Desinfektionsmittel und Schutzmasken sind in Aichach-Friedberg bereits ausverkauft. Aus China werden Tausende Tote gemeldet; die Horrorszenen aus Italien, die später um die Welt gehen, stehen noch bevor. Das Gesundheitsamt Aichach-Friedberg warnt vor Hysterie. Doch dann - am 4. März, also vor einem Jahr - steht fest: Das neuartige Coronavirus ist da. An diesem Tag wird dem Landratsamt zufolge der erste Fall einer Covid-19-Erkrankung im Landkreis labormedizinisch bestätigt. In den Supermärkten kommt es zu Hamsterkäufen. Wohl kaum jemand ahnt damals, wie schnell das Virus das Leben auf den Kopf stellen wird.
Über 3500 Menschen werden seit dem 4. März 2020 bis heute im Landkreis positiv getestet. Mehr als 80 sterben. Die ersten drei bereits Ende März; darunter sind zwei Bewohner des Heims der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Aichach. Hier schlägt SARS-CoV-2 am dramatischsten zu: 17 Bewohner sterben an oder mit Corona. Gesundheitsamt und AWO-Bezirksverband erheben schwere gegenseitige Vorwürfe. Noch immer ermittelt die Staatsanwaltschaft, nachdem die Angehörige eines Verstorbenen Anzeige erstattet hat.
Corona bremst öffentliches Leben in Aichach-Friedberg in zwei Wochen aus
Im Nu bremst Corona das öffentliche Leben aus. Schon ab 16. März sind Schulen und Kitas dicht. In Bayern wird der Katastrophenfall ausgerufen. Er dauert bis Mitte Juni. Ab 17. März schließen Freizeiteinrichtungen, Gastronomie und große Teile des Einzelhandels. Die Bayerische Staatsregierung verhängt Ausgangsbeschränkungen.
Erst Ende April nimmt das öffentliche Leben wieder Fahrt auf. Der Einzelhandel freut sich über erste Lockerungen. Die Schüler kehren nach und nach in den Unterricht zurück. Friseure bändigen ab Mai die "Corona-Frisuren" ihrer Kunden. Mitte Mai nehmen Sportvereine wieder den Betrieb auf. Die Außengastronomie darf unter Auflagen öffnen.
100 positive Tests bei Lohner: Aichach-Friedberg wird Corona-Hotspot
Als knapp 100 Mitarbeiter der Lohner Agrar GmbH in Inchenhofen positiv getestet werden, wird Aichach-Friedberg im Juni vorübergehend bundesweiter "Corona-Hotspot". Das Unternehmen beendet vorzeitig die Spargelernte-Saison.
In den ersten zwei Wochen des neuen Schuljahres gilt Maskenpflicht für fast alle Schüler und Lehrer. Diese Auflage löst heftige Diskussionen aus. Im Herbst steigen die Corona-Zahlen wieder: Mitte Oktober über 50, Ende Oktober über 100 und in der ersten Novemberwoche auf den bisherigen Höchstwert von 228,7.
In diesen Wochen kommt es zu mehreren Protestaktionen in Aichach: Nachdem am 18. Oktober die Sieben-Tage-Inzidenz 50 überschreitet, gelten im Landkreis wieder strengere Auflagen. Dagegen protestieren zwei Tage zuvor die "Corona-Skeptiker Wittelsbacher Land" mit einem Fackelmarsch. Ende Oktober demonstrieren rund 25 Menschen vor der Sitzung des Stadtrats gegen die Maskenpflicht im Unterricht.
Wirbel um Versetzung von Gesundheitsamtsleiter Dr. Friedrich Pürner
Gesundheitsamtsleiter Dr. Friedrich Pürner wird kurzfristig eine neue Stelle zugeteilt. Er selbst spricht von "Strafversetzung", was die Bayerische Staatsregierung zurückweist. Pürner hat mehrfach Teile der bayerischen Corona-Politik kritisiert. Im Landkreis hat er deshalb Gegner wie auch Unterstützer. Vor dem Landratsamt demonstrieren rund 100 Menschen unter anderem gegen seine Versetzung. Inzwischen klagt er dagegen.
Es folgt ein Corona-Ausbruch im Heilig-Geist-Spital in Aichach. 14 Bewohner des Senioren- und Pflegeheims sterben an oder mit Corona. Unterdessen demonstrieren im November laut Polizei 800 Menschen am Aichacher Volksfestplatz gegen die Corona-Auflagen. Pürner wird als Held gefeiert. Die Großdemo mit teils umstrittenen Rednern wird organisiert von Querdenken Augsburg. Auch Dieter Geßler, krankgeschriebener Leiter des AWO-Heims, hält eine umstrittene Rede. Zwar als Privatperson, wie er betont. Dennoch distanziert sich die AWO umgehend von seinem Auftritt. Er selbst entschuldigt sich später. Auch in der FDP hat die Demo Folgen: Wenige Tage vorher tritt Patrick Kügle, Sprecher der "Corona-Skeptiker", als Stadtrat zurück und aus der FDP aus.
Zweiter Lockdown in Aichach-Friedberg zum Jahresende
Bald mehren sich die positiv Getesteten in weiteren Seniorenheimen, Kindergärten und Schulen. Das öffentliche Leben kommt mit dem später verschärften Teil-Lockdown ab November erneut zum Erliegen. Noch mehr Firmen als im Frühjahr schicken ihre Mitarbeiter ins Homeoffice oder schließen. Es gibt fast keine öffentlichen Veranstaltungen mehr, Sportvereine stellen den Betrieb wieder ein, Weihnachtsmärkte fallen aus. Es wird still im Wittelsbacher Land.
Mit dem Jahreswechsel keimt Hoffnung auf. Am Zweiten Weihnachtsfeiertag kommt in Dasing der erste Impfstoff an. Mobile Teams beginnen mit den Impfungen in Seniorenheimen. Ab Februar ist das Impfzentrum in Dasing in Betrieb. Ein zweites in Kissing folgt demnächst. Seit Ende Februar werden zudem in vier Kommunen Schnelltests angeboten.
Corona-Ausbruch am Krankenhaus Friedberg wird durch Medien öffentlich
In Schulen und Kitas kehrt nach und nach wieder Leben ein. Währenddessen wird durch Medien-Recherchen, darunter unsere Redaktion, ein Corona-Ausbruch am Friedberger Krankenhaus öffentlich bekannt - nachdem Landratsamt, Klinikleitung und Gesundheitsamt ihn zunächst abstreiten. Die Aufarbeitung, wie viele Menschen sich ansteckten, dauert an.
Die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis liegt in diesen Tagen stabil um die 20 oder sogar darunter. Friseure, Baumärkte und Gärtnereien sind seit dieser Woche wieder geöffnet. Weitere Geschäftsinhaber und Unternehmen hoffen, es ihnen bald nachtun zu können. Die Sehnsucht der Menschen nach Normalität wächst.
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