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Aichach-Friedberg: Luftreiniger für alle weiterführenden Schulen im Landkreis

Aichach-Friedberg

Luftreiniger für alle weiterführenden Schulen im Landkreis

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    Für alle Klassenzimmer und Fachräume der weiterführenden Schulen im Landkreis Aichach-Friedberg, in denen keine  Entlüftungsanlagen installiert sind, werden mobile Luftreiniger angeschafft.
    Für alle Klassenzimmer und Fachräume der weiterführenden Schulen im Landkreis Aichach-Friedberg, in denen keine Entlüftungsanlagen installiert sind, werden mobile Luftreiniger angeschafft. Foto: Sven Hoppe/dpa

    Förderschülerinnen, Berufsschüler, Wirtschaftsschülerinnen oder Realschüler – der Landkreis Aichach-Friedberg ist zuständig für derzeit insgesamt rund 7500 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene an den vier Realschulen, drei Gymnasien, zwei Förder- und zwei Berufsschulen, der Beruflichen Oberschule Friedberg, der Wirtschaftsschule Pöttmes sowie den Berufsfachschulen. Sie alle sollen auch bei einer möglichen vierten Corona-Welle im Herbst weiter im Präsenzunterricht bleiben können. Der Kreis nimmt dazu viel Geld in die Hand und will für knapp 2,65 Millionen Euro mobile Luftreiniger beschaffen. Große Begeisterung war in der Sitzung des Kreistags bei der Diskussion allerdings überhaupt nicht zu spüren – zu groß sind für viele die Unsicherheiten, zu hoch die Kosten und zu tief die Verärgerung über die Vorgeschichte.

    Trotz des nahezu einstimmigen Beschlusses waren jedenfalls nicht alle Kreistagsmitglieder restlos überzeugt von ihrer Entscheidung. Der Aichacher Bürgermeister Klaus Habermann (SPD) brachte das am deutlichsten zum Ausdruck: Er stimmte auch zu – aber sozusagen mit der Faust in der Tasche. Er sei regelrecht "unglücklich". Denn es gebe keine Garantie, dass trotz der hohen Investitionen Präsenzunterricht immer möglich sei. Keiner wisse, ob die teuren Geräte wegen Unwirksamkeit nicht irgendwann im Keller landen: "Klüger sind wir erst hinterher."

    Der Sprecher der Bürgermeister im Wittelsbacher Land fand es auch überhaupt nicht gut, dass mit der Beschaffung des Landkreises für seine weiterführenden Schulen der Druck auf die 24 Kommunen steigt, für Grund- und Mittelschulen und die Kinderbetreuungseinrichtungen nachzuziehen. Während sich der Landkreis das nötige Geld ja über die Kreisumlage holen könnte, blieben die Gemeinden, Märkte und Städte auf den Kosten sitzen.

    Kandler: Kinder und Jugendliche haben schon ein ganzes Schuljahr verloren

    CSU-Fraktionschef Peter Tomaschko sprach von einem "enormen Kraftakt" und rief Kreis und Gemeinden dazu auf, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Das tat das Kreistagsgremium dann mit einer Gegenstimme und mit einer Motivation, die SPD-Fraktionschef Hans-Dieter Kandler so auf den Punkt brachte: "Wir sind im Blindflug. Aber die Kinder und Jugendlichen haben schon ein ganzes Schuljahr verloren. Darum sind wir trotz offener Fragen in der Pflicht."

    Vor einem Jahr hat der Landkreis bereits 56 mobile Luftreiniger gekauft für Klassenzimmer und Fachräume, die nicht gelüftet werden können. Damals wurden die Kosten für die Geräte zu 100 Prozent vom Land übernommen. In der zweiten Runde gibt es nur noch maximal 50 Prozent Förderung vom Freistaat – was in den Kommunalparlamenten landauf, landab derzeit für Ärger sorgt. Der Vorwurf: Die Staatsregierung weckt bei Schulfamilie und Eltern hohe Erwartungen und übernimmt dann maximal die Hälfte der Ausgaben. Ein Ableger eines altbekannten Streits zwischen oben und unten, Landes- und Kommunalpolitik, der sich im Grundsatz und in Bayerisch so ausdrücken lässt: "Wer zahlt, schafft an" – beziehungsweise "Wer anschafft, muss zahlen". Das alles passiert jetzt im Schweinsgalopp bei einer Beschaffung in Corona-Zeiten, die ja schon mehrmals zu Goldgräber-Preisen und Verwerfungen geführt hat – siehe Masken, Schutzkleidung oder Tests.

    Bei den Reinigern ist der Kreis jetzt mit voraussichtlich rund 1,8 Millionen Euro Eigenanteil dabei, denn der Förderhöchstbetrag des Freistaats pro Raum ist auf 1750 Euro gedeckelt. Das heißt, die Förderung würde sich für Aichach-Friedberg nur auf rund 30 Prozent belaufen. Dazu kommen noch die Wartungs- und Stromkosten. In neuen Schulgebäuden sind bereits mechanische Be- und Entlüftungsanlagen installiert, die für Luftaustausch und Verringerung der Virenlast sorgen. Es gibt aber nach einer Abfrage der Kreisverwaltung bei allen weiterführenden Schulen neben den rund 60 bereits vorhandenen Geräten weiteren Bedarf für 460 Klassenzimmer und Fachräume.

    Die Reiniger arbeiten mit unterschiedlicher Technik. UV-Geräte bestrahlen die Viren, Hepa-Filter müssen regelmäßig gewechselt und fachgerecht entsorgt werden. Bei der Plasmatechnologie zieht die Raumluft durch ein elektrisches Hochspannungsfeld, das die Aerosole zerlegt. Sie werden an der Decke montiert, sind am leisesten und würden die Schüler kaum mehr belästigen, zerstreute Landrat Klaus Metzger Bedenken zum hohen Geräuschpegel, wenn so ein Gerät im Raum neben einem Schüler oder einer Schülerin steht. Das Umweltbundesamt habe die Wirksamkeit der Luftreiniger und die Senkung der Virenlast bestätigt, ging Metzger auch auf die generellen Bedenken von Kreistagsmitgliedern ein.

    Luftreiniger könnten im Herbst in Schulen in Aichach-Friedberg stehen

    Die Plasmageräte sind bei der Anschaffung am teuersten, sie verursachen aber auch mit Abstand die niedrigsten Folgekosten mit rund 8000 Euro im Jahr. Hepa-Filter sind dagegen wahre Stromfresser und würden im Betrieb fast 600.000 Euro im Jahr kosten. Dass die Plasma-Technologie mit Abstand die effizienteste ist und solche Geräte beschafft werden sollen, war gar nicht mehr Gegenstand der Diskussion. Die wurde bereits vorab im Bildungsausschuss des Kreistags geführt.

    Im besten Fall könnten die Luftreiniger schon Ende September in den Schulen stehen. Doch realistisch ist es nicht, obwohl die Kreisverwaltung auf die Tube drückt und direkt nach dem Beschluss eine europaweite Ausschreibung mit verkürzter Frist von zwei Wochen angestoßen hat. Die Technik ist dabei nicht festgezurrt, denn im Markt ist so viel Bewegung, dass ganz neue Entwicklungen nicht ausgeschlossen werden sollen. Um über die Sommerpause keine Zeit zu verlieren, entscheidet der Landrat allein über die Vergabe des Millionenauftrags. Der Kreistag hat ihn dazu ermächtigt. Die Lieferfrist beträgt weitere vier Wochen, allerdings nur, wenn die Reiniger auch lieferbar sind. Und weil derzeit alle bestellen, ist davon auszugehen, dass es Spätherbst wird, bis die mobilen Reiniger ihre Arbeit in den Unterrichtsräumen aufnehmen.

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