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Affing-Mühlhausen: Genervte Anwohner und Staus: So geht es im Berufsverkehr zu

Affing-Mühlhausen

Genervte Anwohner und Staus: So geht es im Berufsverkehr zu

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    Genervte Anwohner und Staus: So geht es im Berufsverkehr zu
    Genervte Anwohner und Staus: So geht es im Berufsverkehr zu

    Morgens, kurz vor halb acht, am Mühlhauser Berg. Es ist nichts los. Freie Fahrt nach unten, dann ist Schluss. Rechts liegt das Gasthaus, vor der Motorhaube liegt das Ende des Staus. 400 Meter weiter oben wundert sich Ernst Baumgartl ein wenig. Oft stehe um diese Zeit Auto an Auto bis zu seinem Haus, versichert er. Manchmal bis Bergen hinein.

    Seit einem Jahr geht Baumgartl nicht mehr zur Arbeit. Jetzt ist der 63-Jährige viel daheim und der Verkehr fällt ihm erst so richtig auf. Er stört ihn und seine Frau Centa. In der Küche ist es ruhig. Der Gast soll beim Frühstück hören, wie laut es an der Staatsstraße 2035 ist. Das Rauschen der Autos dringt nur gedämpft durch die dreifach verglasten Fenster. Doch plötzlich macht’s „kwumm, wumm“. Der Rentner hält inne: „Da, das war’s. Haben Sie’s gehört?“ Der Lastwagen war nicht zu überhören. Es war einer mit einer lose liegenden Ladung, wie Baumgartl erklärt. Die scheppern besonders. „Das passiert am Tag 200 Mal“, sagt er.

    Viel Verkehr herrscht in der Ortsdurchfahrt in Mühlhausen - zu den Stoßzeiten, aber auch am Nachmittag. Die Staatsstraße Richtung Augsburg ist viel befahren.
    Viel Verkehr herrscht in der Ortsdurchfahrt in Mühlhausen - zu den Stoßzeiten, aber auch am Nachmittag. Die Staatsstraße Richtung Augsburg ist viel befahren. Foto: Josef Abt

    Sein Bruder Jürgen vom Haus nebenan ist auf einen Kaffee vorbeigekommen. Der Verkehr bewegt auch ihn. „Um 5.30 geht’s los bis um 8 Uhr und abends wieder von 16 bis 20 Uhr. Am Sonntag fängt es um 21.30 Uhr an, da kannst du die Uhr danach stellen“, erzählt der 56-Jährige. Zeitlebens wohnen die Brüder am Mühlhauser Berg. Der Verkehr ist immer schlimmer geworden. Besucher fragen sie: „Wie könnt ihr da leben?“ Draußen rauschen täglich 11000 Fahrzeuge vorbei. Das haben aktuellste Gutachten ergeben. Nachdem vor ein paar Jahren die Straße aufgerissen worden war, kam bald das „kwumm-wumm“ der Lastwagen dazu. Auf ihren Terrassen mögen die Baumgartl-Familien nicht mehr sitzen. Der 63-Jährige und seine Frau haben ernsthaft daran gedacht wegzuziehen. Ihr Sohn, das wissen sie, „geht da ned her, nie und nimmer“. Doch so leicht trennt sich keiner von Haus und Hof. Im Elternhaus nebenan wohnt die Mutter. Zentimeterdicke Mauerrisse hat ihr dort Sohn Jürgen vergangenes Jahr geflickt. Der Verkehr setzt dem Bau aus den 60-ern zu. Und jetzt ist auch noch der Hang instabil.

    Mühlhausen: Die Straßenschäden nehmen zu

    Die Staatsstraße vor dem Haus ist ein Fleckerlteppich. Die Schäden und Wellen, die Lastwagen zum Scheppern bringen, sind unübersehbar. Ernst Baumgartl sagt: „Man wünscht sich Hilfe.“ Er fände es schön, wenn zumindest die Straße gerichtet würde. Auf der gegenüberliegenden Seite ragen Einfassungssteine schräg nach außen. Ist das der Druck, den der Hang ausübt? Oder war’s ein Lastwagen?

    Um 7.50 Uhr steigt Centa Baumgartl ins Auto. Jetzt kommt sie ungehindert durch. Wäre Stau vor ihrem Haus, würde sie das nicht tun. Dann bräuchte sie für die 1,2 Kilometer zu ihrer Arbeitsstelle im Gewerbegebiet Unterkreuthweg 15 oder 20 Minuten. Da fährt sie lieber erst, wenn der Stau weg ist.

    Eine Stunde früher hätte Centa Baumgartl keine Chance. Werktags um 7 ist die Welt nicht in Ordnung. Dann ist Mühlhausen ein einziger Stau. Wer am Gewerbegebiet vom Seeweg nach links ortsauswärts will, braucht Zeit, Geduld und Nerven. Über 17000 Autos fahren dort täglich, zehn Prozent mehr als 2009. Autofahrern gegenüber, die aus dem Unterkreuthweg links Richtung Ortsmitte abbiegen wollen, geht’s nicht besser. Fünf Minuten Wartezeit sind keine Seltenheit, wird Pfarrer Max Bauer später beim Bäcker erzählen. Selbst kurz vor 8 Uhr und ohne Stau dauert’s über eine Minute, bis die Ausfahrt klappt. Das auch nur, weil eine freundliche Autofahrerin den wartenden Wagen herauswinkt. Ein Unfallschwerpunkt ist die Kreuzung nicht. Doch Auffahrunfälle gibt es immer wieder. Gefährlich sei es dort, klagen die Mühlhausener stets im Gemeinderat. Man solle nicht warten, bis etwas Schlimmes passiert. Deshalb soll nun eine Ampel her.

    Dazu gibt es geteilte Meinungen. Die einen argumentieren für Sicherheit, andere befürchten, dass sich nur der Stau verstärkt. Das ist bei der Drückampel in der Ortsmitte zu beobachten. Barbara Schäfer, die kurz vor 8 Uhr an der Haltestelle „Sparkasse“ unweit der Einmündung der Staatsstraße 2381 in die Ortsdurchfahrt wartet, kennt das alles. Dann verstärkt sich auch der Rückstau auf der Straße aus Richtung Rehling und ihre Linie ist nicht pünktlich. „Zu 80 Prozent kommt der Bus zu spät“, sagt Schäfer. Sie hat sich arrangiert. Eine Verspätung kann sie sich nicht leisten, deshalb fährt Schäfer immer eine halbe Stunde früher. Heute ist die Einmündung frei. Der Bus verspätet sich trotzdem etwas. Schäfer wartet gelassen. Ins Grübeln kommt sie aber schon. In den Autos sitze immer nur einer, stellt sie fest. Würden sich drei zusammentun, wäre nur jeder dritte Wagen unterwegs. Von der geplanten Westumfahrung spricht sie nicht. Für einen 30-Jährigen aus Mühlhausen, der an diesem Morgen ebenfalls unterwegs ist, ist sie aber ein Thema. Er kann sich an eine Unterschriftensammlung erinnern, mit der für die Umgehung geworben wurde. Da war er Grundschüler. Heute sagt er: „Die Umgehung wird niemals kommen.“

    Leiden unter dem schlechten Straßenzustand am Mühlhauser Berg: die Brüder Ernst (links) und Jürgen Baumgartl. Sie sagen: So schlimm wie jetzt war es noch nie.
    Leiden unter dem schlechten Straßenzustand am Mühlhauser Berg: die Brüder Ernst (links) und Jürgen Baumgartl. Sie sagen: So schlimm wie jetzt war es noch nie.

    Verkehr: Bürger verlieren glauben an Umgehung

    Wie er haben immer mehr Menschen ihre Zweifel, auch wenn die Gemeinde gerade die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren vorbereitet. Am Küchentisch stellt Jürgen Baumgartl nüchtern fest: „Es hat keiner mehr den Glauben, dass die Straße überhaupt kommt.“ Sein Bruder ist enttäuscht vom Gemeinderat. „Wenn die zusammenhalten würden...“, denkt der 63-Jährige laut. Doch eine Einheit gibt es bei dieser Frage in der Einheitsgemeinde Affing eben nicht. Die Baumgartls können irgendwie verstehen, dass die Anwaltinger eine Umgehung im Norden ihres Dorfes nicht so gern haben wollen. Aber etwas tolerant könnten sie schon sein, finden sie. Die Anwaltinger wären mehrere 100 Meter weg von der Straße, sie aber hätten sie 15 Meter vor dem Haus. In der Verwandtschaft, in der es auch Gegner des Projektes gibt, wird das Thema ausgespart, erzählen die Baumgartls.

    Dieses Konfliktpotenzial ist auch in der Bäckerei in Mühlhausen zu spüren. Die Rentner, die dort gegen 8.45 Uhr gemütlich am Ecktisch sitzen, werden ernst. Ihre Namen wollen sie nicht sagen. Eine 63-Jährige aus Bergen erklärt, warum: „Es kann passieren, dass man arg angefeindet wird.“ Doch auch für sie löst nur eine Umgehung die Verkehrsprobleme. Eine Rentnerin aus Anwalting sagt zur Umgehung lieber nichts. Sie zuckt die Schultern, überlegt, dann stellt sie ganz allgemein fest: „Alle fahren’s Auto, aber niemand will eine Straße.“ Die Rentner weichen den Stoßzeiten aus. Denn um 7 Uhr von Bergen nach Mühlhausen runterzufahren, sei „kriminell“, berichtet die 63-Jährige. Bei dem Thema vergeht auch der fröhlichen Verkäuferin das Lachen. Veronika Hörmann stöhnt: „Es ist katastrophal.“ Bei Stau ist im Laden nichts los. Keiner hat Zeit für einen Stopp. Dann schmunzelt Hörmann doch wieder und erzählt, dass sie und ihre Kollegen guten Bekannten draußen im Stau schon mal Butterbrezen ans Auto bringen. Der Affinger Rentner am Ecktisch löst die Verkehrsprobleme auf seine Weise: „Ich fahr’ mit dem Radl.“ Doch das ist nicht ohne. Zumindest für die, die über den Mühlhauser Berg müssen. Die Baumgartl-Brüder am Küchentisch jedenfalls sind sich einig: Mit dem Rad auf der Straße fahren, sei „Kamikaze“. Doch der Gehweg sei zu eng für alle. Es sei einfach gefährlich. Besonders für die Schüler, die jeden Tag zur Realschule müssen. Ernst Baumgartl hat deshalb ein schlechtes Gewissen, wenn er auch noch die Mülltonnen dort abstellt. Eine Mutter schiebt daran gerade ihren Kinderwagen vorbei. Autos sind nicht in Sicht. Morgens um 9 ist es ruhig am Mühlhauser Berg.

    Lesen Sie dazu den Kommentar "Affinger Verkehr: Der Bürgermeister ist gefordert"

    Lesen Sie auch den Artikel "Verkehrsprobleme in Affing: Ausschuss soll mithelfen"

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