Der Landkreis Aichach-Friedberg ist zum zweiten Mal innerhalb von fünf Tagen Corona-Hotspot mit erhöhtem Infektionsgeschehen. Das Wittelsbacher Land hat erneut den Grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen überschritten – und das deutlich. Deshalb müssen auch Grundschüler weiterhin Masken tragen. Das gefällt nicht allen.
Am Donnerstagmorgen lag der Wert bei 60,9. Das teilte Wolfgang Müller, Pressesprecher des Landratsamtes, mit. Bereits am Sonntag hatte der Landkreis die 50er-Marke gerissen. In den vergangenen Tagen hatte die Sieben-Tage-Inzidenz knapp darunter gelegen. Da der Grenzwert am Sonntag überschritten wurde, gelten im Landkreis seit Montag strengere Corona-Regeln, und zwar bis auf Weiteres. Denn sie können erst zurückgenommen werden, wenn der Grenzwert sechs Tage in Folge unterschritten wird.
Experten aus dem Landkreis Aichach-Friedberg berieten stundenlang über die Maskenpflicht an Grundschulen
Zu den strengeren Regeln gehört die Maskenpflicht auch für Grundschüler während des Unterrichts. Am Mittwoch hatte der Landkreis erwogen, sie wieder abzuschaffen, entschied sich jedoch dagegen. Eine Runde, die unter anderem aus Landrat Klaus Metzger, dem Leiter des Gesundheitsamtes Dr. Friedrich Pürner, dem Geschäftsführer der Kliniken an der Paar Dr. Hubert Mayer, der Leiterin des Schulamts Ingrid Hillenbrand und Boris Peter, dem Leiter der Corona-Koordinierungsgruppe, bestand, beriet mehrere Stunden lang. Doch sie kam – übereinstimmend, so Müller – zu dem Ergebnis, dass es derzeit keine rechtliche Möglichkeit gibt, die Maskenpflicht für Grundschüler im Unterricht abzuschaffen.
Viele Eltern sind enttäuscht von der Entscheidung
Viele Eltern nahmen diese Entscheidung enttäuscht auf. Unter anderem auf der Facebook-Seite unserer Redaktion entspann sich seitdem eine kontroverse Diskussion. Zahlreiche Internetnutzer äußerten ihr Unverständnis, warum der Landkreis die Maskenpflicht beibehält, während München und mehrere bayerische Landkreise sie inzwischen wieder abgeschafft haben. Auch auf der offiziellen Facebook-Seite des Landrats Klaus Metzger äußern Eltern ihren Unmut.
Die Entscheidung ist bei Eltern umstritten. Während manche auf den größtmöglichen Schutz für ihre Kinder pochen, andere relativ gelassen damit umgehen, führen wieder andere gesundheitliche Probleme wie Kopfweh, Ermüdungserscheinungen und Hautausschläge ins Feld.
Manche Eltern erzählen von weinenden Kindern
Sonja Steinherr, Elternbeiratsvorsitzende an der Grundschule Affing, berichtet von geteilten Meinungen auch in diesem Gremium. So etwa am Mittwochabend in einer Videokonferenz via Internet. Manche Eltern hätten von weinenden Kindern erzählt, die nicht mehr mit Maske in die Schule gehen wollen. Andere sähen die Maskenpflicht entspannter. Ihre eigenen Kinder – eines an der Grundschule, eines an der Realschule – gehen ihr zufolge gelassen mit dem Thema um. Sie hätten pro Tag drei bis vier Masken dabei und wechselten sie, wenn sie feucht würden. „Das ist halt jetzt so. Ich hoffe aber, dass die Regeln bald entschärft werden“, so Steinherr.
Mancher Schulleiter hält sich aus der Diskussion lieber ganz heraus und winkt auf die Frage nach der Maskenpflicht ab. Tenor: „Da kann man sich nur in die Nesseln setzen.“ Johannes Klier, Leiter der Grund- und Mittelschule Kühbach, berichtet hingegen, die Kinder kämen „erstaunlich gut“ mit der Maskenpflicht klar. Sie verhielten sich „vorbildlich, auch viele Kleine“. Für sie sei die Maske eine Selbstverständlichkeit. „Die Möglichkeiten, die wir haben, um den Kindern Erholungsphasen zu bieten, nehmen wir wahr.“ Klier findet es vor allem gut, dass die Landratsämter Aichach-Friedberg und Augsburg sowie die Stadt Augsburg einen einheitlichen Standpunkt vertreten. Er hofft, dass mit den Auflagen der Präsenzunterricht möglichst lange aufrechterhalten werden kann.
Warum schaffen andere Landkreise die Maskenpflicht ab?
Die Kernfrage, die sich viele Eltern seit Mittwochabend stellen, lautet: Warum schafft unter anderem München die Maskenpflicht für Grundschüler im Unterricht ab und Aichach-Friedberg nicht? Wolfgang Müller, der bei der Diskussion im Landratsamt dabei war, sagt: „Man hat es sich alles andere als leicht gemacht.“
Auf die Frage, ob man die Maskenpflicht für Grundschüler abschaffen wolle, habe in der Runde „nahezu Einstimmigkeit“ geherrscht. So habe auch der Gesundheitsamtsleiter wie schon in der Vergangenheit betont, dass eine Maskenpflicht aus seiner Sicht fachlich nicht gegeben sei und Grundschulen bislang kaum zum Infektionsgeschehen beigetragen hätten. Einige Teilnehmer, die selbst Eltern seien, hätten berichtet, dass ihre Kinder sich durch die Masken nicht übermäßig beeinträchtigt fühlen.
Danach sei die entscheidende Frage besprochen worden: Kann der Landkreis die Abschaffung rechtlich umsetzen? Dazu muss man wissen, dass ein Drei-Stufen-Plan des Freistaats die Maskenpflicht an den Schulen abhängig vom Infektionsgeschehen regelt. Er lässt den Landkreisen durchaus gewisse Spielräume. Müller zufolge erließ jedoch der Freistaat am vergangenen Wochenende eine aktualisierte Verordnung, die den Stufenplan „sticht“. Erst am Donnerstag wies der Freistaat in einem Schreiben noch einmal darauf hin, dass diese Verordnung gelte und nichts anderes. In dem Schreiben heißt es: „Bei einer Überschreitung des Schwellenwertes „Inzidenz ab 50“ (= Stufe 3) besteht [...] ebenfalls automatisch Maskenpflicht auch am Platz in allen Jahrgangsstufen aller Schulen.“ Die Runde war sich laut Müller einig, dass es rechtlich keine Möglichkeit gibt, von dieser Verordnung auszuscheren.
Eine Ausnahme wäre nur möglich, wenn die Neuinfektionen auf ein klar eingrenzbares Ausbruchsgeschehen zurückzuführen seien wie im Frühjahr auf einem Spargelhof in Inchenhofen. Doch derzeit verteilten sich die positiv Getesteten über den gesamten Landkreis, so Müller. Außerdem seien Ausnahmen für Einzelfallregelungen möglich – aber eben nicht pauschal für alle Grundschulen im Landkreis. Auf diese Einzelfallregelung berufe sich beispielsweise die Stadt München. Deren Entscheidung will Müller nicht beurteilen. Doch er betont: Sobald die Klausel geöffnet werde, werde sich der Landkreis wieder mit dem Thema befassen. „Von der Sache her wäre das Gremium dafür, die Maskenpflicht aufzuheben.“
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