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Aichach-Friedberg: Aichacherin erzählt vom Kriegsende: SS hinter dem Haus

Aichach-Friedberg

Aichacherin erzählt vom Kriegsende: SS hinter dem Haus

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    Viele alte Fotos in Viktoria Käuferles Fotoalbum zeigen unter anderem auch die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Das Betrachten der Bilder ist für die 97-Jährige wie ein Streifzug durch ihr Leben.
    Viele alte Fotos in Viktoria Käuferles Fotoalbum zeigen unter anderem auch die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Das Betrachten der Bilder ist für die 97-Jährige wie ein Streifzug durch ihr Leben. Foto: Gerlinde Drexler

    Das Bild der zerlumpten Soldaten, die sich kurz vor Kriegsende am Haus ihrer Mutter in Münsterhausen (Landkreis Günzburg) vorbeischleppten, hat Viktoria Käuferle aus Aichach bis heute nicht vergessen. Die heute 97-Jährige war damals 21 Jahre alt und Mutter einer einjährigen Tochter. Das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte sie in ihrem Elternhaus, wohin sie ausgebombt mit ihrem Kind geflüchtet war. Ein paar Jahre später kam sie mit ihrem Mann Josef nach Aichach, wo das Ehepaar die Firma Käuferle gründete.

    Der ganze Ort sei damals bevölkert gewesen mit Menschen, die in anderen Großstädten bei Bombenangriffen ihr gesamtes Hab und Gut verloren hatten, erinnert sich die 97-Jährige. Alle ihre männlichen Verwandten, darunter auch ihr Gatte, ihr Stiefvater und ein Onkel, waren an den verschiedenen Kriegsfronten im Einsatz. „Von keinem gab es ein Lebenszeichen“, sagt Käuferle.

    Die Aichacherin hat gespürt, dass der Krieg verloren war

    Dass der Krieg längst verloren war, habe man spüren können, erzählt sie. Etwa zwei Wochen vor Kriegsende schleppte sich ein größerer Zug „müder zerlumpter deutscher Soldaten, bewacht von bewaffneten SS-Männern, an unserem Haus vorbei“, erzählt sie. Die Soldaten waren von ihren eigenen Kameraden gefangen genommen worden, weil sie geflüchtet waren. Je näher die Sieger kamen, umso heftiger sei die Umgebung von Tieffliegern heimgesucht worden, so Käuferle. „Plötzlich waren sie da und ballerten auf jeden herunter, der sich im Freien aufhielt.“ Die Flugzeuge seien so tief geflogen, dass man die Piloten sitzen sah. „Es wurde überaus gefährlich für uns in unserem Haus inmitten des freien Geländes.“ Oft sei sie mit ihrem Baby in die Notunterkunft geflüchtet, die der Totengräber des Ortes im Garten gegraben hatte, berichtet Käuferle.

    Als 21-Jährige erlebte Viktoria Käuferle, hier mit ihrer Tochter Evi, das Ende des Zweiten Weltkrieges.
    Als 21-Jährige erlebte Viktoria Käuferle, hier mit ihrer Tochter Evi, das Ende des Zweiten Weltkrieges. Foto: Gerlinde Drexler (Repro)

    Anfang Mai 1945 stand plötzlich ein blutjunger Soldat in der Küche ihres Elternhauses. Sie erfuhr, dass er Österreicher war und sich schon seit ein paar Tagen in der Scheune auf dem Anwesen versteckt hielt. Er warnte die 21-Jährige, nicht die weiße Fahne rauszuhängen, wenn die Sieger kommen. Als Grund sagte er: „Hinter eurem Haus im Feld stecken kampfbereite SS-Leute. Sie werden euch aufhängen oder erschießen, wenn ihr das tut, denn sie wollen den Ort verteidigen.“

    Kriegsende in Aichach: Amerikaner kommen mit Panzer an Panzer

    Ein paar Tage später kamen die Amerikaner. „Ich war einfach irre neugierig, denn ich dachte, dass das, was ich jetzt erlebe, in die Geschichte des Ortes eingehen wird.“ Panzer an Panzer, dazwischen Lastwagen mit Soldaten darauf, bewegten sich auf den Ort zu. „Sie kamen im Zeitlupentempo wie ein lang gezogener Wurm die Straße heran“, erzählt Käuferle. Ihre jüngere Schwester und sie standen mit weißen Taschentüchlein in den Händen vor der Haustüre.

    Etwa 100 Meter vor dem Ort stand das Elternhaus von Viktoria Käuferle.
    Etwa 100 Meter vor dem Ort stand das Elternhaus von Viktoria Käuferle. Foto: Gerlinde Drexler (Repro)

    Alle warteten auf ein Zeichen aus dem Ort. „Endlich erschienen drei Männer aus dem Ort, die eine weiße Fahne schwenkten und langsam näher kamen.“ Direkt vor ihrem Haus sei die Übergabe vollzogen worden, sagt Käuferle. Während der ersten Nacht unter amerikanischer Besetzung durften sie und ihre Schwester das Haus nicht verlassen. „Die Türen mussten Tag und Nacht offen bleiben.“

    Ein Irrsinn spielte sich in Aichach ab

    Nach Einsetzen der Dunkelheit habe eine Stille geherrscht wie seit Tagen nicht mehr. Diese Stille sei von heftigen Schießereien vom Feld hinter dem Haus unterbrochen worden, erzählt Käuferle. „Das ganze Haus bebte.“ Es waren die dort versteckten SS-Soldaten, die die Amerikaner angriffen. Ein Irrsinn sei das gewesen angesichts der Übermacht der Sieger, sagt die 97-Jährige.

    Am 8. Mai 1945 war der Krieg zu Ende. „Die Kirchenglocken läuteten, es gab keine Einschüsse mehr und auch keine Tiefflieger, die uns erschreckten.“ Bis auf einige Ausnahmen hätten sich die Sieger human gezeigt, erinnert sich die 97-Jährige. Gefahr sei eher von den betrunkenen Polen und Tschechen ausgegangen, die Hitler zum Arbeiten ins Land geholt hatte. „Sie durchstreiften betrunken die Häuser und wollten Schnaps – und das mit vorgehaltener Pistole.“ Zum Glück hatte sie noch ein Fläschchen Selbstgebrannten im Haus. Rückblickend sagt Käuferle: „Was hat man nicht alles ausprobiert in den Kriegsjahren und sich damit vielleicht das eigene Leben gerettet.“

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