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Aichach: JVA-Fliesenskandal: Der Schaden ist noch höher als befürchtet

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JVA-Fliesenskandal: Der Schaden ist noch höher als befürchtet

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    Seit Anfang 2018 ist das neue Versorgungszentrum in der JVA Aichach in Betrieb. Den Bau mit Wäscherei, Bäckerei und Großküche kennzeichnet die teilweise rote Fassade (vorne Mitte).
    Seit Anfang 2018 ist das neue Versorgungszentrum in der JVA Aichach in Betrieb. Den Bau mit Wäscherei, Bäckerei und Großküche kennzeichnet die teilweise rote Fassade (vorne Mitte). Foto: Erich Echter

    Für den Bund der Steuerzahler war es ein Skandal: Frisch verlegte Fliesen auf 4500 Quadratmeter waren beim Neubau eines Versorgungszentrums hinter den Mauern des Aichacher Gefängnisses so mangelhaft aufgebracht, dass sie samt und sonders wieder herausgerissen werden mussten. Den Fall führten die Steuerzahler-Schützer zweimal als besonders krasses Beispiel von Steuerverschwendung auf. Jetzt hat der Freistaat Klage eingereicht, um den Schaden wieder einzutreiben.

    Das Staatliche Bauamt Augsburg hat für den Freistaat das dreistöckige Versorgungszentrum mit 3400 Quadratmeter Nutzfläche bauen lassen. Leiter Ulrich Blickle hat schon oft tief geseufzt, wenn die Rede auf diesen Neubau in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aichach gekommen ist. Unter dem Strich hat der Fliesenskandal den Neubau um drei Jahre verzögert - und enorm verteuert. Zunächst hatte Blickle mit einer Dreiviertelmillion Euro gerechnet. Später kalkulierte er mit über einer Million. Inzwischen hat Blickle den Schaden für eine Zivilklage ganz exakt ausrechnen lassen: Der Fliesenskandal kostet sogar 1,6 Millionen Euro.

    Das Versorgungszentrum in der JVA Aichach - eine Chronologie

    Juli 2012 Die damalige Bayerische Justizministerin Beate Merk startet das Großprojekt in den Mauern der Justizvollzugsanstalt (JVA) symbolisch mit dem Bagger.

    Januar 2015 Das Versorgungszentrum sollte in Betrieb gehen. Stattdessen muss das Staatliche Bauamt Augsburg über massiven Pfusch beim Einbau der Fliesen berichten. Es steht fest: 4800 Quadratmeter Fliesen müssen wieder herausgerissen werden.

    Anfang 2016 Wegen der Beweissicherung und weil die Schadensursache strittig ist, ruhen die Bauarbeiten etwa ein Jahr. Der Freistaat beschließt, finanziell in die Bresche zu springen. Er streckt die Kosten vor.

    Mitte 2016 Der Rückbau ist abgeschlossen, der Wiederaufbau beginnt.

    Herbst 2016 Der Steuerzahlerbund führt das Versorgungszentrum als eines von zehn krassen Beispielen von Steuerverschwendung auf.

    Anfang 2018 Das Versorgungszentrum, das eine neue Wäscherei, eine neue Großküche und eine Bäckerei bietet, wird in Betrieb genommen.

    Bezahlen sollen die 1,6 Millionen Euro die Verursacher der Misere. Ein sogenanntes selbständiges Beweisverfahren vor einer Zivilkammer des Landgerichts Augsburg ist positiv ausgefallen für den Freistaat. Ein Sachverständiger kam dabei eindeutig zu dem Schluss: Es gab bei den Fliesenarbeiten relevante Mängel, die einen Abbruch und eine Neuherstellung notwendig machten. "Das Ergebnis spricht schon für den Freistaat Bayern", resümierte eine Gerichtssprecherin. Eine gute Basis also für eine Zivilklage.

    Im März hat das Bauamt die Schadenersatzklage im Fliesenskandal eingereicht

    Das ist jetzt ein Jahr her. Im März reichte das Bauamt eine Klage gegen fünf Beteiligte ein, um die Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Das bestätigt Pressesprecherin Diana Bestler vom Landgericht Augsburg. Da ist zum Ersten die spanische Fliesenfirma, die den Auftrag nach einer vorgeschriebenen europaweiten Ausschreibung erhalten hatte. Die Fliesen, so lautete das Resümee eines Gutachters, seien nicht nur hohl und bucklig verlegt worden, sondern der Belag nicht einmal dicht.

    Zum Zweiten sind es Architekten jenes Büros, das das Bauamt mit der Bauaufsicht beauftragt hatte. Ihnen wirft der Freistaat vor, "die Pflichten zur ordnungsgemäßen Objektüberwachung schuldhaft verletzt zu haben", wie Bestler informiert. Und zum Dritten richten sich die Schadensersatzansprüche auch gegen eine Putzfirma, eine deutsche GmbH, "soweit ein Abriss von Wandfliesen aufgrund eines mangelhaften Putzes erforderlich" gewesen sei.

    Rundgang wenige Monate vor der Fertigstellung im Sommer 2017: Ulrich Blickle (rechts), Leiter des Staatlichen Bauamts Augsburg, und Johannes Link, stellvertretender Anstaltsleiter.
    Rundgang wenige Monate vor der Fertigstellung im Sommer 2017: Ulrich Blickle (rechts), Leiter des Staatlichen Bauamts Augsburg, und Johannes Link, stellvertretender Anstaltsleiter. Foto: Carmen Jung (Archivbild)

    Das Klageverfahren dauert. Es befindet sich momentan im sogenannten schriftlichen Vorverfahren. Termine sind noch nicht anberaumt. Blickle spricht von einer "langwierigen Geschichte". Das war auch der Bau selbst, der bereits 2012 gestartet war. Der stand ein Jahr still wegen der Auseinandersetzung mit der spanischen Fliesenfirma über den Baupfusch. Dann sprang der Freistaat finanziell in die Bresche. Nur so konnte überhaupt weitergebaut werden. Die Bauaufsicht übernahm fortan das Bauamt selbst. Blickle ist im Nachhinein froh über diese Entscheidungen: "Wenn der Freistaat nicht eingesprungen wäre, dann täten wir heute noch immer mit dem Rohbau rum." Mit Blick auf die Kritik des Steuerzahlerbundes stellt er fest: "Das war die günstigere Lösung." Bei einer mehrjährigen Bauruine wäre "mehr kaputt gegangen". So ist das Versorgungszentrum immerhin seit Anfang 2018 in Betrieb.

    Das Landgericht hat beim JVA-Fliesenskandal ein Problem

    Mit einer schnellen juristischen Entscheidung ist nicht zu rechnen. Ein Problem ist: Laut Pressesprecherin Bestler konnte die Klage dem spanischen Unternehmen noch nicht zugestellt werden. Laut Blickle lässt sich die Fliesenlegerfirma in Spanien nicht ausfindig machen, die Internet-Homepage gibt es nicht mehr. Und die Putzfirma habe schon Einspruch eingelegt. Doch selbst wenn die Klagen einmal erfolgreich sein sollten und der Staat die 1,6 Millionen Euro bekommt: Mehrkosten muss er auch dann noch tragen. So stiegen die Baukosten auch wegen der zeitlichen Verzögerung. Ursprünglich sollte das Versorgungszentrum gut 18 Millionen Euro kosten, inzwischen sind es rund 21 Millionen Euro.

    Lesen Sie dazu den Kommentar: Fliesenskandal in der JVA ist nicht lustig

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