. Gegen einen Strafbefehl über 5200 Euro (130 Tagessätze zu je 40 Euro) wegen Urkundenfälschung legte der Vertreter Einspruch ein. Bei der Verhandlung vor dem Amtsgericht Aichach ließ er sich kürzlich durch seinen Anwalt vertreten.

    Im Laden der 49-Jährigen herrschte gerade Hochbetrieb, als der Vertreter kam. Sie stand an der Kasse, erinnerte sich die Inhaberin. Als der Mann ihr sagte, dass er von der Gemeinde komme und sie wegen der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) "kurz etwas unterschreiben" müsse, machte sie das einfach. Vor Gericht sagte sie: "Das war eine Minute, dann war er schon wieder weg." Das böse Erwachen kam ein paar Wochen später, als ein Werbeflyer mit ihrer Anzeige und einer Rechnung über insgesamt fast 1200 Euro in ihrem Briefkasten lag.

    Nach der Unterschrift kommt die teure Rechnung

    Ähnlich lief es bei einer 56-Jährigen ab. Dort hatte ein Verlag telefonisch einen Mitarbeiter angekündigt, der wegen der neuen Datenverordnung ihre Firmendaten abgleichen müsse. Mit einem Klemmbrett und einem Blatt Papier drauf habe er im Flur gestanden und gesagt, dass es um die Werbetafel im Ort ginge, sagte die Firmeninhaberin aus. Sie musste ihm quittieren, dass ihre Daten stimmten. "Keine fünf Minuten" habe das alles gedauert, sagte sie vor Gericht aus. Geschockt war die 56-Jährige, als sie ein paar Wochen später eine Rechnung über gut 900 Euro bekam und ein Schreiben, in dem stand, dass sie ein Anzeigenabo über mehrere Jahre abgeschlossen habe.

    Verteidiger: Zeuginnen sind nicht glaubhaft

    Für Verteidiger Norbert Wilke waren die Aussagen der beiden Zeuginnen nicht glaubhaft. "Da kann man nicht ernsthaft eine Verurteilung darauf stützen." Er war der Ansicht, dass die beiden Inhaberinnen die sogenannte Vertragsreue gepackt hatte und sie versuchten, "mit einer Strafanzeige sich die Kosten einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung zu sparen".

    Laut dem Unternehmenskonzept des Verlags, das der Anwalt dem Gericht erklärte, wendet sich der Verlag an Geschäftsleute, die in anderen Medien Anzeigen geschaltet haben. In diesem Fall hatten die beiden Inhaberinnen Anzeigen in der Gemeindetafel laufen. Diese Anzeigen übernimmt laut Wilke der Verlag für die neuen Anzeigen, um Kosten zu sparen. In einem etwa 15-minütigen Gespräch würden die telefonisch angekündigten Vertreter Preise und Layout einer neuen Anzeige in einem Flyer des Verlages erklären, sagte Wilke. "So war es auch im vorliegenden Fall."

    Geschäftsinhaberinnen: Haben Vertrag nicht gesehen

    Das bestritten die beiden Zeugen. Sie sagten beide aus, dass sie den handschriftlich ausgefüllten Vertrag, den Richterin Alena Weidemann ihnen zeigte, nie gesehen hatten. Die 49-Jährige konnte sich an ein Blatt "mit Kleingedrucktem" erinnern, die 56-Jährige sprach von einem gelben Blatt Papier, auf dem nur ihre Firmendaten standen. Beide waren sich sicher, dass sie nur eine einzige Unterschrift geleistet hatten. Ihre Unterschrift war tatsächlich aber nicht nur auf dem Anzeigenvertrag. Sie hatten mit jeweils einer Unterschrift außerdem bestätigt, dass sie eine Kopie des Vertrags erhalten hätten und wüssten, dass der Vertreter nicht von der Gemeinde kam. Die perplexe Reaktion der 49-Jährigen: "Dann hätte ich ja drei Unterschriften geleistet."

    Staatsanwältin Johanna Thumser glaubte den Zeuginnen. Für den Angeklagten sprach aus ihrer Sicht, dass er nicht vorbestraft war und alles schon lange zurücklag. Sein Gesundheitszustand war der Grund, dass es so lange bis zur Verhandlung gedauert hatte. Weil der Vertreter reiseunfähig ist, vertrat ihn sein Anwalt vor Gericht. Wilke plädierte für Freispruch. Im Falle einer Verurteilung will er die Echtheit der Unterschriften über ein grafologisches Gutachten klären lassen. Staatsanwältin Thumser hatte wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen eine Geldstrafe in Höhe von 3600 Euro (90 Tagessätze zu je 40 Euro) gefordert. Das kommentierte der Verteidiger mit: "Ich glaube, ich war in einer anderen Verhandlung."

    Urteil entspricht exakt dem Strafbefehl

    Die Antwort der Richterin nach dem Urteil: "Ich war offensichtlich in der gleichen Verhandlung wie die Staatsanwältin." Weidemann hatte keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen und war überzeugt, dass die ihre Aussagen nicht abgesprochen hatten, um aus dem Vertrag aussteigen zu können. Sie sagte: "Ich finde es schon gelinde gesagt interessant, dass man sich etwas unterschreiben lässt, in dem bestätigt wird, dass man nicht von der Gemeinde ist." Sie verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe in Höhe von 5200 Euro - wie es schon im Strafbefehl stand.

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