Rupert Reitberger ist auch noch nach mehr als einer Woche geschockt. Was sich in seiner Schafherde für ein Kampf abspielte, könne nur erahnt werden, sagt er. Das zertrampelte Gras, die Blutspuren, herumliegende Woll- und Fleischfetzen. „Ein Tier fühlt genauso wie der Mensch: Angst, Panik und vor allem Schmerz.“ Sieben seiner Schafe waren auf einer Weide im Hollenbacher Ortsteil Igenhausen in der Nacht auf den 25. Juli gerissen worden. Auch wenn der DNA-Test noch aussteht: Experten gehen davon aus, dass es ein Wolf war. Die Tierhalter in der Region sind beunruhigt.
Darauf folgten kontroverse Reaktionen: Naturschützer freuten sich über die Rückkehr des Wolfes, Landwirte hofften darauf, dass er abgeschossen wird. Rupert Reitberger sagt, er könne den Argumenten für den Verbleib des Wolfes nicht folgen. Geschichtlich gesehen war der Wolf im Wittelsbacher Land einmal heimisch. Heute sei die Situation aber eine andere als damals.
Wolf in Igenhausen: Zäune sind für die Raubtiere kein Hindernis
Denn viele Nutztiere stehen statt im Stall auf einer umzäunten Weide. Diese Zäune sind laut Reitberger für Wölfe kein Hindernis, wohl aber für die darin befindlichen Tiere. Sie könnten beim Fluchtversuch nicht wie der Wolf über den Zaun springen. „Die Romantisierung mancher, vor allem selbsternannter Naturschützer, kann von Menschen, die täglich mit Tieren umgehen, nicht nachvollzogen werden“, sagt Reitberger.
Auch Bio-Bauer Stephan Kreppold ist nicht glücklich über die Rückkehr des Wolfes. In seinem Hof stehen Angus-Rinder auf der Weide. Kreppold ist seit 40 Jahren Mitglied im Bund Naturschutz. Er sagt, er teile die Positionen des Bundes Naturschutz in vielen Themen, zum Beispiel bei Klimaschutz oder Flächenfraß. Nicht so beim Thema Wolf.
In Bayern heißt es: Wolf oder Nutztiere
Für ihn gebe es da eine Spannung zwischen dem Wohl der Wölfe und dem der Nutztiere. „Es ist ein hochwertiges Gut, Tiere auf der Weide zu haben“, so Kreppold. Für die Tiergesundheit sei Weide das Maximale. Wenn die Gefahr bestehe, dass durch verstärkte Wolfsansiedlung Tierhalter die Weidetierhaltung aufgeben, müsse man über die Wiederansiedlung des Wolfes nachdenken.
Um seine eigenen Tiere macht sich Kreppold allerdings keine Sorgen. Seine Kälber sind mit den Mutterkühen auf der Weide. „Die sind zahm und friedlich, aber wenn sie Gefahr für ihre Kälber wittern, werden sie wild.“ Seine Kühe hätten auch schon einen Hund eingekreist und nur mit Glück habe der Besitzer ihn wieder heil von der Weide holen können. Für Zäune, die seine Tiere vor dem Wolf schützen sollen, sieht er daher keine Dringlichkeit.
Hühnerhalter aus Stotzard: "Wolf war in meiner Rechnung nicht dabei."
Hubert Lohner betreibt eine mobile Hühnerhaltung im Aindlinger Ortsteil Stotzard. Als er sich dazu entschlossen habe, Hühner zu halten, sei der Wolf in seiner Rechnung nicht dabei gewesen, sagt er. „Deswegen saß der Schock tief, aber ich habe mich jetzt auch beruhigt. [...] Bei uns sind die Tiere ja nachts im sicheren Stall.“ In der Hühnerhaltung habe man das Problem mit Fressfeinden immer schon gehabt. Auch ein Fuchs oder Habicht kann eine Gefahr sein.
Probleme hätten allerdings Hühnerhalter, die sich zur Abwehr solcher kleineren Fressfeinde größere Tiere wie Ziegen beim Hühnerstall halten. Sie könnten jetzt wieder Opfer des Wolfes werden. „Da ist die Politik gefragt, ob der Wolf uneingeschränkt geschützt gehört“, so Lohner. Der Wolf habe natürlich eine Daseinsberechtigung, aber im dicht besiedelten Aichach-Friedberg – „Wo findet man den Platz?“, fragt Lohner.
Elektrischer Zaun und Hirtenhund schützen Pferde vor dem Wolf
Peter Dinauer von Peters Ponyhof in Schiltberg macht sich um seine Tiere ebenfalls keine Sorgen. Die Pferde seien auf der Koppel doppelt abgesichert: mit einem elektrischen Zaun und einem Hirtenhund. „Da kommt weder ein Wolf noch ein Fuchs her“, so Dinauer.
Rupert Reitberger und sein Sohn überlegen derweil, die Schafhaltung aufzugeben. Die fünf Schafe, die von der kleinen Herde übrig geblieben sind, grasen derzeit im großen Garten der Familie. „Ich traue mich fast nicht, sie auf die Weide zu tun“, sagt Reitberger. Es sei eine schwierige Entscheidung. Das Landesamt für Umwelt regele eine Entschädigung für die gerissenen Tiere und habe ihnen einen neuen Zaun angeboten, der stabiler ist als der jetzige. „Aber der ist auch nicht höher“, so Reitberger. Der Wolf darüberspringen. Und ein Abwehrhund sei für eine so kleine Herde nicht sinnvoll. „Die Rezepte, die uns gegen den Wolf angeboten werden, sind nicht passend“, so Reitberger. „Einen wirklichen Schutz gegen den Wolf gibt es nicht.“
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