In mehreren Anläufen über zwei Jahrzehnte hinweg sind weibliche Kandidatinnen für das Amt einer stellvertretenden Landrätin bei Abstimmungen im Sitzungssaal im Blauen Palais regelmäßig abgeblitzt. Jetzt in der Corona-Ausnahmesituation mit einer konstituierenden Sitzung in der Vierfachhalle des Aichacher Schulzentrums haben es gleich zwei Frauen im großen Konsens geschafft: Katrin Müllegger-Steiger (Grüne) und Silvia Rinderhagen (SPD), beide übrigens aus Kissing, sind dort gestern zu Vize-Landrätinnen gewählt worden. Der Friedberger Manfred Losinger (CSU), seit 2014 im Amt, bleibt für weitere sechs Jahre der erste Stellvertreter des Mitte März mit großem Vorsprung wiedergewählten Landrats Klaus Metzger (CSU). Helmut Lenz (Freie Wähler) aus Aichach macht als weiterer Stellvertreter das Quintett an der Spitze des Wittelsbacher Landes komplett. Neben den Frauen ist auch die Wahl von Vertretern außerhalb der „Großen Koalition“ ein Novum im Wittelsbacher Land.
Denn in allen vorausgegangenen Wahlperioden haben CSU und SPD die Stellverteter-Posten vorab schiedlich-friedlich geteilt und dann durchweg an Männer verteilt. In der Regel zwei für die Christsozialen und einen für Peter Feile. Der Sozialdemokrat aus Friedberg war 29 Jahre seit 1991 im Amt. Bei den kleineren Fraktionen sorgte das immer wieder für Verärgerung und Anläufe – die alle scheiterten. 2014 wurden mit Losinger und Feile sowie dem damaligen Affinger Bürgermeister Rudi Fuchs (früher CSU) zunächst drei Stellvertreter gewählt. Fuchs (jetzt für die Freien Wähler im Kreistag) legte sein Amt aber nur vier Monate später im Herbst 2014 wegen seiner Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe nieder. Die anderen Gruppierungen forderten daraufhin erneut, eine Frau als Stellvertreter einzusetzen – bei der ersten Abstimmung waren Renate Magoley (Freie Wähler), Magdalena Federlin (Grüne) und Eva Ziegler (Unabhängige) gescheitert. Die CSU/SPD-Mehrheit des Kreistags votierte für nur zwei Stellvertreter: Losinger und Feile.
Aichach-Friedberg: Landrat begründet "Verdopplung"
Jetzt sind es gleich doppelt so viele: Landrat Metzger begründete seinen Vorschlag, je einen Vertreter von Grünen, SPD und Freien Wählern zu seinen weiteren Stellvertretern zu berufen, unter anderem mit der Corona-Krise. Er wolle die Politik im Wittelsbacher Land in schwierigen Zeiten auf eine möglichst breite Basis stellen, so Metzger: „Da könnten jetzt manche von einer Inflation des Amtes reden. Ich sehe das nicht so.“ Er sprach von einem Zeichen, dass der Kreistag gewillt ist zusammenzuarbeiten. Metzger möchte damit auch den veränderten Mehrheitsverhältnissen im Kreistag Rechnung tragen. Denn nun sind die Grünen nach der CSU (25 Mandate) die zweitstärkste Fraktion mit neun Sitzen, es folgen mit geringem Abstand SPD und Freie Wähler (FW) gleichauf mit sieben Mandaten. Alle drei sind also in etwa gleich stark. In der großen Halle gab es keinerlei Gegenrede, sondern nur breite Zustimmung und einen einstimmigen ersten Beschluss des neuen Gremiums von 61:0 für drei weitere Stellvertreter.
Das sind die Mitglieder des aktuellen Kreistags in Aichach-Friedberg
CSU (25 Sitze, 2014: 28) Stimmen
Peter Tomaschko 53.093
Manfred Losinger 41.694
Richard Scharold 36.302
Sissi Veit-Wiedemann 34.660
Stephanie Kopold-Keis 33.348
Tomas Zinnecker 33.049
Josef Dußmann (neu) 32.407
Florian Mayer 31.316
Helmut Beck 30.467
Erich Kerner (neu) 29.607
Reinhard Gürtner 29.559
Michaela Böck 29.472
Erwin Gerstlacher 29.331
CSU (25 Sitze, 2014: 28) Stimmen
Thomas Kleist 29.026
Leonhard Büchler 28.819
Markus Winklhofer (neu) 28.376
Reinhard Herb 26.366
Gertrud Hitzler (neu) 26.208
Hans Schweizer 25.671
Josef Schreier 25.474
Stefan Meitinger (neu) 25.030
Gregor Pfundmeir 24.550
Georg Resch (neu)\ 24.414
Markus Waschka (neu) 24.160
Josef Koppold (nachgerückt) 24.027
Grüne (9 Sitze, 2014: 5) Stimmen
Stefan Lindauer (neu) 18.078
Katrin Müllegger-Steiger 17.465
Petra von Thienen (neu) 13.776
Marion Brülls 13.494
Wolfhard von Thienen (neu) 13.155
Magdalena Federlin 12.799
Wolfgang Rainer Pfeiffer (neu) 12.649
Alfred Seitz (neu) 11.641
Monika Gebhard (nachgerückt) 11.599
Freie Wähler (7 Sitze, 2014: 5) Stimmen
Erich Nagl 13.230
Marc Sturm 12.267
Helmut Lenz 11.781
Peter Erhard 11.737
Johannes Ankner (neu) 11.659
Johannes Hatzold 10.149
Johann Finkenzeller (nachgerückt)
SPD (7 Sitze, 2014: 11) Stimmen
Klaus Habermann 21.370
Roland Eichmann (neu) 17.658
Silvia Rinderhagen 12.211
Stefan Hummel (neu) 11.825
Hans-Dieter Kandler 10.743
Ulrike Sasse-Feile (neu) 10.090
Brigitte Neumaier (nachgerückt) 9734
AfD (4 Sitze, 2014: 0) Stimmen
Josef Settele (neu) 19.090
Willibald Mair (neu) 15.903
Paul Traxl (neu) 15.352
Simon Kuchlbauer (neu) 14.837
Monika Luff (nachgerückt) 14.714
ÖDP (3 Sitze, 2014: 2) Stimmen
Berta Arzberger 7820
Johannes Kreppold (neu) 7233
Maria Posch (neu) 6745
Nachrücker: Peter Schmid 6557
Unabhängige (3 Sitze, 2014: 6) Stimmen
Mathias Stößlein (neu) 11.135
Franz Schindele 9378
Martin Echter 8778
Nachrücker: Manfred Graser 8405
FDP (1 Sitz, 2014: 1) Stimmen
Karlheinz Faller 7492
Nachrücker: Birgit Geier 5928
Wichtiges Argument dabei war auch, dass der Extra-Posten an der Landkreis-Spitze den Steuerzahler nicht mehr Geld als bisher kostet. Das wäre der Bevölkerung in der aktuellen Situation auch nicht zu vermitteln, waren sich die Fraktionssprecher in ihren Stellungnahmen einig. Der erste Stellvertreter bekommt weiterhin eine Aufwandsentschädigung von rund 1310 Euro im Monat. Die drei weiteren Stellvertreter sollen jeweils 600 Euro im Monat bekommen, insgesamt 1800 Euro. Alle vier Stellvertreter zusammen bekommen eine Entschädigung von rund 38000 Euro im Jahr. In der vorherigen Wahlperiode waren für die weiteren Stellvertreter insgesamt 1750 Euro im Monat genehmigt. Weil Peter Feile nach dem Fuchs-Rücktritt über fünf Jahre allein in diesem Amt war und seine Entschädigung in der Höhe gleich blieb, hat sich der Kreis jährlich rund 10500 Euro gespart. Die Entschädigungen werden entsprechend der prozentualen Zuwächse bei der Beamtenbesoldung angehoben.
Gewählt wurde nur der erste Stellvertreter: Vorgeschlagen war von der CSU Amtsinhaber Manfred Losinger. Er erhielt als einziger Kandidat 47 der 61 möglichen Stimmen. Sechs Stimmen waren ungültig, neun Kreisräte stimmten mit Nein und auf einem Wahlzettel stand ein anderer Name. Über die weiteren Stellvertreter wurde offen abgestimmt. Für Katrin Müllegger-Steiger und Silvia Rinderhagen hoben jeweils 56 Kreistags-Mitglieder und für Helmut Lenz 55 Räte die Hand – nur die der fünfköpfigen AfD-Fraktion blieben unten. Die erstmals im Kreistag vertretene Partei hatte ihren Fraktionschef Josef Settele vorgeschlagen. Über den wurde aber gar nicht mehr abgestimmt, weil die Posten zuvor mit großer Mehrheit vergeben wurden.
Kreistag muss handlungsfähig gemacht werden
Neben diesen Personalien, die ohne jede Diskussion entschieden wurden, ging es bei den vielen weiteren Tagesordnungspunkten im nüchternen Sportsaal vor allem darum, das Gremium handlungsfähig zu machen. Dazu diente diese konstituierende Sitzung und auch ein weiterer Termin nächste Woche an gleicher Stelle. Dann werden sich die Kreisräte in der großen Runde vermutlich erst wieder im Herbst treffen. Auch das ist der Corona-Krise geschuldet. Die Halle steht bald nicht mehr zur Verfügung, wenn der Schulbetrieb wieder anläuft. Und auch die Arbeitsatmosphäre ist alles andere als einfach.
In den nächsten Monaten sollen der Kreisausschuss und die weiteren Fachausschüsse die notwendigen Entscheidungen treffen. Mit jeweils zwölf Mitgliedern können diese Sitzungen mit genügend Abstand auch im Saal im Landratsamt abgehalten werden. Dann übrigens nicht mehr in der Regel an einem Mittwoch, wie es für den Kreistag und seine Gremien seit Jahrzehnten galt. Mit einer Mehrheit von 40:21-Stimmen wurde als regelmäßiger Sitzungstag der Montag beschlossen. Argument der Befürworter: Dieser Sitzungstermin lässt sich besser mit dem Beruf vereinbaren. CSU-Fraktionschef und Landtagsabgeordneter Peter Tomaschko verwies darauf, dass die meisten Kreistage am Montag zusammenkommen, auch damit Parlamentarier wie er aus Landtag und Bundestag an den Sitzungen teilnehmen können. Dagegen stimmten vor allem die Grünen und die ÖDP. Begründung: Die Vorbereitung auf eine Montagssitzung sei zeitlich schwierig zu koordinieren.
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