Seit zweieinhalb Wochen ist es auch in Bayern erlaubt, Produkte in eigentlich geschlossenen Geschäften telefonisch, per Internet oder über andere soziale Medien zu bestellen und dann vor Ort abzuholen. Zuvor mussten die Läden die Einkäufe ausliefern oder verschicken. Bei den Händeln im Raum Aichach kommt der Service Click & Collect (zu deutsch: im Internet bestellen und abholen) zwar gut an, er ist aber bei Weitem kein Ersatz für geöffnete Geschäfte. Derzeit könnten nur etwa bis zu zehn Prozent des normalen Umsatzes erwirtschaftet werden, heißt es von einigen Händlern.
Das bestätigt Ralph Lechner, Inhaber des Ladens Heimatsport Aichach, der auf Outdoor-Aktivitäten spezialisiert ist. "Wir sind sehr aktiv und halten viel Kontakt zu unseren Kunden, aber die Einnahmen sind trotzdem nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Lechner. Bei Lechner ist derzeit Winterliches gefragt, von Langlaufskiern über Eisspikes bis hin zum Bergschuh.
Sein Geschäft ist eines von 50 Unternehmen, die auf der Internetseite der Stadt Aichach www.aichach.de/click&collectunter dem Schlagwort "Wir halten zusammen" aufgelistet sind. Hier können die Bürger nachlesen, wo sie trotz Corona-Lockdown einkaufen können. Neben den Kontaktdaten erfahren sie hier, welches Geschäft welchen Service anbietet, also Lieferung, Abholung oder Versand. Der Oberbegriff "Click & Collect" beinhaltet dabei sämtliche Bestell- und Übergabeangebote, darunter auch die beliebte telefonische Bestellung.
Aichach: Einkaufserlebnis vor Ort fehlt im Lockdown
Martin Fischer ist Inhaber des Aichacher Bekleidungsgeschäfts Sandra Womenswear und Mitglied im Vorstand der Aktionsgemeinschaft Aichach (Aga), eines Zusammenschlusses lokaler Einzelhändler. Auch er berichtet, dass das neue Angebot zwar angenommen werde, aber eher auf niedriger Basis. Sich ein Kleidungsstück auf einem Bild im Internet auszusuchen sei einfach nicht das Gleiche wie das Einkaufserlebnis vor Ort mit allen Sinnen inklusive ausführlicher Beratung. Trotzdem seien die Geschäftsleute bereit, jeden Strohhalm zu ergreifen. Wie viele seiner Kollegen ist Fischer skeptisch, dass die Läden nach Ende des aktuellen Lockdowns ab dem 15. Februar wieder öffnen dürfen.
Nadine Siegert von Blumen Siegert in Aichach blickt derweil nicht auf den 15., sondern auf den 14. Februar. Da ist Valentinstag - ein gerade für Blumen-, Pralinen-, Parfüm- oder Schmuckläden oft umsatzstarker Tag. "Wichtig wäre zu diesem Tag vor allem, dass die Kunden rechtzeitig, also mehrere Tage im Voraus bestellen", so Siegert. So könnten die Händler selbst rechtzeitig bestellen und die Aufträge besser koordinieren.
Click & Collect: Ältere Kunden bleiben im Lockdown aus
Grundsätzlich findet die 43-Jährige den Abholservice gut. Schließlich beinhalten Lieferungen auch Lieferkosten und setzen einen bestimmten Umsatz voraus. Jetzt könne der Kunde auch einfach mal eine einzelne Rose oder Tulpe abholen. Siegert vermisst aber insbesondere die älteren Kunden, die nicht im Internet oder den sozialen Medien unterwegs sind. Sie würde sich wünschen, dass alle Bürger einmal bei ihrem Lieblingsgeschäft anrufen und fragen, was dieses gerade anbietet.
Sigrid Lechner-Rummel vom Schuhhaus Lechner in Pöttmes hat gute Erfahrung mit Click & Collect gemacht. Bei ihr kann telefonisch, per WhatsApp oder E-Mail bestellt werden. Gerne schickt sie ihren Kunden auch Fotos zur Ansicht oder stellt eine kleine Auswahl an Schuhen zum Probieren für zu Hause zusammen. Im Schaufenster des Ladens sind alle Schuhe nummeriert, damit die Bestellung einfacher geht. Lechner-Rummel hat sich sogar schon getraut, einen kleinen Teil der bestellten Frühjahrsware anzufordern. Damit sie das Schaufenster neu dekorieren und den Kunden zeigen kann, dass es weitergeht.
Stammkunden sind die Überlebenschance der lokalen Händler
Auf die Stammkunden, die die Eins-zu-eins-Beratung vor Ort schätzen, setzt auch Robert Burkhard, Aga-Vorstandsmitglied und Inhaber von Mode Burkhard in Aichach. Dieses Menschliche sei die Überlebenschance der lokalen Händler, auch nach Corona. Click & Collect sieht er nicht als Heilsbringer, sondern vielleicht als Hilfe, "kleinere Kostenlücken zu schließen". Viele Kollegen hätten versucht, einen kleinen Onlineshop aufzusetzen, aber das sei äußerst schwierig. Für Logistik, Suchmaschinenoptimierung und Programmierung müsste enorm viel Geld in die Hand genommen werden. Zudem seien die Rücksendungs-Quoten sehr hoch, gerade im Mode- und Schuhbereich.
Grundsätzlich blickt Burkhard aber zuversichtlich in die Zukunft. Er glaubt, dass es die Einheimischen nach Corona wieder stärker wertschätzen werden, regional einzukaufen. "Viele Leute, gerade Stammkunden, sind solidarisch", sagt er.
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