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Aichach-Friedberg: Wegen Corona: Depressionen und Angstzustände in Aichach-Friedberg nehmen zu

Aichach-Friedberg

Wegen Corona: Depressionen und Angstzustände in Aichach-Friedberg nehmen zu

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    Die Corona-Krise kann die Psyche belasten. Auch im Landkreis Aichach-Friedberg sind immer mehr Menschen von Depressionen oder Angstzuständen betroffen..
    Die Corona-Krise kann die Psyche belasten. Auch im Landkreis Aichach-Friedberg sind immer mehr Menschen von Depressionen oder Angstzuständen betroffen.. Foto: Peter Steffen, dpa (Symbolfoto)

    Etwas hat sich verändert in diesem Januar. Konrad Gamperling leitet seit 2015 den Sozialpsychiatrischen Dienst des Caritasverbands Aichach-Friedberg, ist erfahrener Psychologe. Was die Menschen beschäftigt, ihre Sorgen, Ängste, auch Krankheiten - vieles davon landet früher oder später bei ihm. Seit einem Jahr nun stellt Corona alles in den Schatten, doch in jüngster Vergangenheit hat sich neue Entwicklung eingestellt: Zu Gamperling kommen deutlich mehr Menschen als noch in den frühen Tagen der Pandemie. "Die Nachfrage steigt momentan deutlich an", sagt er. "Die psychische Belastung der Menschen hat extrem zugenommen."

    Mehr Depressionen im Wittelsbacher Land durch Corona-Lockdown

    Im Frühjahr, in den ersten Wochen der Pandemie im Wittelsbacher Land, kamen nach Auskunft von Gamperling deutlich weniger Menschen in die Beratung - jedoch nicht, weil die Situation damals nicht auch belastend gewesen wäre. Grund war laut Gamperling vielmehr, dass viele damals noch die Hoffnung gehabt hätten, dass sich die Situation bald ändern könnte. Das sei nun anders. "Die Menschen wollen nicht mehr warten, weil nicht klar ist, wie lange die Ausnahmesituation noch dauert. Vier Wochen durchhalten, das geht schon mal. Aber auf längere Strecke tun sich viele Menschen schwer." Es habe sich etwas geändert - von der Haltung "Das halten wir durch, bis es vorbei ist" in Richtung "Wir müssen uns darauf einrichten, mit dem Virus zu leben".

    Beratungsstelle bei psychischen Problemen: "Zusätzliche Sorge durch Corona"

    Grundsätzlich, sagt Gamperling, kämen die wenigsten alleine wegen Corona. "Die Menschen haben nicht plötzlich andere Sorgen - aber mit Corona eben eine zusätzliche." Das wirke sich vor allem auf diejenigen aus, die davor schon mit Depressionen oder Angstzuständen zu kämpfen hatten. Der Psychologe befürchtet, dass dadurch auch die Selbstmordrate im Landkreis steigen könnte. "Hier gilt - ähnlich wie bei psychischen Problemen allgemein: Eine Neigung, die schon vor Corona da war, wird momentan eher verstärkt. Wenn also jemand schon zuvor suizidale Krisen hatte, führt die Pandemie zu verstärkten Suizidgedanken."

    Trotz Corona: Polizei registriert weniger Suizide in Aichach-Friedberg

    Seit Beginn der Corona-Krise steht die Frage im Raum, ob die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu mehr Suiziden und Suizidversuchen führten. Blickt man auf die Statistik im Landkreis Aichach-Friedberg, bestätigt sich diese Befürchtung bislang nicht. Im Vergleich zu 2019 ist die Zahl der versuchten und vollendeten Suizide im Corona-Jahr 2020 landkreisweit sogar zurückgegangen - von 30 (15 Versuche, 15 vollendet) auf 26 (15 Versuche, elf vollendet). Auch mit Blick auf die vergangenen fünf Jahre ist kein signifikanter Anstieg festzustellen.

    Rund um den Landkreis Aichach-Friedberg stellt sich die Situation durchaus anders da. In Augsburg erfasste die Polizei im Corona-Jahr 2020 130 Suizidversuche - eine deutliche Steigerung gegenüber 2019, damals waren es 80 Versuche gewesen. Auch im Bereich des gesamten Polizeipräsidiums Schwaben-Nord, in dessen Zuständigkeitsgebiet auch die Landkreise Augsburg, Dillingen und Donau-Ries liegen, ist zumindest die Zahl der Suizidversuche höher als in allen Vorjahren bis 2015.

    Leiter der psychiatrischen Institutsambulanz: Dunkelziffer bei Selbstmorden

    Warum die Zahlen in Aichach-Friedberg verhältnismäßig niedriger sind? Das kann nach Auskunft von Andreas Gartenmaier, Oberärztlicher Leiter der psychiatrischen Institutsambulanz Aichach, unterschiedliche Gründe haben. Einerseits müsse man von einer "massiven" Dunkelziffer ausgehen, besonders im Bereich der versuchten Suizide. Gerade der Raum Aichach sei psychiatrisch lange "nicht optimal versorgt" gewesen. "Ich kann mir vorstellen, dass vieles im Verborgenen passiert, was aber nicht bekannt wird." Um gerade das zu ändern, sei die psychiatrische Institutsambulanz im vergangenen Jahr gegründet worden. Ein weiterer Erklärungsansatz sei die ländliche Prägung im Landkreis Aichach-Friedberg. Im Vergleich zur Stadt seien die familiären Strukturen dort stärker ausgeprägt - und diese seien ein wichtiger Faktor bei der Bewältigung der aktuellen Situation.

    Angstzustände: Sorge vor Corona-Infektion "eher ein Randthema"

    Pandemie und Lockdown können in mehrfacher Hinsicht Belastungsfaktor sein: Da sind Beschränkungen und Stress-Situationen im Privaten, aber auch Zukunftssorgen oder die Angst vor einer Infektion. Was den Menschen am meisten zusetzt? "Das kann man nicht getrennt voneinander betrachten", sagt Gartenmaier. "Die verschiedenen Belastungen können sich addieren oder sogar potenzieren." Es gebe große individuelle Unterschiede, die Angst vor der Krankheit selbst sei aber normalerweise eher ein Randthema.

    Andreas Gartenmaier, Oberärztlicher Leiter der Psychiatrischen Institutsambulanz Aichach PIA.
    Andreas Gartenmaier, Oberärztlicher Leiter der Psychiatrischen Institutsambulanz Aichach PIA. Foto: Daniel Biskup

    Viel stärker sei momentan das Gefühl der Perspektivlosigkeit. "Immer mehr Menschen verlieren ihre Aufgaben. Ein Künstler zum Beispiel, der seinen Beruf nicht ausüben kann, ist seines Lebensinhalts beraubt." Wenn dann ein stabiles soziales Umfeld fehle, gebe es durchaus die Gefahr, in eine depressive Symptomatik zu rutschen oder - schlimmer noch - psychisch zu erkranken. Auch er habe festgestellt, dass die psychische Belastung in den vergangenen Wochen "massiv" zugenommen habe.

    Was ist noch "Corona-Blues" - und was schon Depression?

    Doch was ist noch "Corona-Blues", ein allgemeines Genervtsein angesichts der vielen Beschränkungen - und was schon eine psychische Erkrankung? "Der Zeitpunkt, Hilfe von außen anzunehmen, ist spätestens da, wenn jemand keinen Antrieb mehr verspürt, nicht mehr aus dem Bett kommt, an nichts mehr Freude verspürt, ständig im Kreis denkt", erklärt Gartenmaier. Auch Schlaf- und Appetitstörungen seien typisch für depressive Erkrankungen. Um möglichst stabil durch die Pandemie zu kommen, sei es ratsam, Sport zu treiben, soziale Kontakte aufrechtzuhalten - wenn auch nur virtuell -, in einer festen Tagesstruktur zu bleiben und seine Hobbys und Interessen zu pflegen - "so gut es momentan eben geht".

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    Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprechen Sie darüber! Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten - per Telefon, Chat, E-Mail oder im persönlichen Gespräch, auch anonym. Hier finden Sie eine Übersicht.

    Der Sozialpsychiatrische Dienst des Caritasverbands Aichach-Friedberg (Münchener Straße 19, 86551 Aichach) ist telefonisch unter 08251/93465–20 zu erreichen (Montag bis Donnerstag: 9 Uhr bis 12 Uhr, Mittwoch und Donnerstag: 13 Uhr bis 16 Uhr) oder per E-Mail unter sozialpsychiatrischer.dienst@caritas-aichach-friedberg.de.

    Die Psychiatrische Institutsambulanz Aichach (Krankenhausstraße 11, 86551 Aichach) hat von Montag bis Donnerstag jeweils von 9 bis 12 Uhr und nach Vereinbarung regulär geöffnet. Die Mitarbeitenden dort sind an allen vier Tagen jeweils bis 17 Uhr im Dienst. Telefonisch zu erreichen ist die PIA unter 08251/8614-735.

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