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Aichach-Friedberg: Suche nach Atommüll-Endlager: Aichach-Friedberg ist vorn dabei

Aichach-Friedberg

Suche nach Atommüll-Endlager: Aichach-Friedberg ist vorn dabei

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    Wohin mit dem Atommüll in Deutschland? Diese Frage ist bis heute ungeklärt – und bis ein Standort gefunden ist, wird es noch dauern.
    Wohin mit dem Atommüll in Deutschland? Diese Frage ist bis heute ungeklärt – und bis ein Standort gefunden ist, wird es noch dauern. Foto: Sebastian Kahnert, dpa

    Wenn der Landkreis jetzt nicht nur im Sprachgebrauch, sondern auch ganz offiziell „Wittelsbacher Land“ heißen würde, dann wäre es vielleicht völlig untergegangen. Unter ferner liefen sozusagen. Aber Aichach-Friedberg liegt vorn, ganz vorn, auf Platz eins – „Erster“ unter 71 Landkreisen und 25 kreisfreien Städten in ganz Bayern. Konkret zum Beispiel bei der höchsten Geburtenrate mit 1,81 Kindern pro Frau im Jahr 2017. Auf alle Fälle liegt „AIC“ alphabetisch in Führung – immer, generell. Konsequenz: Aichach-Friedberg wird in der am Montag veröffentlichten Liste der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) plakativ an erster Stelle im Freistaat aufgeführt, wenn es um einen möglichen Standort für hoch radioaktiven Atommüll geht.

    Atomkraft: Das ist der Stand in Frankreich und Deutschland

    Frankreich: Neben dem Atomkraftwerk in Fessenheim möchte Frankreich bis 2035 sieben weitere Reaktoren vom Netz nehmen. Der Energiekonzern EDF selbst hatte Anfang des Jahres vorgeschlagen, die Abschaltungen zu prüfen, hieß es im Frühjahr aus dem französischen Umweltministerium.

    Frankreich: Demnach sollte die Schließung von Reaktoren an den Standorten Blayais, Bugey, Chinon, Cruas, Dampierre, Gravelines und Tricastin überprüft werden. In der Nähe zu Deutschland befindet sich keiner davon. Da die Kernkraftwerke über jeweils mehrere Reaktoren verfügen, würde der Schritt keine komplette Schließung der Anlagen bedeuten.

    Deutschland: Die Bundesrepublik setzt noch stärker auf einen Abschied aus der Atomenergie. Die drei jüngsten Reaktoren werden spätestens 2022 abgeschaltet, Block C in Gundremmingen (Kreis Günzburg) Ende 2021.

    Deutschland: Erstmals hat Ende Mai 2020 der Anteil erneuerbarer Energien an der eingespeisten Strommenge in Deutschland den aus konventionellen Energieträgern wie Kohle und Atomkraft übertroffen. Im ersten Quartal des laufenden Jahres wurden nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes 72,3 Milliarden Kilowattstunden Ökostrom ins Stromnetz eingespeist.

    Deutschland: Damit stieg die Strommenge aus erneuerbaren Energien im Vergleich zum ersten Quartal 2019 um fast 15 Prozent auf einen Anteil von 51,2 Prozent der insgesamt eingespeisten Strommenge. Den höchsten Anstieg verzeichnete dabei mit 21,4 Prozent Strom aus Windkraft. Vor allem der Kohlestromanteil war mit minus 33,4 Prozent deutlich niedriger als in den ersten drei Monaten des Vorjahres.

    Da möchte das Wittelsbacher Land unter Garantie nicht vorangehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch tatsächlich so kommt, tendiert in Wahrheit aber auch gegen Null. Für Deutschland wird ein Lagerplatz gesucht und insgesamt gibt es 90 sogenannte Teilgebiete (die meist mehrere Landkreise und Städte betreffen), die nach Erkenntnissen der BGE auf Grundlage von Daten aus den Ländern günstige geologische Voraussetzungen für ein Endlager vorweisen. Das ist mehr als die Hälfte der gesamten Fläche der Republik und es gibt garantiert deutlich bessere Standorte als die Region zwischen Lech und Weilach.

    Nicht nur Aichach-Friedberg in der "näheren Auswahl"

    Allein in Bayern sind nach der ersten Auswahlstufe fast Zweidrittel „in der näheren Auswahl“ – was kein enges Kriterium ist. Die für das Suchverfahren zuständige Bundesgesellschaft weist nämlich in ihrem ersten Zwischenbericht sieben Teilgebiete in Bayern aus, die 76 Landkreise und kreisfreie Städte (von insgesamt 96) und eine Fläche von fast 42000 Quadratkilometern umfassen. Insbesondere für das Wirtsgestein Granit, die liegen nördlich der Donau, werden weite Teile des Landes als potenziell geeignet ausgewiesen, aber auch bayerische Regionen mit Tonvorkommen sowie ein kleiner Abschnitt mit Salz in Unterfranken finden sich in der Auflistung der 90 Teilgebiete wieder. Im Landkreis wird Ton seit Jahrhunderten für die Ziegelherstellung abgebaut. Aktuell betreibt die Firma Schlagmann eine Tongrube bei Oberbernbach (Stadt Aichach) und auch zwischen Dasing und Friedberg im Ödholz (südlich der B300) wird das Erdmaterial ausgebaggert. Laut BGE-Erkundung sind Flächen im nordwestlichen Landkreis zwischen Autobahn und B300 grundsätzlich geeignet.

    Wie Deutschland die Energiewende plant

    Konzept: Atom- und Kohlestrom raus, erneuerbare Energien rein: Deutschland will zugunsten von Klima und Umwelt den Versorgungsmix in den kommenden Jahren massiv verändern. Bekannt geworden ist das Thema unter dem Schlagwort Energiewende. Während fossile Brennstoffe wie Kohle, aber auch Gas und Öl den Treibhauseffekt verstärken oder Atomenergie ein Risiko für Umwelt und Gesundheit der Menschen darstellt, erhofft man sich von alternativen Energieträgern eine nachhaltige Versorgung mit Strom und Wärme.

    Ausstieg: 2018 endete deshalb in Deutschland der Bergbau unter Tage, 2022 soll das letzte deutsche Atomkraftwerk abgeschaltet werden, 2038 die verbliebenen Kohlekraftwerke. Ziel des Umweltbundesamtes ist es, dass Deutschland bis 2050 ausschließlich mit erneuerbaren Rohstoffen wie Wind- oder Sonnenenergie versorgt werden kann.

    Kohlekompromiss: Im Januar 2020 hatte die Bundesregierung den Kohlekompromiss beschlossen, mit dem der Fahrplan für den Kohleausstieg festgelegt wird. Jährlich solle dabei Steinkohle-Leistung vom Netz gehen, Betreiber, die sich bis 2026 zurückziehen, erhalten dafür eine Entschädigung.

    Aus Bayern sind somit nicht nur wie erwartet die mächtigen Granitvorkommen in Oberfranken, der Oberpfalz und in Niederbayern an der Grenze zu Tschechien zwischen Fichtelgebirge und Bayerischem Wald in der nächsten Auswahlstufe. Das identifizierte Teilgebiet umfasst darüber hinaus weite Teile des Landes nördlich einer Linie von Augsburg und Landshut. Eine Überraschung ist, dass nicht nur das Tongebiet um Ulm, sondern auch Flächen in Oberbayern in der Nähe von Rosenheim im Rennen sind. Bis 2031 soll ein Standort für das Endlager gefunden werden, ab 2050 soll es den Betrieb aufnehmen.

    Atommüll-Endlager: Die Stadt Augsburg steht auch auf der Liste

    Unterfranken, Oberfranken, Mittelfranken, Oberpfalz und Niederbayern ist komplett in der Auswahl, Schwaben in etwa zur Hälfte. Auch Oberbayern ist massiv betroffen. Auf der Liste stehen die Nachbarlandkreise Pfaffenhofen, Neuburg-Schrobenhausen, Donau-Ries und Augsburg, aber auch die Städte Ingolstadt und Augsburg, was jetzt durchaus schwer vorstellbar ist. Nicht erwähnt werden dagegen die weiteren Nachbarkreise Dachau, Fürstenfeldbruck und Landsberg.

    Laut Landratsamtssprecher Wolfgang Müller hatte keine Stelle bislang „Kontakt zu diesem Thema“. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung sei nicht auf die Aichacher Behörde zugekommen. Die Grünen finden es gut, dass das Thema durch die Endlagersuche in betroffenen Gebieten schlagartig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werde, teilt Kreissprecher Stefan Lindauer mit: Niemand wolle gern Atommüll vor der eigenen Haustüre haben, aber „wir müssen nun Verantwortung tragen“. Lindauer: „Dies bedeutet, dass wir uns an der aktiven und konstruktiven Suche nach einer Lösung für unseren Atommüll beteiligen müssen.“

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