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Aichach-Friedberg: Bei Abschiedsfahrt der Hedorfer-Buslinie kommt Applaus von der Straße

Aichach-Friedberg

Bei Abschiedsfahrt der Hedorfer-Buslinie kommt Applaus von der Straße

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    Der Verlust der AVV-Linien bedeutet das Aus für ein mittelständisches Busunternehmen im Wittelsbacher Land nach über 90 Jahren: Marlene und Johann Hedorfer schließen ihren Betrieb in Axtbrunn (Petersdorf).
    Der Verlust der AVV-Linien bedeutet das Aus für ein mittelständisches Busunternehmen im Wittelsbacher Land nach über 90 Jahren: Marlene und Johann Hedorfer schließen ihren Betrieb in Axtbrunn (Petersdorf). Foto: Erich Echter

    Johann Hedorfer steigen beim Gedanken an die letzte Fahrt durch Osterzhausen und besonders durch Ebenried beinahe die Tränen in die Augen: „Das war heftig. Das war Wahnsinn.“ An Bord im Bus war die ganze Belegschaft und die Familie. Draußen auf der Straße stand die Dorfgemeinschaft mit Plakaten und Lichtern und applaudierte. So emotional wie die Verabschiedung der Hedorfer-Buslinie durch die Fahrgäste und Bürger aus den kleinen Pöttmeser Ortsteilen war es bestimmt nicht überall. Aber ein Stück Wehmut war immer dabei, als Busunternehmer aus dem nördlichen Landkreis beim Fahrplanwechsel am Wochenende teils nach vielen Jahrzehnten zum letzten Mal auf „ihren“ Linien unterwegs waren.

    Das Familienunternehmen Hedorfer aus Axtbrunn (Gemeinde Petersdorf) hört zum Jahresende nach über 90 Jahren sogar ganz auf. So weit gehen die anderen mittelständischen Familienbetriebe im nördlichen Landkreis, die bei einer Ausschreibung des Augsburger Verkehrsverbundes AVV im Frühjahr ihre Aufträge verloren haben,  nicht – oder auch noch nicht. Aber auch ihnen sind wichtige und sichere Geschäftspfeiler weggebrochen. Und das in einem Jahr, in dem die gesamte Busbranche durch die Corona-Krise eh schon auf einer wirtschaftlichen Talfahrt ist, die sich vor einem Jahr so niemand vorstellen konnte. Vereinsausflüge, Skifahrten, Urlaubsreisen, Klassenfahrten – ein Großteil davon ist heuer ausgefallen und wie es nächstes Jahr weitergeht, ist völlig offen.

    Busfirma Ankner fährt nicht mehr auf der Stammlinie durch das Ecknachtal

    Das Busunternehmen Ankner aus Sielenbach hat seine Stammlinie durch das Ecknachtal verloren. Auf der war der Großvater von Peter Ankner schon vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs unterwegs. Ende der 80er-Jahre hat Ankner seine Konzession wie andere Mittelständler in den Verkehrsverbund eingebracht und damit den AVV mitgegründet. Die Unternehmen Efinger (Aichach), Betzmair (Hollenbach-Motzenhofen), Lunz (Obergriesbach) und Busreisen Johann Spangler GmbH (Inhaber Leonhard Pfisterer mit Sitz im Pöttmeser Ortsteil Gundelsdorf) gingen bei der Ausschreibung ebenfalls leer aus. Wie der Schrobenhausener Busunternehmer Schwaiger, der zuletzt acht AVV-Buslinien im nördlichen Landkreis befuhr. Er war seit einem Fahrplanwechsel fünf Jahre lang dabei und ist raus, wenn nicht sein Einspruch bei der Vergabekammer Erfolg hat.

    2019 wurden die drei Linienbündel Wittelsbacher Land 02, 03 und 04 neu ausgeschrieben. Konkret ging es dabei um 25 Buslinien und 1,65 Millionen Fahrkilometer im Jahr. Sie liegen hauptsächlich im nördlichen Teil des Landkreises Aichach-Friedberg, gehen aber auch darüber hinaus. Zwei Bündel werden jetzt von zwei größeren Busunternehmen befahren: Für das Bündel Wittelsbacher Land 03 mit den sieben Linien 203 bis 209 und den zugehörigen Anrufsammeltaxi-Linien 206 und 208 - alle im Raum Aichach und Friedberg - erhielt das Busunternehmen Demmelmair (Friedberg) den Zuschlag für die nächsten acht Jahre bis Ende 2028. Demmelmair bediente bereits zuvor einen Großteil dieser Linien. Beim Bündel Wittelsbacher Land 04 mit den acht Linien 213, 225, 229, 301 bis 303 sowie 320 und 323 im Raum Pöttmes und Kreis Augsburg setzte sich die Z Mobility Werner Ziegelmeier (Bobingen) durch.

    Unterlegener Bieter Schwaiger erhebt Einspruch bei Vergabekammer

    Reibungslos verlief die Vergabe nicht. Für das Bündel Wittelsbacher Land 02 im Raum Aichach mit den zehn Linien 221, 222, 226, 228, 240 bis 244 und 250 und den zugehörigen AST-Linien 241, 243 und 244 läuft nach Angaben des AVV weiter ein Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer Südbayern. Das bei der Vergabe unterlegene Unternehmen Schwaiger, bis Mitte Dezember dort unterwegs, hat das Verfahren im Frühjahr beantragt. Wegen Corona habe sich die Entscheidung aber verzögert, so AVV-Sprecherin Irene Goßner auf Nachfrage unserer Redaktion. Bis zur endgültigen Vergabe sei das Busunternehmen Egenberger (Thierhaupten) interimsmäßig für dieses Linienbündel zunächst für ein halbes Jahr beauftragt worden. Zuvor habe sich das Unternehmen in einem sogenannten Verhandlungsverfahren als günstigster Anbieter durchgesetzt, teilt Irene Goßner mit. Dem Vernehmen nach lag Egenberger aber auch bei der eigentlichen Ausschreibung für dieses Bündel vorn. Dazu wollte Goßner aus wettbewerbsrechtlichen Gründen keine Angaben machen.

    Die alteingesessenen Betriebe Betzmair und Spangler (Gundelsdorf) fahren jetzt zumindest als Subunternehmer des AVV-Vertragpartners Z Mobility auf Linien im Bündel 04 weiter. Wobei das - abgesehen von finanziellen Nachteilen und dem Unterschied zwischen selbstständigem AVV-Partner und Auftragsnehmer - auch sonst nicht ganz leicht sei, wie uns einer der anderen unterlegenen Firmenchefs schon im Frühjahr sagte: „Ich muss mich andienen bei einem, der mir zuvor die Butter vom Brot genommen hat.“

    Ebenried bedankte sich am Wochenende unter anderem mit einem großen Plakat bei einem „Verlierer“ der Ausschreibung – dem Busunternehmen Hedorfer. Um Punkt 18 Uhr kurvte der Linienbus zum letzten Mal durch den kleinen Ort. Von Augsburg kommend war im wahrsten Sinne des Wortes Endstation in Pöttmes. Gleichzeitig wurde mit dieser Fahrt auch das Ende einer über 60-jährigen Dienstleistung des Axtbrunner Busunternehmens eingefahren. Hedorfer hatte über viele Jahre mehrere Linien im Programm, bot Ausflugsfahrten an und fuhr Skigebiete an. Das ist zum Jahresende nach 92 Jahren Geschichte: Das Familienunternehmen schließt den Betrieb komplett.

    Johann Hedorfer: "Busfahren - das war ganz einfach mein Leben"

    Eine Weiterführung mache einfach keinen Sinn, sagt Firmenchef Johann Hedorfer. Wie weh ihm das Aus tut, ist auch am Telefon unüberhörbar: „Busfahren – das war ganz einfach mein Leben.“ 47 Jahre saß er selbst am Lenkrad, hat Millionen an Kilometern abgespult und in etwa ebensoviele Fahrgäste transportiert. Ohne den AVV-Auftrag habe die Firma aber einfach keine Zukunft, sagt Hedorfer. Dabei sei er bei der Ausschreibung schon deutlich unter seinen bisherigen Konditionen geblieben und bis an die Schmerzgrenze gegangen, um seine Linien zu behalten. Dennoch sei das Angebot um einen zweistelligen Prozentsatz unterboten worden. Da könne sich jeder ausrechnen, dass ein Weitermachen als Subunternehmer nicht möglich sei. Von sechs Bussen steht jetzt noch einer in der Garage. Neben fünf festen Fahrern und sechs bis sieben Aushilfsfahrern, sowie Teilzeitkräften, arbeiteten Hans Hedorfer und seine Frau Marlene im Familienbetrieb und sein Sohn, Juniorchef Johannes, der sich jetzt beruflich neu orientieren muss.

    Die düsteren Prognosen der regionalen Unternehmen im Vorfeld der Mehrheitsentscheidung im Kreistag im Jahr 2013 für die europaweite Ausschreibung habe sich leider bewahrheitet, blickt Hedorfer zurück. Damals seien noch neun Busunternehmen aus dem Wittelsbacher Land als Vertragspartner auf AVV-Linien unterwegs gewesen. Jetzt gibt es mit Demmelmair nur noch einen aus dem Süden des Landkreises. Die Verdrängung von Kleinunternehmern gebe es natürlich auch in anderen Branchen, macht sich Hedorfer nichts vor. Im Wittelsbacher Land hätten Kommunalpolitiker aber etwas dagegen tun können – jetzt sei es zu spät.

    In Ebenried sollte die allerletzte Fahrt eines Hedorfer-Busses jedenfalls nicht unkommentiert bleiben: „Man kann nicht immer alles als selbstverständlich hinnehmen und akzeptieren“, findet Eva Ziegler. Es war Zieglers Idee, das Plakat aufzustellen. Der Ebenrieder Stopselclub und die örtliche Feuerwehr übernahmen spontan die Anfertigung und Installation am Maibaum. Die geplante 18-Uhr-Lichterkette samt Glühwein am Straßenrand fiel allerdings den Corona-Vorgaben zum Opfer. Die Ebenrieder wollten sich zum einen beim Unternehmen Hedorfer für die verlässliche Dienstleistung über die Jahrzehnte hinweg bedanken. „Es war immer ein freundliches Miteinander“, erzählt Eva Ziegler. Sie spricht von einem großen Verlust für das Dorf, zumal sich über die Jahre persönliche Kontakte mit den Fahrern und der Unternehmensleitung ergeben hätten. Generationen von Schulkindern wurden im Hedorfer-Bus befördert. Besonders für Lehrlinge und auch für Arbeiter sei es lange die einzige Möglichkeit gewesen, nach Augsburg zu kommen, um Geld zu verdienen: „Damals hat es gar nix anderes geben. Für viele von uns war es die einzige Möglichkeit, aus dem Dorf rauszukommen.“

    Vor Ort brechen Angebote für Vereine und Kommunen weg

    Zum anderen weiß die langjährige frühere Kreisrätin, wie es bei der europaweiten Ausschreibung der Buslinien vor und hinter den Kulissen zuging. Die „größeren“ Unternehmen hätten auch dank Bündelung der Linien profitiert. Auf der Strecke seien kleinere bis mittelgroße Familienbetriebe geblieben. Die Bündel Wittelsbacher Land 02, 03 und 04 waren die letzten noch ausstehenden AVV-Regionalbusleistungen im wettbewerblichen Verfahren. Damit sind jetzt alle Buslinien (bis auf das umstrittene Bündel 02) mittels europaweiter Ausschreibungen vergeben. In keinem Verfahren haben sich übrigens ausländische Konzerne beworben. Das war zunächst die Sorge: Billigkonkurrenz aus Osteuropa mit Hilfe von Lohndumping. Den „kleinen“ Firmen hilft das jetzt aber auch nichts, weil sie mit den Preisen von größeren Strukturen nicht mithalten können. Dafür brechen vor Ort wie bei Hedorfer Angebote für Vereine oder die Kommunen weg, zum Beispiel beim freigestellten Schulbusverkehr.

    Der Augsburger Verkehrs- und Tarifverbund (AVV) schrieb Strecken neu aus.
    Der Augsburger Verkehrs- und Tarifverbund (AVV) schrieb Strecken neu aus.

    Ausgangspunkt für die komplette Neuvergabe des Marktes war eine Grundsatzentscheidung der vier AVV-Gesellschafter (Stadt und Kreis Augsburg, Landkreise Aichach-Friedberg und Dillingen) für die europaweite Vergabe im Jahr 2013. Schon zuvor protestierten die Busunternehmer aus dem nördlichen Teil des Wittelsbacher Landes massiv gegen diesen Schritt. Der Rehlinger Reiseunternehmer Xaver Hörmann führte in Sachen Regionalbuslinien-Vergabe sogar mehrere gerichtliche Auseinandersetzungen mit dem AVV – mit unterschiedlichen Ergebnissen. Mit seiner Klage gegen die europaweite Ausschreibung seiner Linien scheiterte Hörmann im Frühjahr 2015 vor dem Verwaltungsgericht. Dagegen setzte sich Hörmann bei der Vergabekammer Südbayern mit seiner Anfechtung der Übergangsvereinbarungen des AVV mit bislang schon beauftragten Unternehmen durch und kippte damit das geplante Stufenmodell des AVV. Der Verkehrsverbund musste deshalb 2015 gleich vier Fünftel des Busverkehrs der Region auf einmal ausschreiben und vergeben. Geplant waren ursprünglich fünf Pakete mit Neuvergaben von 2016 bis 2021, um den Kuchen kleiner zu machen.

    Das Rehlinger Reiseunternehmen Hörmann verlor seinen Auftrag schon 2016

    Hörmann unterlag in der folgenden Ausschreibung hauchdünn. Seit Anfang 2016 fährt die Bahntochter DB Regio Bus auf dessen früheren sieben Linien (450.000 Kilometer im Jahr) zwischen Aichach, Rehling und Augsburg. Auch im Süden des Landkreises ist die DB Regio jetzt mit ihren Bussen unterwegs.

    Über die Verabschiedung wie in Ebenried und die vielen Rückmeldungen von Fahrgästen ist Johann Hedofer sehr dankbar: „Das zeigt ja auch, dass wir vieles richtig gemacht haben.“ Schwer enttäuscht ist er dagegen über den Verkehrsverbund: 31 Jahre sei sein Unternehmen für den AVV zuverlässig unterwegs gewesen. Einige Sachbearbeiter, mit denen man lange zusammengearbeitet habe, hätten sich gemeldet. Von oben, also von der Geschäftsführung, sei gar nichts gekommen: „Kein Schreiben, kein Wort, nichts. Das war sehr schwach.“

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