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Aichach-Friedberg: Wie andere Landkreise privat, schnell und günstig bauen

Aichach-Friedberg

Wie andere Landkreise privat, schnell und günstig bauen

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    Das Gymnasium in Buchloe wurde 2013 fertig. Ein Unternehmen war und ist in einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) für Planung, Bau und jetzt für den Betrieb des Gebäudes im Passivhausstandard für 20 Jahre zuständig. Der Landkreis Ostallgäu weiß seit neun Jahren, was das insgesamt alles kostet: rund 33 Millionen Euro bis ins Jahr 2033.
    Das Gymnasium in Buchloe wurde 2013 fertig. Ein Unternehmen war und ist in einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) für Planung, Bau und jetzt für den Betrieb des Gebäudes im Passivhausstandard für 20 Jahre zuständig. Der Landkreis Ostallgäu weiß seit neun Jahren, was das insgesamt alles kostet: rund 33 Millionen Euro bis ins Jahr 2033. Foto: Matthias Wild (Archivbild)

    Manchmal hilft ein Blick über den Gartenzaun: Der Nachbarlandkreis Dachau baut gerade eine Katastrophenschutzhalle, beziehungsweise ein Generalunternehmer baut in Hebertshausen. Denn das Holzgebäude wird als Pilotprojekt in sogenannter Öffentlich-Privater-Partnerschaft (ÖPP) errichtet. Das bedeutet, dass der Buchloer Hallenbauspezialist Hörmann die Halle im Herbst schlüsselfertig übergibt und dann betreibt. Und das nächste ÖPP-Projekt im Osten des Wittelsbacher Landes steht schon in den Startlöchern: Ein Privatunternehmen soll zum Festpreis das fünfte Kreisgymnasium in Röhrmoos bauen und auch für eine vereinbarte Laufzeit unterhalten, bis es der Landkreis in 20 oder 25 Jahren wieder instand übernimmt. Das Ziel: Zeit und Geld sparen. Da hätte man im Wittelsbacher Land auch nichts dagegen. Denn die Baukosten lagen bei den großen Projekten in den vergangenen Jahren der Regel immer deutlich über den ersten "groben" Schätzungen.

    Der Landkreis Aichach-Friedberg baut bis dato lieber selbst: ÖPP war bislang bei keinem der großen Bauvorhaben ein Thema. Die seit Jahren diskutierte Erweiterung des Landratsamtes in Aichach hat die Diskussion darüber jetzt aber angefacht. Wie berichtet, hat der Kreistag vor einem Monat mit großer Mehrheit für eine Vertagung des Baudurchführungsbeschlusses gestimmt. Gleichzeitig ist aber auch beschlossen worden, dass diese endgültige Entscheidung über den Anbau in Holzhybrid-Bauweise noch in diesem Jahr fallen muss. Landrat Klaus Metzger hat diesen Antrag selbst eingebracht und damit auf die Kritik mehrerer Fraktionen reagiert. Die Kreisräte sollen jetzt weitere Fragen stellen können, die zuerst im Bauausschuss behandelt werden und dann vom Kreistag. Im Mittelpunkt der Diskussion steht dabei die Kostenentwicklung: Insgesamt liegt die Schätzung jetzt bei 21,5 Millionen Euro für den Anbau in Richtung Münchner Straße und die Sanierung des Altgebäudes.

    Für die Kreisverwaltung bringt ein Generalunternehmer keine wirtschaftlichen Vorteile

    Insbesondere sahen mehrere Kreisräte Erklärungsbedarf bei den Kosten für den Neubau von knapp 15 Millionen Euro (4000 Euro pro Quadratmeter Bürofläche). Das sei fast doppelt so viel wie bei einem Projekt in der Privatwirtschaft. Im Herbst 2018 lag die „grobe Kostenschätzung“ der Verwaltung für den Anbau beim Grundsatzbeschluss des Kreistags noch bei neun Millionen Euro. Insbesondere die Kreisräte von Freien Wählern und Unabhängigen fordern, dass andere Bauabwicklungsmodelle geprüft werden sollten. Die Gründung eines Kommunalunternehmens, wie von den Unabhängigen vorgeschlagen, um Umsatzsteuer zu sparen und nicht europaweit ausschreiben zu müssen, ist aus Sicht der Kreisverwaltung nicht möglich, weil der Schwellenwert (5,4 Millionen) überschritten wurde. Und die Beauftragung eines Generalunternehmers bringt aus Sicht der Bauverwaltung ebenfalls keine wirtschaftlichen Vorteile.

    In der Sitzung des Bauausschusses am nächsten Dienstag soll jetzt ein Zeitplan vor dem Baudurchführungsbeschluss auf den Weg gebracht werden. In der Zwischenzeit sind nämlich über 100 Fragen und dreizehn Anträge und Aufträge von den Fraktionen zum Projekt eingetroffen. Die CSU beantragt, dass die Entscheidung im Kreistag über die Erweiterung des Landratsamtes noch im Frühjahr, also spätestens Ende Mai, fallen muss, auch um zusätzliche Kosten durch Verzögerungen zu vermeiden. Ob zuvor alle Fragen und Anträge der Kreisräte von der Verwaltung abgearbeitet werden können ist damit offen.

    Im Landkreis Dachau ist die Entscheidung für das ÖPP-Modell beim Hallenbau und auch jetzt beim Gymnasium vorrangig aus Kapazitäts- und Zeitgründen gefallen, erläutert Wolfgang Reichelt, Pressesprecher des Landratsamtes, auf Anfrage. Die Bauabteilung sei durch viele aktuelle Projekte ausgelastet. Nach einem ersten Versuch und Erfahrungen mit der Halle in Hebertshausen (Vertragspreis: 5,2 Millionen Euro) soll mit dem Gymnasium Röhrmoos auch ein Kosten-, Zeit- und Abwicklungsvergleich zum klassischen Verfahren mit Ausschreibungen der einzelnen Gewerke durch die Verwaltung gezogen werden. Denn nahezu zeitgleich entsteht ein viertes Gymnasium gemeinsam mit der Stadt München in Karlsfeld. Landrat Stefan Löwl wagte in einer Sitzung schon mal eine Prognose: Geld spare sich der Landkreis mit der ÖPP-Variante nicht unbedingt, aber massiv Zeit und Personal.

    Der Neubau der Katastrophenschutzhalle in Hebertshausen ist das erste Bauprojekt des Landkreises Dachau mit einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft. Der Buchloer Hallenspezialist Hörmann ist Generalunternehmer und baut die Kombination aus Büro und Halle (71 mal 21 Meter) komplett in Holzrahmenbauweise.
    Der Neubau der Katastrophenschutzhalle in Hebertshausen ist das erste Bauprojekt des Landkreises Dachau mit einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft. Der Buchloer Hallenspezialist Hörmann ist Generalunternehmer und baut die Kombination aus Büro und Halle (71 mal 21 Meter) komplett in Holzrahmenbauweise.

    Solche Partnerschaften mit der Beauftragung von Generalunternehmern oder noch weitergehenden Modellen durch Kommunen sind kein Neuland, sondern seit Jahren ein Thema. Die Stadt Aichach hat ihr Feuerwehrhaus an der Freisinger Straße nach einer sogenannten Funktionalausschreibung und der Vergabe des kompletten Auftrags an ein Bauunternehmen gebaut.

    Landkreis Ostallgäu hat den Innovationspreis ÖPP 2012 erhalten

    Die größten Erfahrungen in der Region hat der Landkreis Ostallgäu. Er hat das Gymnasium in Buchloe so realisiert. Dafür erhielt der Landkreis sogar den „Innovationspreis ÖPP 2012“. Wie gut die Partnerschaft im Fall des Buchloer Gymnasiums wirklich war, wird sich endgültig erst in einem Jahrzehnt herausstellen. Denn dann endet der Vertrag mit einem mittelständischen Bauunternehmen aus Bad Saulgau in Oberschwaben (Baden-Württemberg). Das hat die Schule im höchsten Energiesparniveau (Passivhausstandard) in einer Rekordzeit von nur 16 Monaten in hoher Qualität gebaut und betreibt das Gebäude seit 2013 für zwei Jahrzehnte. Das heißt, das Unternehmen ist für Haustechnik, Rasenmähen, Abwasserentsorgung, Hausmeister, Mülltrennung, Winterdienst und Reinigungspersonal zuständig.

    Eigentümer der Liegenschaft ist zwar der Landkreis. Wenn aber eine Tür kaputt oder ein Wasserhahn defekt ist, muss der Unternehmer die Rechnung für den Bauunterhalt bezahlen oder selbst ausführen. Allein aus Eigennutz setzte die Firma bei Technik und Baustoffen deshalb auf hohe Qualität und Effizienz. Reparaturen und Mängel gehen ja auf eigene Kosten. Nur beim Betriebsposten Strom zahlt das Ostallgäu bis zu einer vereinbarten Grenze mit. 2033 wird entschieden, ob der Betrieb des Gebäudes weiter vergeben wird oder der Landkreis es dann wieder selber übernimmt wie bei seinen anderen Schulhäusern.

    Das Gymnasium Buchloe ist ein Passivhaus

    Gebaut wurde in Buchloe ein dreizügiges Gymnasium mit integrierter Zweifach-Sporthalle, Außensportanlagen und Mensa, 250 Fahrradstellplätzen und 100 Parkplätzen zu einem Pauschalpreis von 22,5 Millionen Euro ohne Grunderwerbskosten. Dazu kommen Betriebs- und Unterhaltskosten von jährlich rund 500.000 Euro, festgesetzt auf 20 Jahre. Das macht vertraglich vereinbarte Gesamtkosten für Bau und Betrieb von rund 33 Millionen Euro am Ende der Vertragslaufzeit 2033. Hinzu kommen Kosten für den Kreis als Sachaufwandsträger wie Abschreibungen, Schuldendienst (Zins und Tilgung) und der Sachbedarf der Schule.

    Vor der Entscheidung ließ das Ostallgäu ermitteln, ob sich das Privatmodell rechnet. Ergebnis: Ein ÖPP-Gymnasium spart etwa sieben Prozent der Kosten. Als Vorteile werden vor Ort aufgezählt: Kostensicherheit für Bau und Betrieb, hochmodernes, funktionales Gebäude mit hoher architektonischer Qualität, extrem kurze Bauzeit, Vergabe von Aufträgen an örtliche Handwerker. Details zum Bauwerk: Ökologie (heimische Baustoffe wie Holz, Verzicht auf „Chemie“); Energie (Passivhaus, Grundwasserpumpe, Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung etc.), Gesundheit (Aufenthaltsqualität, Lärmeindämmung).

    Das neu gebaute Gymnasium Buchloe im Abendlicht
    Das neu gebaute Gymnasium Buchloe im Abendlicht Foto: Mathias Wild

    Nicht viel später wurde im Wittelsbacher Land das ebenfalls dreizügige Gymnasium in Mering gebaut und im Herbst 2016 – 27 Monate nach dem Spatenstich – übergeben. 2010 wurden die Kosten für Sanierung der Mittelschule plus Aus- und Anbau für ein Gymnasium inklusive einer weiteren Sporthalle laut Gutachten noch „grob“ auf insgesamt 18 Millionen Euro hochgerechnet. Diese Summe, zum Großteil für eine Gebäudeumnutzung, stieß auf harsche Kritik im Kreistag. Nach mehreren Kostensteigerungen wurde das rund 40 Jahre alte Betonskelett-Gebäude und auch der erst zehn Jahre alte Erweiterungsbau „Red Box“ komplett abgerissen, weil ein Neubau laut Architekturbüro die günstigere Variante war.

    Das Gymnasium Mering hat über 34 Millionen Euro gekostet

    Die endgültigen Baukosten: 26,4 Millionen Euro allein für das Schulgebäude und 7,7 Millionen für eine Mensa für Gymnasium und Realschule. Die wurde nach Verzögerungen durch eine Umplanung für drei zusätzliche Klassenzimmer im Frühsommer 2019 in Betrieb genommen. Wichtiger Unterschied der beiden Projekte: In der Buchloer Bausumme (22,5 Millionen Euro) stecken die Kosten für eine Zweifachsporthalle plus Außenanlagen (4,3 Millionen) bereits drin – vergleichbar sind also 18,2 Millionen für ein Passivgebäude auf freier Wiese. Aichach-Friedberg baute für 34,1 Millionen eine Schule mit gutem Energiestandard und musste zuvor Altgebäude abreißen und entsorgen. Das Wittelsbacher Land zahlt auch für Wasser, Strom, Heizung und Hausmeister am Gymnasium, hat aber keine fixierte Kostensicherheit über 20 Jahre wie der Landkreis Ostallgäu und kalkuliert natürlich auch mit Abschreibung, Schuldendienst und Sachbedarf.

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