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Aichach: "Impfen macht frei": Ist das Antisemitismus oder freie Meinungsäußerung?

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"Impfen macht frei": Ist das Antisemitismus oder freie Meinungsäußerung?

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    Weil er einen Strafbefehl wegen Volksverhetzung nicht akzeptierte, musste sich ein 60-Jähriger vor dem Aichacher Amtsgericht verantworten. Er hatte ein Bild vom Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz und dem Text "Impfen macht frei" versehen.
    Weil er einen Strafbefehl wegen Volksverhetzung nicht akzeptierte, musste sich ein 60-Jähriger vor dem Aichacher Amtsgericht verantworten. Er hatte ein Bild vom Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz und dem Text "Impfen macht frei" versehen. Foto: Katja Röderer (Archivbild)

    Eine Karikatur vom Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz hat ein 60-Jähriger aus dem nördlichen Landkreis in einer Facebook-Gruppe gepostet. In Anlehnung an das ursprüngliche "Arbeit macht frei", mit dem die Nazis das Tor versehen hatten, lautete sein Text "Impfen macht frei". Auf einem zweiten Foto, das der Mann ebenfalls in der Gruppe postete, ist ein Davidstern zu sehen mit dem Wort "unvaccinated", also "ungeimpft". Wegen Volksverhetzung erhielt er einen Strafbefehl über 2400 Euro (60 Tagessätze zu je 40 Euro). Weil er gegen den Einspruch einlegte, kam es nun zur Verhandlung vor dem Amtsgericht Aichach.

    Verteidiger: 60-Jähriger "hat kein antisemitisches Gedankengut"

    Verteidiger Clemens Sandmeier bestätigte: Die Fotos habe sein Mandant in die Facebook-Gruppe eingestellt. Die Gruppe habe über die Corona-Impfkampagne diskutiert. Mit seinem Beitrag habe der 60-Jährige auf provokative Art und Weise die Bevölkerung erreichen und die Auffassung vermitteln wollen, dass sie im Fall der Nichtteilnahme an der Impfung Repressalien ausgesetzt sein werde. Der Anwalt betonte: "Mein Mandant hat kein antisemitisches Gedankengut und ihm war bewusst, dass die Impfung in keinem Zusammenhang mit der Judenverfolgung steht."

    Warum aber verband der 60-Jährige seine Kritik an der Impfkampagne ausgerechnet mit Symbolen, die für den Holocaust stehen? Auch darauf hatte der Anwalt eine Antwort: "Er bestreitet, dass es sich um eine Karikatur des Tores von Auschwitz handelt." Der Davidstern sei ein zugespitzter Ausdruck dafür, dass man als Nicht-Geimpfter in der Öffentlichkeit Repressalien ausgesetzt werden könnte. So wie die Juden öffentlich zur Schau gestellt worden waren, würden nun möglicherweise Nicht-Geimpfte zur Schau gestellt, erklärte Sandmeier. Der Angeklagte selbst äußerte sich überhaupt nicht.

    Für einen Zeugen ist "Impfen macht frei" eine "massive Grenzüberschreitung"

    Der Beitrag in dem Internet-Netzwerk war einem 54-jährigen Augsburger aufgefallen. Er sagte als Zeuge vor Gericht aus. Nachdem der Administrator der Gruppe nicht auf seine Nachricht reagiert hatte, war er zur Polizei gegangen. Die beiden Beiträge des Angeklagten empfand der 54-Jährige als "eine massive Grenzüberschreitung". Auch auf dem Profil des 60-Jährigen würden sich mehrere Beiträge in dieser Richtung finden, sagte der Augsburger aus.

    Auch die Polizei hatte sich das Profil des Angeklagten angesehen. Er halte ihn für einen Querdenker, sagte der Beamte als Zeuge vor Gericht. Die Inhalte der Seite hätten zwar keinen antisemitischen Bezug, stellten aber die Corona-Impfungen in Frage. Die Auswertung des Profils ergab dem Polizisten zufolge, dass der Angeklagte eine Zeit lang bei Facebook gesperrt gewesen sei. "Inzwischen ist er wieder aktiv", so der Beamte.

    Staatsanwalt: "Das ist Volksverhetzung"

    Dass sich keine antisemitischen Tendenzen finden ließen, tat nach Meinung von Staatsanwalt Marius Lindig nichts zur Sache. Er war der Ansicht: "Vergleiche mit Juden während der Judenverfolgung sind eine Volksverhetzung." Über Facebook mache man solche Aussagen einer Menge Leute zugänglich. Lindig hielt dem Angeklagten zugute, dass er seine Beiträge in der Facebook-Gruppe eingeräumt hatte. Eine Schuldeinsicht könne er bei ihm aber nicht wirklich erkennen. Der Staatsanwalt plädierte dafür, die Anzahl der Tagessätze von 60 auf 70 zu erhöhen und die Höhe des Tagessatzes beizubehalten.

    Verteidiger Sandmeier zitierte unter anderem die im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit, Erläuterungen des Bundesgerichtshofs oder des Bundesverfassungsgerichts zur Verharmlosung des Holocausts. Er betonte, dass sein Mandant keine antisemitische Gesinnung habe: "Die Bilder mögen Bezug haben zum NS-Regime, haben aber nicht ausschließlich mit Juden zu tun." Über den Beitrag des Angeklagten zur Impfdiskussion könne man geteilter Meinung sein, "aber es ist auf jeden Fall nicht strafbar." Sandmeier forderte Freispruch.

    Richter: Diese Art der Diskussion stört den öffentlichen Frieden

    Volksverhetzung oder Verharmlosung seien im Strafgesetzbuch dehnbare Begriffe, stimmte Richter Axel Hellriegel dem Verteidiger zu. Er glaube auch nicht, dass der Angeklagte ein Antisemit oder ein Nazi sei. Allerdings: "Wenn man immer dann, wenn man einen Vergleich ziehen möchte zu etwas, das einem nicht gefällt, den Vergleich mit dem Holocaust auspackt, dann ist das ein Problem." Der

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