Kommt ein autofreier Bereich am Aichacher Stadtplatz? Das ist nach der Stadtratssitzung am Donnerstagabend nicht ausgeschlossen, aber auch nicht beschlossen. Die Entscheidung ist in die Zukunft verlegt. Eine Testphase im nächsten Jahr, wie sie die SPD-Fraktion haben wollte, wird es allerdings nicht geben. Die Mehrheit lehnte das ab. Stattdessen hat der Stadtrat mit 20:8 Stimmen beschlossen, dass die Busse dauerhaft vom Stadtplatz entfernt werden. Gleichzeitig sollen Stadtrat und Verwaltung ein Verkehrskonzept erarbeiten, das aufzeigt, wo und wie am Stadtplatz eine weitere Verkehrsberuhigung erreicht werden kann.
Mehreren Abstimmungen ging einmal mehr eine ausgiebige Debatte um Ziele und Formulierungen voraus, die zwischendurch auch mal emotionaler wurde. Auch die Geschäftsordnung wurde mehrfach bemüht. Wie berichtet, hatte der Stadtrat im Februar beschlossen, dass zuerst die Busse vom Stadtplatz verschwinden müssten, bevor über den SPD-Antrag weiter beraten wird.
Ordnungsamt: Busse verlegen laut AVV nicht einfach
Im September berichtete Ordnungsamtsleiter Manfred Listl von Gesprächen mit dem Augsburger Verkehrs- und Tarifverbund (AVV). Fazit: Eine Verlegung von Haltestellen sei - bis auf eine Linie am Samstag - sehr teuer und sehr aufwendig, kurzfristig also nicht zu machen. Unter dieser Voraussetzung wollte eine Mehrheit im Bauausschuss über den SPD-Antrag nicht weiter sprechen.
Zwischenzeitlich haben sich Vertreter aller fünf Stadtratsfraktionen getroffen. Ergebnis war ein Beschlussvorschlag, den Josef Dußmann (CSU) im Stadtrat vortrug: "Der Stadtrat beschließt, dass Busse vom Stadtplatz dauerhaft entfernt werden. Stadtrat und Verwaltung erarbeiten ein Verkehrskonzept, wo und wie am Stadtplatz eine weitere Verkehrsberuhigung erreicht werden kann."
Einigkeit unter Aichacher Fraktionen - oder doch nicht?
Während Dußmann betonte, am Ende des Gesprächs sei auch die SPD damit einverstanden gewesen, sah die SPD-Fraktionsvorsitzende Kristina Kolb-Djoka das ganz anders. Nur eine Verkehrsberuhigung anzustreben, sei der SPD zu wenig, gab sie zu verstehen. Auch Bürgermeister Klaus Habermann war das zu unkonkret: "Ich muss doch wissen, wo ich hin will." Seit gut 30 Jahren sei der autofreie Stadtplatz Thema. Er sah die Zeit reif dafür, zumindest einen Teil autofrei zu machen.
Die SPD-Fraktion, die anfangs den kompletten Oberen Stadtplatz sperren wollte, schlug dafür nun den Bereich des Oberen Stadtplatzes zwischen der Koppoldstraße und dem Alten Rathaus vor. "Wir reden über eine Fläche von 2150 Quadratmetern mit Straße und 1600 Quadratmetern ohne Straße", so Habermann. 14 Parkplätze gibt es dort.
Wasserspiel am Aichacher Stadtplatz soll ersetzt werden
In dem Bereich befindet sich auch das Wasserspiel, das an den Stadtbach erinnern soll. Weil es in die Jahre gekommen ist, schaut sich die Stadt nach einem Ersatz dafür um. Der Stadt sind 276.000 Euro aus dem Förderprogramm "Lebendige Innenstadt" zugesagt worden, um den "Stadtbach" zu ersetzen, für die Gestaltung und Möblierung dieses Bereichs, zum Beispiel mit Bänken, und kulturelle Projekte.
Habermann schlug vor, ein Konzept zu erstellen und 2022 einen Versuch mit einer Sperrung dieses Bereichs zu wagen. Statt nur am Wochenende, wie ursprünglich beantragt, solle diese die ganze Woche über gelten, um die Auswirkungen für den Handel zu erkunden. "Das könnte wirklich ein Knüller werden", so Habermann, wenn man den Bereich entsprechend möbliere und bespiele.
Aktionsgemeinschaft Aichach: Bereit für Gespräche
Für die Aktionsgemeinschaft Aichach (Aga), die Einzelhandel und Dienstleistungsunternehmen vertritt, bekam Vorstandsmitglied Robert Burkhard Rederecht. Er betonte, nicht für alle Aga-Mitglieder zu sprechen, stellte aber wie schon bei der Mitgliederversammlung der Aga fest, der Handel sei gesprächsbereit. "Die Zeit wäre reif für einen Versuch, aber der freie Bereich muss genutzt werden", sagte er. Er ergänzte aber: "Mir fehlt die Grundidee, wie schaut die Vision aus?"
Zitate aus der Stadtratssitzung
Bürgermeister Klaus Habermann:
"Meine persönliche Bitte: Nutzen wir die Chance. Ich bin überzeugt, dass ein autofreier Bereich bei Bürgern und Gästen gut ankommen und auch dem Handel nutzen wird."
SPD-Fraktionsvorsitzende Kristina Kolb-Djoka:
"Bekennen wir uns dazu, dass 14 Autos woanders parken. (...) Das ist eine Entscheidung für die Bürger, für einen sicheren Raum für spielende Kinder, ältere Bürger und Fußgänger, die in diesem Bereich Vorrang haben."
Zweiter Bürgermeister Josef Dußmann (CSU):
"Wenn da keine Autos fahren, kann ich niemandem vermitteln, dass Busse fahren dürfen."
Georg Robert Jung, Fraktionsvorsitzender der Freien Wählergemeinschaft (FWG):
"Der Stadtrat muss die Gesamtbevölkerung im Auge haben" (mit Blick auf die Bewohner der Stadtteile, die mit dem Auto nach Aichach kommen).
CSU-Fraktionsvorsitzender Helmut Beck:
"Das ist ein Prozess, der die Innenstadt verändern wird."
Magdalena Federlin (Bündnis 90/Die Grünen):
"Ich wehre mich dagegen, dass der ÖPNV wie eine lästige Wanze behandelt wird."
Die hätte ein Arbeitskreis liefern sollen, der mit Handel und Anwohnern und Anwohnerinnen die Grundlage für einen Testlauf im Jahr 2022 vorbereiten sollte, also Verkehrskonzept, Gestaltung und Bespielung. Habermanns Beschlussvorschlag, nachdem die SPD ihren Antrag zurückgezogen hatte: "Der Stadtrat verfolgt das Ziel, den Oberen Stadtplatz im Bereich zwischen Koppoldstraße und Rathaus vom fließenden Verkehr frei zu machen." Das ging allerdings der Mehrheit im Stadtrat zu weit. Teil des Beschlussvorschlags war außerdem der Auftrag, mit dem AVV die Entfernung der großen Busse aus der Innenstadt auszuhandeln. Sein Vorschlag wurde mit 10:18 Stimmen abgelehnt.
Bürgermeister kritisiert "Wischiwaschi-Antrag"
Mehrfach forderte Georg Robert Jung (FWG), über den gemeinsam erarbeiteten Antrag abstimmen zu lassen. Habermanns Erwiderung - "Ich muss nicht jeden Wischiwaschi-Antrag zur Abstimmung stellen" - ließ Jung nicht gelten. Für den von Dußmann vorgetragenen Antrag stimmte die Mehrheit aus CSU, FWG, der Fraktionsgemeinschaft aus BZA, CWG und FDP und Teilen der Grünen. Karl-Heinz Schindler (SPD) und Gerhard Bauer (BZA) fehlten in der Sitzung.