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Aichach-Friedberg: Reichsbürger in Untersuchungshaft bedroht den Landrat

Aichach-Friedberg

Reichsbürger in Untersuchungshaft bedroht den Landrat

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    Aufregung am Landratsamt: Ein mutmaßlicher Reichsbürger soll zwei Personen aus dem Haus bedroht haben - darunter Landrat Klaus Metzger.
    Aufregung am Landratsamt: Ein mutmaßlicher Reichsbürger soll zwei Personen aus dem Haus bedroht haben - darunter Landrat Klaus Metzger. Foto: Erich Echter

    Seit Ende November sitzt er schon in Untersuchungshaft, nun kommt zur ersten Anklage noch eine zweite dazu: Nicht nur der Generalstaatsanwaltschaft München soll ein mutmaßlicher Reichsbürger, der bis vor Kurzem noch im Landkreis Aichach-Friedberg lebte, in einem Brief massiv mit der Hinrichtung gedroht haben. Auch zwei Personen im Landratsamt erhielten wohl ein ähnliches Schreiben vom 51-Jährigen, wie Wolfgang Müller, Sprecher des Landratsamts, auf Nachfrage unserer Redaktion bestätigt. Und bei einem der beiden handelt es sich nach Auskunft von Walter Hell, Leiter des Aichacher Amtsgerichts, sogar um Landrat Klaus Metzger persönlich.

    Der 51-Jährige, der der Reichsbürger-Szene zugeordnet wird, soll Klaus Metzger in seinem Brief vom September als "Nazi" beleidigt und ihm und einem weiteren Mitarbeiter des Landratsamts mit dem Tode gedroht haben. Beide würden hingerichtet oder inhaftiert werden, habe der Mann schriftlich angekündigt – so steht es Hell zufolge sinngemäß in der Anklageschrift. Landrat Klaus Metzger selbst wollte sich nicht zu dem Vorfall äußern.

    Die Polizei nahm den Reichsbürger mit sechs Mann fest

    Dabei ist es nicht das erste Mal, dass sich der Angeklagte mit derartigen Vorwürfen konfrontiert sieht. Schon im April soll sich der 51-Jährige, der bereits eine lange Vorstrafenliste hat und in den vergangenen Jahren unter anderem wegen zahlreicher Gewaltdelikte aufgefallen war, mit einem Schreiben an die Mitarbeiter der Münchner Generalstaatsanwaltschaft gewandt haben. Auch diesen habe er gedroht: Sie würden die "Naziregierung" schützen und stützen und würden bald hingerichtet werden und es werde ihm eine Freude sein, daran mitzuwirken, wie es laut Gerichtssprecherin Daniela Lichti-Rödl sinngemäß in dieser ersten Anklage heißt.

    Für dieses Schreiben sollte sich der mutmaßliche Reichsbürger, der inzwischen nach Nordschwaben gezogen ist, eigentlich im November am Amtsgericht Aichach vor Strafrichter Walter Hell verantworten. Weil er aber zur Sitzung nicht erschien, erließ der Richter einen Vorführbefehl gegen den Angeklagten. Die Polizei nahm ihn daraufhin mit sechs Mann in einer aufsehenerregenden Aktion in einem Mehrfamilienhaus in Donauwörth fest. Dabei wehrte sich der vielfach Vorbestrafte vehement.

    Der Mann sitzt in Untersuchungshaft

    Zunächst reagierte er nicht auf das Klingeln an der Wohnungstür. Als die Beamten die Tür öffneten, hatte er sich bereits in einem Zimmer verschanzt. Die Polizisten mussten eigenen Angaben zufolge die Tür eintreten. Der 51-Jährige habe sich in der Folge massiv zur Wehr gesetzt. Vier Beamten sei es mit vereinten Kräften gelungen, den Tobenden zu fixieren und zu fesseln. Der Mann aber gab noch immer keine Ruhe, beleidigte und bedrohte die Polizisten. Der 51-Jährige ließ sie wissen, er hätte sie "umgelegt", hätte er eine Waffe zur Hand gehabt. "Das war glücklicherweise nicht der Fall", hieß es nach dem Einsatz im Pressebericht der Donauwörther Polizeiinspektion.

    Reichsbürger, Germaniten, Identitäre - Die Szene der Staatsverweigerer

    Die Bewegung der Staatsverweigerer ist sehr heterogen. Sie umfasst mehrere sektenartige Gruppen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen, die seit den 1980er-Jahren entstanden und untereinander zerstritten sind.

    Nur in einem sind sie sich einig: Deutschland sei kein echter Staat, das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 bestehe fort.

    Die Gruppen haben keine feste Organisationsstruktur.

    Die erste bekannte Organisation von „Reichsbürgern“ wurde 1985 als „Kommissarische Regierung des Deutschen Reiches“ gebildet. Gründer war Wolfgang Gerhard Günter Ebel, ein Westberliner Eisenbahner, der sich fortan „Reichskanzler“ nannte.

    Die Anhänger sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab.

    Ein Schwerpunkt in der Region ist das Allgäu. Doch bayernweit nehmen die Zahlen der "Reichsbürger" zu. Derzeit sind knapp über 300 Personen im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West als „Reichsbürger“ eingestuft.

    Die Germaniten wurde im Dezember 2010 von einer gewissen Ulrike Kuklinski auf der Schwäbischen Alb gegründet.

    Sie sieht sich als Opfer der deutschen Justiz und bildete mit Gleichgesinnten die Behindertenfürsorge „Deutsche Ringvorsorge“, die Keimzelle des „Staates Germanitien“.

    Die Bewohner verstehen sich allen Ernstes als souveränes Staatsvolk mit einem eigenen Staatsgebiet in den Grenzen von 1937.

    Der Ursprung der Identitären Bewegung liegt in Frankreich, wo sie zu Beginn des Jahrhunderts im Dunstkreis des Front National entstand. Sehr aktiv ist die IB in Österreich, neuerdings auch in Bayern.

    Sie ist ethnopluralistisch – jede Ethnie soll ihren eigenen Raum haben – und geht von einer geschlossenen „europäischen Kultur“ aus, die vor allem vom Islam bedroht sei. Für Experten ist die IB eine neue Form des Rechtsextremismus. (hogs, sohu)

    Seitdem sitzt der mutmaßliche Reichsbürger, der offenbar den deutschen Staat in seiner derzeitigen Form ablehnt, in Untersuchungshaft. Im Moment läuft noch die Frist, innerhalb derer er zur zweiten Anklage Stellung beziehen kann. Erst danach wird Hell zufolge ein neuer Sitzungstermin festgelegt. Doch das könnte noch nicht alles gewesen sein für den 51-Jährigen. Denn auch eine dritte Anklage droht ihm seit der Verhaftung im November. Und zwar wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, so Richter Hell. (mit wwi)

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