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Aichach-Friedberg: Warum wird fast überall mehr geimpft - nur im Landkreis nicht?

Aichach-Friedberg

Warum wird fast überall mehr geimpft - nur im Landkreis nicht?

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    Während viele bayerische Landkreise mit Sonderaktionen den "Impf-Turbo" zünden, verzichtet Aichach-Friedberg auf zusätzliche Lieferungen.
    Während viele bayerische Landkreise mit Sonderaktionen den "Impf-Turbo" zünden, verzichtet Aichach-Friedberg auf zusätzliche Lieferungen. Foto: Ole Spata, dpa

    Es macht schon was her, was Anfang der Woche direkt hinter den Landkreis-Grenzen verkündet wurde. Man habe nun den „Impfturbo gezündet“, verlautbarte der Dachauer Landrat Stefan Löwl mit merklichem Stolz. 10.000 Impfdosen – 2000 planmäßig plus 8000 zusätzlich geliefert – wolle sein Landkreis durch eine Sonder-Impfaktion innerhalb von zehn Tagen verimpfen, erklärte Löwl. Auch in den Nachbarlandkreisen Augsburg und Landsbergwie in ganz Bayern – laufen solche Aktionen mit Tausenden zusätzlichen Impfungen. Im Wittelsbacher Land ist man von solchen Sprüngen momentan weit entfernt. Die Impfquote steigt nur langsam und liegt seit mehreren Wochen unter dem bayernweiten Durchschnitt. Von Sonder-Aktionen keine Spur. Verschläft der Landkreis gerade die Corona-Impfkampagne?

    Corona-Impfungen in Aichach-Friedberg liegen unter dem Schnitt

    Ein Blick auf die offiziellen Zahlen: Am Montag meldete das Landratsamt, im Wittelsbacher Land seien bislang rund 18.360 Erst- und 8000 Zweitimpfungen verabreicht worden. Im Verhältnis zur Zahl der Landkreisbewohner ergibt sich jeweils eine Quote von 13,6 beziehungsweise 5,9 Prozent. Wer diese Werte wiederum mit den Zahlen verglich, die das Robert-Koch-Institut (RKI) am selben Tag für Bayern und Deutschland meldete, stellte deutliche Unterschiede fest. Bayernweit waren bis dahin bereits 16 Prozent der Bürger einmal geimpft, 6,5 Prozent zweimal. Für die Bundesrepublik meldete das RKI 15,9 Prozent Erst- und 6,1 Prozent Zweitimpfungen.

    Wenn auch zuvor weniger deutlich, besteht der Rückstand seit Beginn der Impfkampagne fast durchgehend - obwohl sich die verteilte Impfstoffmenge eigentlich nach der Einwohnerzahl der jeweiligen Landkreise richten soll. Woran liegt es dann? Was eine kleine Rolle spielt: Im Landkreis wird etwas mehr geimpft, als es die Statistik des Landratsamts momentan aussagt, da die Impfungen in den Hausarztpraxen dort nicht inbegriffen sind. Die RKI-Zahlen umfassen dagegen alle Impfungen - also auch die von Hausärzten verabreichten. Da die Praxen aber erst seit Kurzem eingebunden sind, dürften die Kapazitäten dort noch verhältnismäßig überschaubar sein.

    Landkreis hätte mehr AstraZeneca-Impfstoff bestellen können

    Mehr Aufschluss bietet eine Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung von Anfang März: Demnach sollten grenznahe Landkreise, die mit deutlich höheren Inzidenzwerten zu kämpfen hatten, weit über 100.000 zusätzliche Impfstoff-Dosen erhalten. Die sind inzwischen verimpft, was den Schnitt in ganz Bayern nach oben trieb und den Abstand zu grenzfernen Landkreisen wie Aichach-Friedberg vergrößerte.

    Nun liegt auch der Landkreis Dachau kaum näher an Tschechien als das Wittelsbacher Land. Trotzdem bekam er nun auf einen Schlag 8000 zusätzliche Dosen. Sie stammen nicht, wie anfangs von Landrat Löwl angedeutet, aus der Auflösung der bayerischen Impfreserve. Das erklärt eine Sprecherin des bayerischen Gesundheitsministeriums auf Anfrage unserer Redaktion. Vielmehr hätten alle bayerischen Impfzentren und Regierungskoordinatoren für den Zeitraum vom 5. bis zum 18. April Impfstoff von AstraZeneca "freihändig" bestellen können - also "unabhängig von der Zuteilung nach Bevölkerungsschlüssel nach ihrem Bedarf". So seien "Sonder-Impfaktionen" für über 60-Jährige möglich gewesen. Erlaubt habe diese Sonderzuweisungen eine Lieferung von rund 285.000 AstraZeneca-Impfdosen zwischen Ende März und Anfang April.

    Bestellung von Impfstoff für Sonder-Impfaktionen lief kurzfristig

    Auch der Landkreis Aichach-Friedberg hätte für seine Impfzentren eine solche Sonderzuweisung, also zusätzliche Impfdosen von AstraZeneca, bekommen können. So bestätigt es Sebastian Koch, organisatorischer Leiter der Impfzentren im Landkreis, im Gespräch mit unserer Redaktion. Warum hat der Landkreis freiwillig darauf verzichtet?

    Obwohl für April deutlich mehr Impfstofflieferungen angekündigt waren, wies das bayerische Gesundheitsministerium im März alle Landkreise an, die Kapazitäten in den Impfzentren momentan nicht aufzustocken. Der Grund: Die zusätzlich erwarteten Impfdosen sollten überwiegend an Hausarztpraxen gehen. Am 4. April erreichte die Landratsämter dann eine E-Mail aus dem Gesundheitsministerium: In den Impfzentren sollten Erstimpfungen mit AstraZeneca nur noch bis zum 18. April, also diesen Sonntag, stattfinden. Danach seien Erstimpfungen mit AstraZeneca ausschließlich in Hausarztpraxen möglich.

    Nur zwei Tage später, am 6. April, kam dann die Mitteilung, in der auf die "freihändige" Bestellmöglichkeit hingewiesen wurde. Die Frist dafür endete wiederum zwei Tage später, am 8. April. Für den Landkreis Aichach-Friedberg war das zu kurzfristig. Er bestellte zwar neben Biontech/Pfizer und Moderna auch 800 Dosen AstraZeneca - jedoch nicht mehr, als die geplanten Kapazitäten in den Impfzentren vorsahen.

    Corona-Impfungen: Modell über Betreiber Vitolus unflexibel

    Hier kommt das Impfmodell im Wittelsbacher Land ins Spiel. Der Landkreis hat die Abwicklung der Impfungen dem externen Dienstleister Vitolus überantwortet. Der Landkreis bezahlt Vitolus pauschal pro Tag dafür, Kapazitäten - allen voran Personal - zur Verfügung zu stellen. Und zwar unabhängig davon, ob Impfstoff zur Verfügung steht. "Hätten wir nun einmalig und auf einen Schlag deutlich mehr Impfdosen bestellt, hätte Vitolus die Kapazitäten bis Sonntag massiv hoch- und danach wieder auf das Normalmaß herunterfahren müssen", sagt Sebastian Koch, organisatorischer Leiter der Impfzentren im Landkreis. "Diese Flexibilität und Spontanität erlaubt unser Modell aber nur begrenzt, weil es kontinuierlich vorgehaltene Kapazitäten vorsieht und damit eher auf Planbarkeit basiert."

    Zwar hätten zusätzliche Dosen nach Kochs Einschätzung möglicherweise verimpft werden können - wegen der nach wie vor begrenzten Impfstofflieferungen wäre anschließend in den Impfzentren jedoch mutmaßlich Personal unbeschäftigt geblieben. Trotzdem hätte der Landkreis in diesem Fall für die erhöhten Kapazitäten zahlen müssen. "Und dann bekommen wir im Nachhinein ein Problem mit der Abrechnung. Es geht hier um Steuergeld", erklärt Koch. "Zumal es vom Gesundheitsministerium explizit hieß: ,Stopp, Kapazitäten nicht weiter erhöhen.'"

    Im Landkreis Dachau finden Sonder-Impfungen ohne Anmeldung statt

    Auch im Landkreis Dachau werden die zwei Impfzentren extern betrieben, mit dem Bayerischen Roten Kreuz (BRK) und den Johannitern, jeweils von einer Hilfsorganisation. Beide Betreiber seien grundsätzlich sehr flexibel bei der Kapazitätserweiterung, erklärt Wolfgang Reichelt, Pressesprecher des Landratsamts Dachau gegenüber unserer Redaktion. Für den aktuellen "Impfturbo" greife man jedoch zusätzlich auch auf niedergelassene Ärzte und ehrenamtliches medizinisches Personal zurück. Dieses Vorgehen habe sich in vergangenen, einzelnen Impf-Aktionen - etwa für Lehrkräfte, medizinisches Personal oder Polizisten - bewährt.

    Zudem werden nach Auskunft von Reichelt für die jetzige Aktion kurzfristig neue Impfstandorte geschaffen - wie die Realschule Dachau, an der am Sonntag ein Sonder-Impftag stattfindet. In diesem Rahmen soll jeder über 60-Jährige aus dem Landkreis eine Impfung mit AstraZeneca erhalten können – auch ohne vorherige Terminvereinbarung. Dabei gilt das Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst - ebenso wie in den Landkreisen Augsburg und Landsberg, wo sich Impfwillige für die Sonder-Impfaktion jedoch telefonisch anmelden mussten. Die Nachfrage dort war jeweils enorm.

    Sebastian Koch vom Landratsamt: "Stehen nicht schlecht da"

    Das Modell im Landkreis Aichach-Friedberg habe Defizite im Bereich Flexibilität, räumt Sebastian Koch, organisatorischer Leiter der Impfzentren, ein. Für spontane, einmalige Impfaktionen außerhalb der Impfzentren fehlten derzeit die Strukturen. Im Vergleich mit anderen Landkreisen in Schwaben stehe Aichach-Friedberg bei der Impfquote aber "nicht schlecht da". Aktuell würden rund 700 Dosen pro Tag über die Impfzentren verimpft. "Wenn die Impfstofflieferungen kontinuierlich steigen, werden wir selbstverständlich reagieren und alles in Bewegung setzen, die Kapazitäten zu erhöhen. Dann ist auch doppelt soviel möglich", betont Koch. Auch werde bald in den Hausarztpraxen deutlich mehr verimpft.

    Sebastian Koch, organisatorischer Leiter der Impfzentren im Landkreis Aichach-Friedberg.
    Sebastian Koch, organisatorischer Leiter der Impfzentren im Landkreis Aichach-Friedberg. Foto: Sebastian Richly

    Immerhin: Zumindest einen "Mini-Impfturbo" bekommt auch das Wittelsbacher Land noch. In der kommenden Woche erreicht den Landkreis eine zusätzliche Lieferung von 1170 Dosen mit Impfstoff von Biontech/Pfizer. Nach Auskunft von Koch hat der Landkreis bislang etwas weniger Impfstoff erhalten als ihm nach dem Bevölkerungsschlüssel zugestanden hätte. Diese Ungleichheiten würden nun ausgeglichen. Mit den Extralieferungen, die zeitnahe verimpft werden sollten, liege man dann voraussichtlich wieder im Schnitt.

    Einen Kommentar zum Thema finden Sie hier: Es braucht Impfungen - um jeden Preis

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