Über ein halbes Jahr war er erfolgreich, der Kampf gegen die Zahl 21 im Wittelsbacher Land. Seit dem Frühjahr verharrte der Wert der Todesfälle im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie bei 20. Tag für Tag stemmte sich das medizinische Personal im Landkreis dagegen, dass der Wert weiter steigt, behandelte und heilte etliche Corona-Patienten. Nun ist Fall 21 eingetreten: Eine 82-jährige Frau ist am Wochenende mit einer Corona-Infektion im Aichacher Krankenhaus gestorben. Dort wächst die Sorge vor einem weiteren, massiven Anstieg der Infektionen.
Landratsamtssprecher Wolfgang Müller betont, die 82-jährige Patientin sei nicht an, sondern mit dem Coronavirus gestorben. Doch die Infektionszahlen steigen weiter, und mit ihr die Wahrscheinlichkeit schwerer Krankheitsverläufe. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag am Montag laut Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) bei 185,66. Der Wert gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohnern in den vergangenen sieben Tagen positiv auf Corona getestet worden sind. Die Inzidenz liegt seit etwa zwei Wochen in Aichach-Friedberg deutlich über dem Grenzwert von 50. Sie steigt beinahe kontinuierlich - und mit ihr die Belastung im Krankenhaus Aichach, wo alle Covid-19-Fälle der Kliniken an der Paar versorgt werden.
Corona-Fälle im Krankenhaus Aichach: "Die Lage spitzt sich zu."
"Seit Ende vergangener Woche spitzt sich die Lage wieder zu", sagt Hubert Mayer, Geschäftsführer der Kliniken an der Paar, im Gespräch mit unserer Redaktion. "Im Frühjahr, das war eine kleine Welle. Jetzt haben wir die große Welle." Mayers Angaben zufolge werden - neben mehreren Verdachtsfällen - derzeit 19 Corona-Patienten in Aichach behandelt. Sechs Patienten liegen auf der Intensivstation und müssen beatmet werden: vier invasiv, zwei nicht-invasiv. Das Durchschnittsalter der Intensiv-Patienten liege bei rund 61 Jahren, die Streuung sei groß. "Im Grunde spiegelt sich jetzt bei uns der dramatische Anstieg der Infektionszahlen vor zehn Tagen wider", erklärt Mayer. Am vergangenen Donnerstag habe man noch einen Corona-Patienten vom Universitätsklinikum Augsburg übernehmen können. Eine ähnliche Anfrage im Lauf des Montags habe man nun ablehnen müssen.
Mit Blick auf die technische Ausstattung und Stand jetzt sei das Aichacher Krankenhaus den Anforderungen der Corona-Pandemie gewachsen, ist Mayer überzeugt. Man habe Lehren aus der ersten Corona-Welle gezogen, "wir haben zum Beispiel deutlich mehr Schutzausrüstung als damals zur Verfügung und wissen besser, wie Patienten behandelt werden können. Mit Blick auf die Versorgung mit Medikamenten leben wir aber nach wie vor von der Hand in den Mund." Ein weiteres Problem: die Personalsituation. "Mit dem Regelpersonal in den Intensivstationen können wir nicht viele weitere beatmete Patienten versorgen." Mehrere Mitarbeiter aus der Klinik in Friedberg unterstützten deshalb inzwischen ihre Kollegen in Aichach. Die Maßnahme ist Teil eines Vier-Stufen-Plans, den die Kliniken an der Paar entwickelt haben. Momentan befinde man sich in Stufe zwei, sagt Mayer. Das bedeutet: Elektive, also nur wenig dringliche Eingriffe werden reduziert.
Stufe drei ist ab acht zu beatmenden Corona-Patienten erreicht. "Dann werden die regulären Kapazitäten auf einen OP-Tisch reduziert, die restlichen Kapazitäten werden für Corona-Patienten verwendet. Auch in Friedberg fahren wir dann die elektiven Behandlungen zurück", erklärt Mayer. Ein "kritischer Wert" sei in Aichach bei zehn zu beatmenden Patienten erreicht. "Wir gehen davon aus, dass der Höhepunkt der Pandemie noch kommt. Unsere Mitarbeiter gehen besorgt in diesen Herbst." Notfälle würden jedoch auf jeden Fall weiterhin behandelt, betont Mayer. Situationen, in denen Ärzte wegen fehlender Kapazitäten entscheiden müssten, wer behandelt wird und wer nicht ("Triage"), sieht Mayer noch nicht kommen. "Davon sind wir weit entfernt. Und ich hoffe, dass wir es bleiben."
Warum steigen die Corona-Fälle im Landkreis Aichach-Friedberg rapide an?
Im Wittelsbacher Land sind in der vergangenen Woche bis zum 1. November 250 Menschen positiv auf Corona getestet worden - das ist rund ein Viertel der Fälle, die seit Anfang März im Landkreis registriert wurden. Als Kontaktpersonen befinden sich momentan vorsorglich 623 Menschen in Quarantäne (Stand: 30. Oktober). Mit der 82-Jährigen sind nun 21 Menschen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ums Leben gekommen, 17 von ihnen waren Bewohner des AWO-Heims in Aichach. Inwiefern Corona für den Tod eines Menschen unmittelbar ursächlich ist, ist nach Angaben von Krankenhaus-Geschäftsführer Hubert Mayer im Einzelfall nur schwer zu klären – insbesondere bei Patienten mit Vorerkrankungen.
Aktuell ist in der Mittelschule Aichach sowie in der Grundschule Friedberg-Süd wegen jeweils eines positiv getesteten Schülers jeweils eine Klasse in Quarantäne. Auch in der Mittelschule Friedberg ist ein Schüler positiv auf Corona getestet worden. Hier laufen die Ermittlungen noch. In der Asylunterkunft in Aichach sind inzwischen 14 Personen positiv getestet.
Einen genauen Grund, warum die Fälle in jüngster Vergangenheit so stark gestiegen sind, kann das Landratsamt nicht erkennen. Es handele sich weiterhin um Einzelfälle, nicht um einen großen Ausbruch, erklärt Landratsamts-Sprecher Müller. "Es sind halt sehr viele Einzelfälle." Inzwischen kann das Gesundheitsamt allerdings laut Müller bei der Mehrheit der Corona-Fälle nicht mehr nachvollziehen, wo sich die Personen angesteckt haben. Das ist auch deutschlandweit ein Trend. Das Robert-Koch-Institut gibt an, dass nur ein Viertel aller Corona-Fälle in den Landkreisen auf einen eindeutigen Ansteckungsort zurückgeführt werden kann.
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