Was macht eine moderne Stadt von heute aus? Welche Zukunftsfragen muss sie beispielsweise bei Klimawandel, Mobilität oder Digitalisierung beantworten, um lebenswert zu sein? Welchen Herausforderungen steht sie dabei gegenüber? Diese Fragen macht eine neue Ausstellung zum Thema, die am Freitag im Aichacher Feuerhaus -coronabedingt in kleinerem Rahmen vor geladenen Gästen - eröffnet wurde. Sie setzt die Bayerische Landesausstellung 2020 fort. Diese hatte sich mit den Städtegründungen der Wittelsbacher und der Entwicklung der Städte bis Anfang des 20. Jahrhunderts beschäftigt. Die neue Ausstellung "Stadt im Wandel - Vom Mittelalter zur Smart City" verfolgt die Entwicklung Aichachs bis heute weiter und wirft darüber hinaus einen Blick in die Stadt von morgen.
Die Corona-Pandemie, die schon die Landesausstellung 2020 ordentlich durcheinandergewirbelt hatte, machte den Organisatoren auch in diesem Jahr die Planung nicht leicht. Innerhalb von nur fünf Monaten stellten sie die Schau auf die Beine. Die technische Ausrüstung stellt erneut das Haus der Bayerischen Geschichte zur Verfügung. Die Gruppe Gut aus Bozen, die die Landesausstellung grafisch aufbereitet hatte, ist ebenfalls wieder dabei. Viele Helfer aus Stadtverwaltung und -gesellschaft packten für die Neuauflage mit an, halfen bei der Organisation oder steuerten Bilder und Texte bei.
Bürgermeister: Fortsetzung der Landesausstellung 2020 war klar
Peter Wolf vom Haus der Bayerischen Geschichte erinnerte an die Landesausstellung: "Wir haben oft gesagt: Da müssten wir noch tiefer gehen, noch weitermachen." Doch ein Ausstellungsort sei endlich. Umso schneller war Bürgermeister Klaus Habermann zufolge für die Stadt Aichach klar, "eine Folgeausstellung [...] zu konzipieren, deren Thema sich eigentlich direkt aufgedrängt hat".
Früher hätten große Städte vor allem die geballte Unterbringung von Menschen in den Zentren und eine reibungslose Abwicklung des Verkehrs zum Ziel gehabt. Heute stünden vielmehr Aufenthaltsqualität und - nicht erst seit der Corona-Pandemie, aber nun umso mehr - smarte, digitale Lösungen für den Städtebau im Fokus. So biete eine Smart City Platz für Innovationen und die Erprobung neuer Ideen, Verhaltensweisen und Lösungswege, verbunden mit allen Risiken einer umfassenden digitalen Vernetzung.
Neue Ausstellung in Aichach: Vom Mittelalter bis in die Zukunft
Sarah Schormair, Kuratorin der neuen Ausstellung und bereits im Projektteam der Landesausstellung 2020, machte deutlich, vor welchen Herausforderungen Städte in der Zukunft stehen: Bereits jetzt lebe rund die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Schätzungen zufolge könnten es bis 2050 rund zwei Drittel sein.
Die Besucher von "Stadt im Wandel" erleben in fünf Räumen multimedial und vielfältig aufbereitet die Geschichte der Stadt Aichach nach. Der Schwerpunkt liegt weniger auf historischen Ereignissen, sondern darauf, wie sich die Stadt im Lauf der Jahrhunderte verändert hat. Wer die Bayerische Landesausstellung 2020 - etwa aufgrund der Corona-Pandemie - nicht besucht hat, bekommt nun eine zweite Chance, Teile davon doch noch zu sehen. Wer 2020 dabei war, wird sich freuen, einige Elemente wieder und andere neu zu entdecken.
Multimedialer Spaziergang durch die Stadt Aichach von 1914
Zu Beginn sehen Besucher noch einmal einen kurzen Film mit Schauspielern und Animationen über die Entstehung der Stadt. Dieses Mal in 2-D statt 3-D, um die Besucher mit größeren Abständen unterbringen zu können. Danach treffen sie auf das Stadtmodell von 1914, das bei der Landesausstellung einer der Anziehungspunkte gewesen war. Die Kuratorin, die die geladenen Gäste in Gruppen durch die Ausstellung führte, unterstrich: "Aichach war da noch sehr mittelalterlich geprägt." Erst im Lauf des 20. Jahrhunderts hätten sich die Strukturen verändert. An die Wände projizierte, überlebensgroße Fotos aus dieser Zeit erwecken den Eindruck, als streife man mitten durch die damalige Stadt.
Der nächsten Raum widmet sich den rasanten Veränderungen vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Besucher erleben die Zeit anhand von Fotos, Videos, kurzen Texten an der Wand sowie bedienbaren Bildschirmen nach. Angst vor inhaltlicher Überfrachtung oder langen historischen Abhandlungen muss niemand haben. In wohldosierten Portionen vollzieht die Ausstellung die Entwicklung Aichachs nach. So wirft sie Schlaglichter auf das Wachstum Aichachs dank der Bahnlinie, die Kriegszeit und die mühsamen Jahre danach, die Wirtschaftswunderjahre und die allmähliche Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen und Gewerbe im bis dahin agrarisch geprägten Aichach - immer wieder illustriert durch Fotos aus der damaligen Zeit.
Ausstellung im Feuerhaus: Rückblick auf die Altstadtsanierung
Wie im Zeitraffer wird deutlich, was sich verändert hat und was gleich geblieben ist. Gebäude wie das Kaufhaus Schmederer sind zu sehen. Ebenso wie die Arbeiten zur Altstadtsanierung Ende der 1970er Jahre, als in kürzester Zeit eine Million D-Mark verbaut und "alles auf den Kopf gestellt wurde", wie Schormair schmunzelnd formulierte.
Auf einem kleinen Monitor ist der tonlose Film über den NSDAP-Kreisparteitag 1938 in Aichach zu sehen. Er war nach seiner überraschenden Wiederentdeckung in Aichach 2016 erstmals wieder öffentlich gezeigt worden. Die mit Hakenkreuzflaggen ausstaffierte Stadt wurde damals zur Bühne für vermeintlich harmloses Brauchtum - und für paramilitärische Übungen, die die Inszenierung durchbrachen und den eineinviertel Jahre später beginnenden Zweiten Weltkrieg vorwegnahmen. Der Streifen enthält die ersten Farbfilmaufnahmen von Aichach.
Vom Grünzug an der Paar in Aichach in die Megacitys dieser Welt
Die Ausstellung bezieht aber bewusst auch die Stadtentwicklung der Gegenwart ein. So zum Beispiel die Entstehung des Grünzugs an der Paar infolge des Hochwassers von 1994. Einen Raum weiter schlägt die Schau mit Filmen, Texten und Hörstationen den Bogen zu den internationalen Megacitys dieser Welt - und damit zurück zur Landesausstellung 2020.
Die titelgebende Smart City erwartet die Besucher zum Schluss. Wer mit diesem Sammelbegriff vor der Ausstellung noch nicht viel anfangen konnte, wird hinterher einiges mehr darüber wissen. Ein kurzer Film gibt eine Einführung. Aufs Wesentliche reduzierte Schaubilder an der Wand greifen Schwerpunkte wie Klimawandel, Mobilität, lebendige Stadtzentren, aber auch die Schattenseiten umfassend vernetzter Städte auf. Auf einem Energiemonitor von Lechwerken und Bayernwerk können Besucher in Echtzeit verfolgen, wie viel Energie in der Stadt verbraucht und erzeugt wird, sowie verschiedene Diagramme und Statistiken dazu aufrufen. Wer sich lieber daheim in die Details vertieft, scannt den angebotenen QR-Code mit seinem Smartphone ab und hat die Daten dann auf dem Handy.
Wie Aichach sich auf den Weg zur Smart City macht
Was sich in der Stadt Aichach auf dem Weg zur Smart City tut, ist buchstäblich im Vorbeigehen in Richtung Ausgang zu erfahren: von kostenlosen, öffentlichen WLAN-Hotspots bis hin zu Mülleimern, die digital an die Stadtverwaltung melden, wenn sie ausgeleert werden müssen, und tatsächlich schon in Aichach zu finden sind.
Die Organisatoren hoffen nun, dass die Pandemie die weiteren Pläne rund um die Ausstellung zulässt. Währenddessen hat der Bürgermeister schon das nächste Jahr im Blick: Ideen für eine weitere Fortsetzung habe die Stadt bereits im Kopf, kündigte er augenzwinkernd an.
Am Rande der Ausstellung wurden am Freitagabend der Aichacher Musiksommer und das Kunstprojekt "StadtKunst - BauSteine" eröffnet, das gezielt auf die Ausstellung hin ausgerichtet ist.
Info Die Ausstellung im Aichacher Feuerhaus ist bis 21. November zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis freitags von 14 bis 17 Uhr; samstags, sonn- und feiertags von 10 bis 18 Uhr; montags geschlossen. Mit dem Aichacher Kulturticket können die Ausstellung im Feuerhaus, die Ausstellung im Sisi-Schloss sowie das Stadtmuseum und das Wittelsbacher Museum besucht werden.