Ihren Abschied nach rund 40 Jahren im Schulwesen hätte sich Renate Schöffer ganz anders vorgestellt. Mit einer bunten und fröhlichen Feier mit vielen Schülern, Kollegen und anderen Weggefährten im Aichacher Deutschherren-Gymnasium (DHG) - mit belebten Gesprächen in lockerer Atmosphäre. Aber Corona macht der scheidenden Schulleiterin einen Strich durch die Rechnung. Dennoch freut sie sich sehr, dass sich die über 60 Kollegen in dieser anstrengenden Zeit "unheimlich reingehängt" haben, um ihr via Videokonferenz dennoch einen schönen Abschied zu bereiten. Das Kollegium hatte ein mehrstündiges Programm mit vielen Gästen und Überraschungen organisiert.
Für Renate Schöffer endet die Schule an diesem Freitag: Es ist ihr letzter Arbeitstag. Und der dürfte es noch einmal in sich haben. Denn: Die Informationen, wie es mit den Schulen in Bayern im Corona-Lockdown weitergeht, kommen oft sehr kurzfristig. So werde sie bis zuletzt mit dem laufenden Geschäft gefordert sein, berichtet die 65-Jährige. Ein langsames Ausklingenlassen gibt es nicht. Sie trete von "100 auf null" in den Ruhestand. Sie weiß ihre bisherige Arbeit aber in guten Händen, denn ihr Nachfolger wird ihr bisheriger Stellvertreter Frank Schweizer. "Wir haben immer super zusammengearbeitet", betont Schöffer.
Renate Schöffer war 38 Jahre am Deutschherren-Gymnasium in Aichach
Drei Jahre lang war sie Schulleiterin am DHG, insgesamt hat sie dem Aichacher Gymnasium aber 38 Jahre die Treue gehalten. Da sie gleich nach dem Referendariat in Bamberg als Lehrerin für Englisch und Französisch in die Paarstadt wechselte, verbrachte sie ihre gesamte berufliche Laufbahn hier. Eigentlich wollte sie nach dem Referendariat in eine Großstadt gehen, aber in Aichach hat es ihr so gut gefallen, dass sie geblieben ist. "Wegen des Kollegiums und der Schüler", sagt die gebürtige Budweiserin (Tschechien), die ihre Jugend in Ingolstadt verbracht hat.
Die Schüler in Aichach seien sehr anhänglich, freundlich, aufgeschlossen und neugierig. Viele von ihnen hätten richtig Lust auf Schule und seien für viele Dinge zu interessieren. Zudem haben die Aichacher Schüler laut Schöffer ein gutes Gespür dafür, ob man selbst von einer Sache begeistert ist und ihnen diese auch deshalb näherbringen will. Nach dem Motto "Sprachen öffnen Türen" hatte es die Lehrerin selbst oft leicht bei den Schülern. Schöffer, die nicht verheiratet ist und selbst keine Kinder hat, sagt: "Ich habe sehr, sehr gerne unterrichtet."
Die Corona-Pandemie war die größte Herausforderung in ihrem Berufsleben
Trotzdem hat sie es nicht bereut, spät in ihrer Laufbahn auf den Chefposten gewechselt zu sein. Sie sei eine begeistere Lehrerin, aber auch eine begeisterte Schulleiterin gewesen. Dabei waren ihr die drei Jahre letztlich nicht lange genug. Sie hätte gerne noch mehr bewegt.
Mit der Corona-Pandemie kam die wohl größte Herausforderung in ihrem Berufsleben erst zuletzt. "Hier geht es um die Gesundheit aller und dieser Gesundheitsschutz steht dem Recht auf Bildung gegenüber", erklärt Schöffer. Die Einschätzung, ob die Bildung dabei nicht zu kurz kommt, überlässt sie anderen: "Ich muss mich auf die Empfehlungen der Fachleute verlassen. Ich bin kein Epidemiologe."
Schöffer findet zwar, dass die Digitalisierung ein wertvolles, nützliches Zusatzinstrument ist, aber die Interaktion, das soziale Miteinander der Schüler gehe verloren, wenn sie nur vor dem Bildschirm säßen. "Die Pädagogik muss immer vor der Technik stehen", betont sie. Dass durch den aktuellen Distanzunterricht Wissenslücken bei den Schülern entstehen, ist für sie ganz klar. Aber Lücken können ihrer Ansicht nach immer wieder geschlossen werden.
Die Digitalisierung war eines der Hauptthemen in ihrer Schullaufbahn, aber auch die Umstellung von neunjährigem Gymnasium (G9) auf achtjähriges Gymnasium (G8) und wieder zurück. Einige neue Lehrpläne inklusive. Schöffers Fazit: "Das war sehr oft alter Wein in neuen Schläuchen." Grundsätzlich seien die Lehrinhalte etwas weggegangen von der reinen Wissensvermittlung hin zur Kompetenzen-Bildung. "Aber Kompetenzen ohne Wissen nützen auch nichts", so Schöffer.
Auch sie selbst hat sich in den 38 Jahren am DHG viele Kompetenzen erworben, denn wie sie sagt, gibt es nahezu "nichts, was sie nicht" gemacht hat. Sie beschreibt sich selbst als strukturiert und pragmatisch sowie sehr kommunikativ und den Menschen zugewandt. Gut in Erinnerung bleiben werden ihr auch die Austausch- und Studienfahrten nach Frankreich und England und die Skilager und Schullandheimaufenthalte. Auf die vielen Korrekturarbeiten in ihrem Berufsleben hätte sie dagegen gerne verzichtet.
Im Ruhestand hat die Schulleiterin mehr Zeit für Hobbys und das Lieblingsland
Jetzt wird die bald 66-Jährige wieder mehr Zeit für ihre Hobbys haben. Sie geht gerne wandern, Ski fahren und Rad fahren und liebt Konzerte, Theater und Museen. Dabei haben es ihr in erster Linie, aber nicht ausschließlich, die klassische Musik und die Theater-Klassiker von Shakespeare und Molière angetan. Sobald es nach der Corona-Pandemie wieder möglich ist, will sie auch wieder kreuz und quer durch ihr Lieblingsland Frankreich reisen.
Vermissen wird sie vor allem den Kontakt zu den Schülern, den Kollegen und allen Mitarbeitern am DHG. Viele Kontakte werden aber erhalten bleiben, sagt sie. Schöffer wünscht allen Kollegen in Aichach, dass es gelingt, die Schule weiterzuentwickeln und die Freude am Wissen weiterzugeben.
Dem Gymnasium wird sie durch den Förderverein weiter erhalten bleiben. Im Ruhestand stundenweise Unterricht geben, will sie nicht. Sie hofft jedoch, dass es an der Schule bald mal wieder Konzerte und Theater geben wird, die sie dann gelassen besuchen kann, ohne die Gesamtverantwortung für alles zu tragen.
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