Nicht nur der Schulbetrieb wird in zwei Wochen unter neuen Corona-Regelungen wieder aufgenommen, sondern auch das Ausbildungsjahr startet in den meisten Unternehmen in einer Woche am 1. September unter Pandemiebedingungen: Aufgrund der Beschränkungen war der Ausbildungsmarkt zwischenzeitlich zum Erliegen gekommen und kommt daher heuer nur langsam in Schwung.
Berufsinfoveranstaltungen fanden meist nicht statt, und Praktika konnten nur eingeschränkt angeboten werden. Zahlen der Arbeitsagentur, der Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Handwerkskammer (HWK) Schwaben zeigen allerdings, dass die Lage am lokalen Ausbildungsmarkt momentan besser ist, als man unter den gegebenen Bedingungen annehmen könnte: Noch im Mai hatte fast ein Drittel der bei der IHK Schwaben gemeldeten Betriebe angegeben, ihre Beschäftigtenzahl reduzieren zu wollen, nun haben 95 Prozent der Firmen im Arbeitsagenturbezirk Augsburg, die letztes Jahr einen Ausbildungsplatz gemeldet hatten, zugesagt, auch heuer wieder ihren Ausbildungsplatz zu besetzen.
„Dass ein Großteil der Unternehmen in dieser Situation weiter ausbildet, zeigt den Stellenwert der dualen Ausbildung und macht deutlich, dass Betriebe Verantwortung für den Fachkräftenachwuchs tragen“, so Christian Munz, Leiter des Fachbereiches Ausbildung bei der IHK. Bei der IHK sind trotz Verzögerung im Bewerbungsverfahren bisher mit 6000 Vertragsabschlüssen 85 Prozent des Vorjahresniveaus erreicht, bei der HWK Schwaben waren im Juli sogar bereits 95 Prozent der Vertragsabschlüsse des Vorjahresmonats gemeldet.
Mehr Ausbildungsplätze als im Vorjahr
Im Landkreis Aichach-Friedberg scheint die Lage sich, wie Statistiken der Arbeitsagentur für den Monat Juli nahelegen, trotz Corona sogar nahezu positiv entwickelt zu haben: 812 Ausbildungsstellen – und damit 4,8 Prozent mehr als im Vorjahr – waren gemeldet. Stand Juli gab es hier noch 152 unversorgte Bewerber und 338 offene Stellen – diese vor allem im kaufmännischen Bereich, beispielsweise als Kauffrau im Einzelhandel oder als Verkäufer. Auch lokale Unternehmen wie der Friedberger Polstermöbelhersteller Segmüller haben noch offengebliebene Stellen zu besetzen. Man habe sich als Planzahl die Zahl der Ausbildungsplätze des letzten Jahres vorgenommen, allerdings habe es heuer durch Corona weniger Bewerber gegeben, und es hätten bisher nicht alle Stellen besetzt werden können, erklärt Christof Gerpheide, Sprecher der Segmüller-Geschäftsleitung.
Wer bisher keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, hat immer noch die Möglichkeit, sich auf dem Markt umzusehen. „Die Jugendlichen sollen sich nicht entmutigen lassen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sich um einen Ausbildungsplatz zu kümmern. Wir empfehlen unsere digitalen Angebote, etwa die Stellenbörse oder unser Erkundungstool ,Check U‘. Auch im Oktober und November ist es noch möglich, eine Ausbildung zu beginnen“, appelliert die Pressesprecherin der Arbeitsagentur Augsburg, Daniela Ruhrmann. Auch in der Lehrstellenbörse der HWK oder der IHK können Interessenten noch offene Stellen finden.
Ausbildungen in Aichach-Friedberg: Vergleich mit dem Vorjahr ist schwierig
Obwohl die diesjährigen Werte coronabedingt insgesamt noch etwas hinter dem Niveau des Vorjahres herhinken, scheint Covid-19 dem lokalen Ausbildungsmarkt nicht ernstlich geschadet zu haben. Pressesprecher der IHK, HWK sowie der Arbeitsagentur sind sich einig, dass aus dem jetzigen Stand der Dinge nicht allzu viel zu schließen sei: Die coronabedingte sechs- bis zehnwöchige Lücke im Orientierungs- und Bewerbungsverfahren erschwere einen Vergleich der diesjährigen Zahlen mit den Daten des Vorjahres, und täglich gebe es Veränderungen in den Zahlen durch neu abgeschlossene Ausbildungsverträge.
Auch das Förderprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ des Bundesministeriums für Forschung und Bildung wird wohl noch für weitere Bewegung auf dem Markt sorgen: Es soll von der Corona-Krise erheblich betroffene Betriebe durch Prämien anreizen, Ausbildungsplätze zu erhalten und neue Lehrstellen zu schaffen.
Berufsfindungstage in Aichach fallen heuer aus
Der übernächsten Ausbildungsgeneration werden in diesem Herbst zwei Angebote für die Berufsorientierung fehlen. Die Jobbörse in Friedberg und der Berufsfindungstag in der Aichacher Vierfachhalle finden heuer coronabedingt nicht statt. Knapp 80 Unternehmen stellten dort 2019 rund 170 Ausbildungsberufe vor. In etwa 2000 Schüler und Eltern informierten sich bei der Veranstaltung. Als „Ersatz“ will das Maschinenbauunternehmen Haimer eine Broschüre erstellen. Dort könnten die in den vergangenen Jahren an der Messe beteiligten Unternehmen ihre Ausbildungsangebote vorstellen, berichtet Tobias Völker, Marketingleiter bei Haimer. Der Mittelständler aus dem Hollenbacher Ortsteil Igenhausen organisiert seit Jahren den Berufsfindungstag gemeinsam mit dem Rotary Club Schrobenhausen-Aichach. Laut Völker soll die Broschüre noch vor den Herbstferien an die Schüler in den Abschlussjahrgängen im nördlichen Landkreis verteilt werden. (mit cli)
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