Sie fehlt an allen Ecken und Enden: Schutzausrüstung gegen das Coronavirus. Kliniken klagen über zu Ende gehende Vorräte, Arztpraxen rufen nach Nachschub. Inzwischen nähen fleißige Frauen kunterbunt-fröhlichen Mundschutz aus Stoff. Im Internet gibt es Bastelanleitungen für alternative Masken, zum Beispiel aus Kaffeefiltern oder Staubsaugerbeuteln. Und in Österreich herrscht nun in Supermärkten Schutzmaskenpflicht. Zusammen mit Fachleuten klären wir, was von den Schutzmasken zu halten ist und wie man richtig damit umgeht.
Sollte eine Maskenpflicht wie in Österreich auch in deutschen Supermärkten gelten?
Dr. Friedrich Pürner, Leiter des Gesundheitsamtes Aichach-Friedberg, ist Epidemiologe. Er kennt sich aus mit Schutzausrüstung. Atemschutzmasken für alle sind aus seiner Sicht nur unter einer Bedingung sinnvoll: „Es müssten alle damit umgehen können.“ Und das ist kaum vorstellbar. Denn: Der Träger darf die Maske beim Ausziehen zum Beispiel nicht mehr berühren.
Mundschutz: So schützen Sie sich richtig
Wie geht man mit der Maske richtig um und wie zieht man sie richtig aus?
Bei einem Pressegespräch im Landratsamt in Aichach demonstriert Epidemiologe Pürner die umständliche Handhabung. Der Profi packt die Maske an den Gummibändern hinter den Ohren, nimmt sie sehr vorsichtig ab, streckt die Arme weit von sich und wirft sie zu Boden. Keinesfalls greift er die Maske vorne an, wo eventuell vom Filter abgefangene Viren sitzen. Pürner kennt die Gefahr für den Laien: „Man wird den Schutz runternehmen mit der Hand und dann hat man’s an den Fingern.“
Wer sich geschützt wähnt, wird stattdessen völlig unabsichtlich das Virus in der ganzen Wohnung verteilen oder sich beim intuitiven Griff ins Gesicht selbst infizieren. Die Sicherheit von Atemschutzmasken kann also trügerisch sein. Dafür gibt es noch einen zweiten Grund. Nicht jede Maske ist virusabwehrtauglich.
Welche Masken schützen denn den Träger wirklich vor den Viren?
Nicht jede Mundschutzmaske schützt ihren Träger automatisch vor einer Ansteckung. Unterschieden wird zwischen einem Mund-Nase-Schutz (MNS) und partikelfiltrierenden Atemschutzmasken (FFP). In partikelfiltrierende Atemschutzmasken sind Filter eingebaut, die selbst feinste Partikel aus der Luft auffangen. Nach aufsteigender Dichte wird nach Kategorien von eins bis drei unterschieden. Um sich effektiv vor Viren zu schützen, ist eine FFP2-Maske notwendig. Ärzte und Pfleger, die viel Kontakt mit Infizierten haben, benötigen eine FFP3-Maske. Masken der ersten Kategorie schützen etwa vor Feinstaub.
Corona-Virus: Wie lange kann eine Maske getragen werden?
Auch nach Auskunft Pürners gewährleisten die FFP-Masken einen Schutz des Trägers. Die sollten aber medizinisch ausgebildetem Personal für die Behandlung infektiöser Patienten vorbehalten sein, findet er. Diese Masken passen sich der Gesichtsform an. Für Bartträger sind sie nicht geeignet. Und der Fachmann weiß: Nach zwei Stunden Arbeit mit einem solchen Schutz vor dem Gesicht sei der Träger relativ erschöpft. Das gilt übrigens auch für das Material. Die Filterwirkung lasse dann nach.
Ist der bekannte Mund-Nasen-Schutz, der als OP-Maske bekannt ist, eine Alternative für den Otto Normalverbraucher?
Laut Pürner sind die OP-Masken „definitiv kein Schutz vor Viren“ für den, der sie trägt. Da er Mund und Nase nur stellenweise abdichtet, ist der Mund-Nase-Schutz nicht dafür geeignet, sich selbst Viren vom Leib zu halten, sagen Fachleute. Der Träger schütze allerdings seine Umwelt, wenn er zum Beispiel bei Schnupfen niese, berichtet Pürner. Eine Filterwirkung für ihn selbst sei aber nicht gegeben, warnt der Mediziner. Es ist dennoch ratsam, dass Kranke oder Infizierte solche Masken tragen. Dann besteht zumindest eine Chance, dass Viren oder zumindest ein Teil davon zurückgehalten werden. Fachleute berichten auch, dass ein Mund-Nase-Schutz hilft, wenn man sich mit einer möglicherweise kontaminierten Hand an Nase oder Mund fasst. Eine Garantie geben die dünnen Masken aber nicht.
Wie häufig sind Masken zu wechseln?
Viele MNS-Masken können bei 90 Grad gewaschen und anschließend wieder benutzt werden. Ist das nicht möglich, müssen die Masken anschließend entsorgt werden – wegen der Durchfeuchtung wirken sie nicht mehr. FFP-Masken sollten alle zwei Stunden gewechselt werden. Wegen der aktuellen Knappheit wird aber eine Tragezeit von bis zu acht Stunden empfohlen.
Dann wären da noch die Masken aus der Schneiderwerkstatt, wie sie derzeit unter den Händen fleißiger Näherinnen entstehen. Was ist davon zu halten?
Ähnlich wie bei der OP-Maske schützt der Stoff allenfalls die Umwelt weitgehend vor Niesern, berichtet Epidemiologe Pürner. Stoff ist virendurchlässig, egal welcher Art er ist. Eine bessere Wirkung werde bei zwei verschiedenen Stoffarten erzielt, die gegenseitig statisch reagieren. Aber: „Einen wirklichen Schutz geben sie nicht“, sagt der Fachmann zu Stoffmasken. Ihren Wert stuft er eher psychologischer Natur ein. Wenn Helfer Stoffmasken geschenkt bekämen, sei das „sicher nett und ein Zeichen der Solidarität“. Einen garantierten Nutzen aber hätten sie nicht. Dass fleißige Handarbeiterinnen gerade engagiert Masken en masse nähen, kann Pürner dennoch gut verstehen.
Die Gefahr durch das Coronavirus lässt sich nicht sehen und nicht greifen. Der Mensch brauche dann das Gefühl: „Das hilft mir.“ Angela Hammerl, Fachberaterin für psycho-soziale Betreuung am Landratsamt Aichach-Friedberg, weiß um die Bedeutung von Aktivitäten gegen das Virus. „Ich habe wenigstens das Gefühl, dass ich was tun kann.“ Auch die Fachleute der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind der Meinung, dass man sich mit selbst gebastelten Masken in falscher Sicherheit wiegt und deshalb die geläufigen Vorsichtsmaßnahmen – etwa Abstand halten oder Hände waschen – vernachlässigen könnte. Viele Ärzte halten aber jede Art von Schutz vor Mund oder Nase für sinnvoll – allein schon, um andere wenigstens ein bisschen zu schützen.
Wie soll ich mich verhalten, wenn die wenigsten Masken etwas bringen?
Unter dem Strich ist Epidemiologe Pürner aus den genannten Gründen skeptisch, was die Wirkung einer Mundschutzpflicht anbelangt, wie sie derzeit diskutiert wird. Seine Empfehlung lautet deshalb: „Genügend Abstand halten. Das muss ausreichen.“ Denn einen Star-Wars-Helm mit Plastik-Visier wird nicht jeder zu Hause haben. Das wäre – rein von der Wirkung her beurteilt – bei Fachmann Pürner das Mittel der Wahl.
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