Startseite
Icon Pfeil nach unten
Aichach
Icon Pfeil nach unten

Aichach-Friedberg: Warum ein Anbau den Kreistag von Aichach-Friedberg entzweit

Aichach-Friedberg

Warum ein Anbau den Kreistag von Aichach-Friedberg entzweit

    • |
    So soll die Erweiterung des Landratsamtes in Aichach mit einem Anbau in Holzhybrid-Bauweise aussehen.
    So soll die Erweiterung des Landratsamtes in Aichach mit einem Anbau in Holzhybrid-Bauweise aussehen. Foto: Raum und Bau (Visualisierung)

    Es gibt unterschiedliche Standpunkte, Schwerpunkte und Fixpunkte in der politischen Arbeit der 60 Kreisräte in sieben Fraktionen und FDP-Einzelkämpfer Karlheinz Faller. Aber es gibt eine Konstante: Bei allen großen, wichtigen und zukunftsweisenden Infrastrukturentscheidungen der vergangenen Jahrzehnte hat der Kreistag die Projekte meist einstimmig oder nur mit ganz wenigen Gegenstimmen auf den Weg gebracht. Ob es das dritte Gymnasium im Landkreis in Mering war, der Krankenhaus-Neubau in Aichach oder zuletzt die neue Förderschule in Friedberg: In Details gab es natürlich durchaus unterschiedliche Meinungen, im Großen und Ganzen standen in der Regel alle dahinter. Mit dieser Tradition dürfte am Montag-Nachmittag gebrochen werden.

    Vom Blauen Palais wäre nach einer Erweiterung von der Münchener Straße aus nicht mehr viel zu sehen. Heute steht der Baudurchführungsbeschluss auf der Tagesordnung der Kreistagssitzung.
    Vom Blauen Palais wäre nach einer Erweiterung von der Münchener Straße aus nicht mehr viel zu sehen. Heute steht der Baudurchführungsbeschluss auf der Tagesordnung der Kreistagssitzung. Foto: Erich Echter

    Denn dann steht die Entscheidung über die Erweiterung des Landratsamtes in Aichach mit einem Holzhybrid-Anbau in Richtung Münchener Straße auf der Tagesordnung der Sitzung, die wieder in der Vierfachhalle in Aichach stattfindet und um 14.30 Uhr beginnt. Das Thema begleitet die Kreispolitiker auch schon seit Jahrzehnten, war nach dem Ausbau des Aichacher Kreisguts als Außenstelle vor knapp zehn Jahren eigentlich schon mal vom Tisch, wurde durch deutlichen Personalzuwachs der Behörde seither wieder aktuell, fand vor zweieinhalb Jahren noch einstimmigen(!) Zuspruch und ist jetzt wieder umstritten wie eigentlich nie zuvor.

    CSU und Grüne stehen dahinter - aber nicht alle sind begeistert

    In Reihen von CSU und Grünen (sie haben zusammen eine Mehrheit) sind zwar nicht alle Kreisräte begeistert – vor allem nicht jene, die erst seit einem Jahr im Gremium sind – sie stehen aber hinter dem Vorhaben. Warum? Das Landratsamt platze aus allen Nähten, die Arbeitsbedingungen seien den Mitarbeitern nicht mehr zuzumuten. Mit der Rückverlagerung von Außenstellen werde das Blaue Palais wieder zum zentralen Standort, was Vorteile für die Abläufe in der Verwaltung und die Bürger bringe.

    Kreisräte aus den Fraktionen Freie Wähler, SPD, AfD, Unabhängige und ÖDP sehen die Bauentscheidung zumindest jetzt oder auch generell kritisch. Warum? Zum einen, weil seit dem Beschluss für eine Anbaulösung die Kosten durch die Decke gingen. Ende 2018 lag die erst grobe Kostenschätzung noch bei neun Millionen Euro. Dann wurde genauer gerechnet, die Sanierung des Altgebäudes dazu addiert und zwischenzeitlich war die Rede von 25 Millionen. Es wurde abgespeckt, später wieder draufgesattelt: Jetzt liegt der Holzhybrid-Anbau allein bei rund 15 Millionen und das Projekt insgesamt bei 21,5 Millionen mit Sanierung des Altgebäudes – ohne die weiteren Millionen, um die Beton-Skelett-Hülle endlich auf ein modernes Energieniveau zu bringen. Plus aktuelle Unwägbarkeiten durch die Kostenexplosion bei Baumaterial.

    Im Gegensatz zu Schulen oder Klinikbau gibt es keine hohen Staatszuschüsse

    In Summe macht das dann aller Voraussicht nach die größte Netto-Bauinvestition in der Geschichte des Landkreises. Denn im Gegensatz zu den anderen Großprojekten des Landkreises fließen für das Gebäude keine hohen Staatszuschüsse. Dazu kommen die Unsicherheiten durch Steuereinbrüche nach der Corona-Pandemie und generelle konzeptionelle Bedenken, weil die Verwaltung selbst davon ausgeht, dass mittelfristig weitere bis zu 100 Stellen gebraucht werden könnten. Dann reiche die Erweiterung ja schon wieder nicht aus.

    Infos zur geplanten Erweiterung des Landratsamtes in Aichach

    Neubau Im neuen Querriegel sollen etwa 60 zusätzliche Büros und Zimmer mit rund 115 Arbeitsplätzen, ein Wartebereich für Kunden und die Zulassungsstelle untergebracht werden.

    Mitarbeiter Rund 40 Mitarbeiter aus aufgelösten Außenstellen des Amtes könnten nach Fertigstellung wieder im Haupthaus arbeiten.

    Außenstellen Neben dem Kreisgut blieben noch das Gesundheitsamt am Krankenhaus und die Außenstelle am Schlossplatz. (cli)

    Der Personalzuwachs ist auch aktuell der Grund für die Raumnot in der Behörde. Aktuell beschäftigt der Kreis knapp 390 Mitarbeiter der eigenen Verwaltung. Dazu kommen weitere rund 90 Beamte und Beschäftigte des Freistaats, die am Amt hoheitliche Aufgaben übernehmen. Fast 200 der derzeit insgesamt 480 Angestellten, Beamten und Arbeiter im Landratsamt, Außenstellen und Bauhof arbeiten in Teilzeit. Alle zusammen besetzen in etwa 370 Vollzeitstellen. Abzüglich der Staatsstellen (75) sind es damit 295 Vollzeitstellen beim Kreis, rund 80 oder 40 Prozent mehr als 2013, als der Ausbau des Kreisguts die Platzprobleme eigentlich lösen sollte.

    Verwaltung beantwortet nicht alle Fragen zur Zufriedenheit der Kreisräte

    Der Baudurchführungsbeschluss stand schon bei einer Sitzung im Februar auf der Tagesordnung. Landrat Klaus Metzger (CSU) wollte damals eine breite Mehrheit und schlug selbst vor, den Beschluss zu verschieben, bis alle offenen Fragen geklärt seien. Die wurden gestellt (rund 110!) und aus Sicht von einigen Kreisräten in zwei Ausschusssitzungen teilweise nicht oder nur ungenügend beantwortet. Vor allem, dass die Verwaltung eine geforderte Gegenüberstellung der aktuellen Mietkosten für die Außenstellen zu den Kosten für die geplante Erweiterung (Bau, Abschreibung, Finanzierung, Unterhalt) schuldig blieb, stieß Kreisräten sauer auf. Bislang nicht üblich und nicht in so kurzer Zeit leistbar, lautete die Begründung. Die Bauverwaltung schlug zuletzt vor, nach einem Baudurchführungsbeschluss und Fortführung der Planung, vor der Ausschreibung (voraussichtlich Anfang 2022) eine Markterkundung durchzuführen. Dann könnten die Kreispolitiker bei einer Kostenexplosion immer noch die Reißleine ziehen.

    Prognose: Nach Stand der Dinge geht die Abstimmung am Montag nahezu identisch aus, wie wenn sie vor der Ehrenrunde stattgefunden hätte.

    So wollen die Fraktionen am Montag abstimmen

    • CSU (25 Sitze) Die CSU-Kreistagsfraktion wird sich laut ihrem Vorsitzenden Peter Tomaschko einstimmig für den Erweiterungsbau des Landratsamts und die Sanierung im Bestandsgebäude aussprechen. Seit vielen Jahren sei dazu beraten worden und alle noch offenen Fragen seien in den vergangenen Monaten geklärt worden, so der Fraktionschef: „Wir wollen damit den bestmöglichen Verwaltungsservice für die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis garantieren.“ Derzeit seien die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter alles andere als optimal und die Kunden müssten bei schlechter Witterung sogar im Freien warten. Die Landratsämter um den Landkreis herum hätten diese notwendigen Baumaßnahmen bereits vor vielen Jahren abgeschlossen.

    Das sind die Mitglieder des aktuellen Kreistags in Aichach-Friedberg


    CSU (25 Sitze, 2014: 28) Stimmen

    Peter Tomaschko 53.093

    Manfred Losinger 41.694

    Richard Scharold 36.302

    Sissi Veit-Wiedemann 34.660

    Stephanie Kopold-Keis 33.348

    Tomas Zinnecker 33.049

    Josef Dußmann (neu) 32.407

    Florian Mayer 31.316

    Helmut Beck 30.467

    Erich Kerner (neu) 29.607

    Reinhard Gürtner 29.559

    Michaela Böck 29.472

    Erwin Gerstlacher 29.331

    CSU (25 Sitze, 2014: 28) Stimmen

    Thomas Kleist 29.026

    Leonhard Büchler 28.819

    Markus Winklhofer (neu) 28.376

    Reinhard Herb 26.366

    Gertrud Hitzler (neu) 26.208

    Hans Schweizer 25.671

    Josef Schreier 25.474

    Stefan Meitinger (neu) 25.030

    Gregor Pfundmeir 24.550

    Georg Resch (neu)\ 24.414

    Markus Waschka (neu) 24.160

    Josef Koppold (nachgerückt) 24.027

    Grüne (9 Sitze, 2014: 5) Stimmen

    Stefan Lindauer (neu) 18.078

    Katrin Müllegger-Steiger 17.465

    Petra von Thienen (neu) 13.776

    Marion Brülls 13.494

    Wolfhard von Thienen (neu) 13.155

    Magdalena Federlin 12.799

    Wolfgang Rainer Pfeiffer (neu) 12.649

    Alfred Seitz (neu) 11.641

    Monika Gebhard (nachgerückt) 11.599

    Freie Wähler (7 Sitze, 2014: 5) Stimmen

    Erich Nagl 13.230

    Marc Sturm 12.267

    Helmut Lenz 11.781

    Peter Erhard 11.737

    Johannes Ankner (neu) 11.659

    Johannes Hatzold 10.149

    Johann Finkenzeller (nachgerückt)

    SPD (7 Sitze, 2014: 11) Stimmen

    Klaus Habermann 21.370

    Roland Eichmann (neu) 17.658

    Silvia Rinderhagen 12.211

    Stefan Hummel (neu) 11.825

    Hans-Dieter Kandler 10.743

    Ulrike Sasse-Feile (neu) 10.090

    Brigitte Neumaier (nachgerückt) 9734

    AfD (4 Sitze, 2014: 0) Stimmen

    Josef Settele (neu) 19.090

    Willibald Mair (neu) 15.903

    Paul Traxl (neu) 15.352

    Simon Kuchlbauer (neu) 14.837

    Monika Luff (nachgerückt) 14.714

    ÖDP (3 Sitze, 2014: 2) Stimmen

    Berta Arzberger 7820

    Johannes Kreppold (neu) 7233

    Maria Posch (neu) 6745

    Nachrücker: Peter Schmid 6557

    Unabhängige (3 Sitze, 2014: 6) Stimmen

    Mathias Stößlein (neu) 11.135

    Franz Schindele 9378

    Martin Echter 8778

    Nachrücker: Manfred Graser 8405

    FDP (1 Sitz, 2014: 1) Stimmen

    Karlheinz Faller 7492

    Nachrücker: Birgit Geier 5928

    Freie Wähler (7 Sitze) Die Fraktion hat erst heute ihre Sitzung, teilt Vorsitzender Erich Nagl mit. Die FW setzen seit der Kommunalwahl vor einem Jahr einen Schwerpunkt bei diesem Thema. Ihre Hauptkritikpunkte am Bauprojekt sind die Kostenentwicklung und aus ihrer Sicht nicht berücksichtigte Veränderungen der Arbeitswelt durch die Digitalisierung. Der Großteil der ursprünglich über 110 Fragen und Anträge, die in zwei Bauausschusssitzungen behandelt wurden, stammt von den Freien Wählern.

    • Grüne (9 Sitze) Auch die Grünen werden für das Projekt stimmen, kündigt Fraktionschefin Marion Brülls an. Den Antworten der Verwaltung auf den Fragenkatalog sei zu entnehmen, dass die Erweiterung durchdacht und notwendig sei. Die Belegschaft des Landratsamts müsse zum Teil unter unzumutbaren Bedingungen ihre Arbeit verrichten. Konkret: In überfüllten, beengten Büros zwischen Aktenbergen und dazu noch Publikumsverkehr erledigen. Notwendige Sozialräume würden fehlen. Da Arbeitsplätze vorgehalten werden müssten, ändere auch mehr Homeoffice nichts am Raumbedarf. Auch das andiskutierte ÖPP-Modell oder die Vergabe an ein Generalunternehmen lehnen die Grünen für dieses Projekt als nicht sinnvoll ab, so Brülls.
    • Freie Wähler (7 Sitze) Die Fraktion hat erst heute ihre Sitzung, teilt Vorsitzender Erich Nagl mit. Die FW setzen seit der Kommunalwahl vor einem Jahr einen Schwerpunkt bei diesem Thema. Ihre Hauptkritikpunkte am Bauprojekt sind die Kostenentwicklung und aus ihrer Sicht nicht berücksichtigte Veränderungen der Arbeitswelt durch die Digitalisierung. Der Großteil der ursprünglich über 110 Fragen und Anträge, die in zwei Bauausschusssitzungen behandelt wurden, stammt von den Freien Wählern.
    • SPD (7 Sitze) Die SPD wird gegen den Baudurchführungsbeschluss stimmen, teilt Hans-Dieter Kandler mit. Seine Fraktion verkenne nicht, dass Raumbedarf bestehe, doch die gewünschte Einhäusigkeit werde durch die Erweiterung nicht erreicht. Es werde nach wie vor Außenstellen geben. Die Verwaltung gehe ja von weiter steigenden Personalzahlen bis 2030 aus. Ausschlaggebend für die SPD sei die unsichere Finanzsituation der Kommunen. Weil eine Finanzierung ausscheide, bleibe nur der Weg über den regulären Haushalt. Das bedeute einen zusätzlichen Kreisumlagebedarf von mindestens fünf Millionen Euro in jedem der nächsten vier Jahre – bezahlt von den Kommunen. Dabei würden deren Steuereinnahmen derzeit sinken. Kandler: „Der Baudurchführungsbeschluss stellt zum jetzigen Zeitpunkt für uns einen Blankoscheck dar, den wir nicht unterschreiben können.“
    • AfD(5 Sitze) Die AfD-Kreistagsfraktion spricht von einem „überteuerten Prestigeprojekt des Landrats“ und will es ablehnen, so Josef Settele in seiner Antwort. Corona habe viele Arbeitsbedingungen verändert. Oberste Priorität habe die sparsame und sinnvolle Verwendung der Steuergelder. Viele Bürger würden durch die staatlichen Corona-Maßnahmen finanziell zugrunde gerichtet. Ein Bauprojekt ohne erkennbaren Nutzen, bei dem die Kosten wegen der steigenden Materialpreise explodieren würden, sei nicht mehr vermittelbar. Es brauche Mut zu neuen Organisationsformen und eine bessere IT-Infrastruktur. Zulassungsstelle, Ausländer- und Jugendamt sollten in gut erreichbaren Gebäuden in der Aichacher Innenstadt untergebracht werden, schlägt die AfD vor.
    • ÖDP(3 Sitze) Die ÖDP-Fraktion ist gegen den Erweiterungsbau, weil angemietete Büroflächen dem Landkreis günstiger kommen und dem jeweils benötigten Bedarf angepasst werden könnten. Fraktionschefin Berta Arzberger kritisiert, dass es kein Personalentwicklungskonzept für die kommenden Jahre gebe und der Personalzuwachs in der vergangenen und dieser Periode enorm sei. Auch nach der Erweiterung könnten nicht alle Sachgebiete an einem zentralen Ort untergebracht werden. Es werde weiterhin Außenstellen geben müssen.
    • Unabhängige (3 Sitze) Die Unabhängigen unterstützen nach Auskunft ihres Fraktionsvorsitzenden Mathias Stößlein nach wie vor die Erweiterung. Sie können aber nicht verstehen, dass alternative Baumodelle, die laut einhelliger Meinung von Experten deutlich günstiger gekommen wären, nicht rechtzeitig geprüft wurden und damit das Projekt nun teurer werde. Die Verwaltung habe sich anscheinend mit den von anderen Landkreisen (Dachau, Ostallgäu usw.) genutzten Einsparvarianten nicht konstruktiv beschäftigt. Die Unabhängigen kündigen an, in der Sitzung einen eigenen Beschlussvorschlag einzubringen.

    Lesen Sie dazu auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden