Startseite
Icon Pfeil nach unten
Aichach
Icon Pfeil nach unten

Aichach-Friedberg: Klinikchef: „Wir müssten selbst behandelt werden“

Aichach-Friedberg

Klinikchef: „Wir müssten selbst behandelt werden“

    • |
    Derzeit entsteht am Aichacher Krankenhaus ein millionenschweres neues Gebäude. Sorgen macht den Verantwortlichen ein neuer Gesetzentwurf. So befürchtet der Geschäftsführer der Kliniken an der Paar massive Folgen für Patienten und Personal.
    Derzeit entsteht am Aichacher Krankenhaus ein millionenschweres neues Gebäude. Sorgen macht den Verantwortlichen ein neuer Gesetzentwurf. So befürchtet der Geschäftsführer der Kliniken an der Paar massive Folgen für Patienten und Personal.

    Direkt neben dem Aichacher Krankenhaus wird gearbeitet. Über 47 Millionen Euro werden in den Neubau investiert. Die Baugrube ist ausgehoben, bis November soll die Gebäudehülle stehen. Die Arbeiten kann jeder, der will, jetzt mittels einer Baustellenkamera live im Internet mitverfolgen.

    Mit dem Baufortschritt ist Klinikchef Dr. Krzysztof Kazmierczak hoch zufrieden. Der Neubau in Aichach ist nach der Modernisierung in Friedberg ein weiterer Schritt, um die Kliniken an der Paar zukunftsfähig zu machen, das Defizit weiter zu senken.

    Trotzdem ist er frustriert. Der Grund dafür ist die Krankenhausstrukturreform, die die Bundesregierung diese Woche auf den parlamentarischen Weg gebracht hat. In den vergangenen Jahren habe man in Aichach und Friedberg viel geleistet, die Qualität erhöht, investiert. Man habe gutes Personal, einen guten Ruf, so der Klinikchef: „Es ist so viel Positives entstanden. Das ist jetzt gefährdet.“ Das Gesetz werde Patienten und Personal schlechter stellen.

    Kazmierczak: "Kliniken sind seit Jahren unterfinanziert"

    Ziel des Krankenhausstrukturgesetzes ist laut Bundeskabinett eine bessere Patientenversorgung, mehr Qualität. Das sei mit dem Gesetz aber nicht zu erreichen, sagt Krzysztof Kazmierczak. Seit Jahren werden die steigenden Kosten, zum Beispiel für Personal und Energie, nur teilweise erstattet, kritisiert Kazmierczak. „Die Kliniken sind seit Jahren unterfinanziert.“

    Das neue Gesetz löst dieses Problem nicht nur nicht, es verschärft die Situation sogar weiter, ist er überzeugt. Auch bei den Investitionen sieht er den Staat in der Pflicht. Die Kliniken an der Paar seien in der glücklichen Lage, dass sie ihren Neubau in Aichach bekommen. In den anderen deutschen Kliniken aber gebe es einen gewaltigen Investitionsstau.

    „Ich habe nichts gegen Qualitätsvorgaben“, betont Kazmierczak. Um die Patienten gut versorgen zu können, müssten die Kliniken aber mit den nötigen Ressourcen und Strukturen ausgestattet sein. Wenn etwa ein Haus Probleme mit der Hygiene habe, müsse man dort investieren und nicht Gelder streichen, nennt er ein Beispiel. Sonst könne man das Haus direkt zumachen.

    Dazu steigen die Anforderungen ans Personal. Das Durchschnittsalter der Patienten habe sich erhöht, das der Mitarbeiter selbst auch. „Ich bekomme eine Wut, wenn ich sehe, was die Mitarbeiter leisten; wie wertvoll diese Arbeit ist“, sagt Kazmierczak. „Die Politik muss ihnen Bedingungen bieten, unter denen sie auch gut arbeiten und die Patienten gut versorgen können“, betont Kazmierczak.

    Klinikchef: "Die Leute merken, dass sie verheizt werden"

    Schon jetzt wanderten Mitarbeiter ab, ist es schwierig Nachwuchs zu finden. „Die Leute merken, dass sie verheizt werden“, erklärt Kazmierczak. „Da muss uns die Bundesregierung einfach helfen.“ Das neue Gesetz aber werde die Kliniken eher dazu zwingen, wieder Stellen zu streichen.

    Zur geforderten Spezialisierung von Häusern sagt Kazmierczak: „Die Phase haben wir schon durch.“ Die Häuser in Aichach und Friedberg dienen der Grund- und Regelversorgung. Da, wo man Handlungsbedarf sehe, werde man aktiv, zum Beispiel in der Kardiologie.

    Für Aichach könnte eine weitere Spezialisierung zum Beispiel bedeuten, dass es dann keine Geburtshilfe mehr gibt, sagt der Klinikchef. „Dann gäbe es aber auch keine gynäkologische Notfallmedizin mehr 30 Kilometer um Augsburg herum.“ Dann könnte, zum Beispiel wenn Blutungen auftreten, nur der Notarzt oder eine weit entfernte Klinik helfen.

    In Gefahr sieht er auch die ambulante Notfallversorgung. Diese besteht aus drei Säulen: dem kassenärztlichen Bereitschaftsdienst, dem Notarzt und der Notaufnahme am Krankenhaus. Immer mehr Patienten kommen aber auch tagsüber direkt ins Krankenhaus, weil die Ärzte gerade im ländlichen Raum mehr als ausgelastet sind und sie in die Leistungsfähigkeit der Kliniken vertrauen. „Die kann ich nicht einfach wegschicken“, sagt Kazmierczak.

    Sorge vor noch schärferem Wettbewerb unter den Krankenhäusern

    Aber auch dieser Bereich sei eklatant unterfinanziert. „Wenn man sich aus der Notfallversorgung verabschiedet und nur die Dinge macht, die Geld bringen, dann kann das in der Großstadt funktionieren, aber nicht im ländlichen Raum.“

    Das Gesetz, fürchtet er, werde den Wettbewerb unter den Kliniken über die Finanzschiene verschärfen, obwohl man eigentlich mehr zusammenarbeiten müsste. „Wir sind dafür da, dass die Patienten gesund werden oder es ihnen zumindest besser geht“, sagt Kazmierczak. „Aber wir sind selbst ,krank‘ und bräuchten jemanden, der uns behandelt.“ Mit seiner Meinung ist Kazmierczak nicht allein. Die Bayerische Krankenhausgesellschaft und der Verband der Krankenhausdirektoren fordern, das Gesetz so nicht zu beschließen.

    Im Internet kann man den Baufortschrift am Krankenhaus Aichach per Baustellenkamera verfolgen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden