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Aichach: AWO-Vorsitzender zu Corona in Aichacher Heim: „Belastung für alle“

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AWO-Vorsitzender zu Corona in Aichacher Heim: „Belastung für alle“

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    Der Vorsitzende der AWO Schwaben, Heinz Münzenrieder, bezeichnet die Situation im Aichacher Heim der Arbeiterwohlfahrt als belastend.
    Der Vorsitzende der AWO Schwaben, Heinz Münzenrieder, bezeichnet die Situation im Aichacher Heim der Arbeiterwohlfahrt als belastend. Foto: Erich Echter

    Elf Bewohner des Aichacher AWO-Heims sind nach Angaben des Gesundheitsamtes, das sich dabei auf die Totenscheine beruft, bislang am Coronavirus gestorben. Sechs weitere verstorbene Bewohner waren damit infiziert, bei ihnen war das allerdings nicht die Todesursache. Am Mittwoch nahm Heinz Münzenrieder, Vorsitzender der AWO Schwaben, Stellung dazu.

    Gesundheitsamt: Heim beachtete „Einmaleins der Infektionshygiene nicht“

    Ende vergangener Woche hatte der Leiter des Gesundheitsamtes Aichach-Friedberg und Epidemiologe, Dr. Friedrich Pürner, schwere Vorwürfe gegen Heim und insbesondere dessen Leitung erhoben: Vor allem zu Beginn des Ausbruchs sei „wertvolle Zeit verschwendet“ worden. So habe das Heim die Meldepflicht verletzt, als es vier erste Verdachtsfälle unter den Bewohnern gab: Von deren positiven Testergebnissen habe das Amt nur durch Labors erfahren. Auch in den Tagen danach habe es bei Ortsterminen des Gesundheitsamtes im Heim „immer noch einige Dinge nachzubessern“ gegeben. Das Heim habe „das Einmaleins der Infektionshygiene“ nicht ausreichend beachtet, wozu neben Hände- waschen gehöre, dass kranke Mitarbeiter – auch ohne eindeutige Corona-Symptome – daheimbleiben.

    AWO-Vorsitzender: Gesundheitsamt kennt „Welt der Seniorenheime“ nicht

    AWO-Vorsitzender Münzenrieder ging nur indirekt auf die Vorwürfe ein: Die Infektionshygiene-Experten, zum Beispiel in den Gesundheitsämtern, leisteten „gute Arbeit“. Allerdings würden sie „die Welt der Seniorenheime – wir führen 25 davon – naturgemäß nicht immer von innen kennen“. Münzenrieder nennt als Beispiele „die Ängste der Mitarbeiter bei der Pflege und Versorgung infizierter hochbetagter Bewohner. Oder gar die Belastung beim Tod eines solchen oft lieb gewonnenen Menschen“.

    Hinzu komme, dass nach Ausbruch der Pandemie Mitarbeiter in Quarantäne geschickt werden mussten und Personal aus benachbarten Häusern einspringen musste, was zu „einer weiteren großen Herausforderung“ geführt habe. Schließlich sei auch noch der Einrichtungsleiter ausgefallen. Er wurde, wie berichtet, positiv auf Covid-19 getestet.

    Münzenrieder: „Viele schreckliche Todesfälle“ in Aichacher Heim

    Münzenrieder weiter: „Von einer Stunde auf die andere den Schalter umzulegen, vom gewohnten offenen und gemeinschaftsbezogenen Haus – vom gelebten Miteinander – zu einer Einrichtung, die jetzt schon wochenlang (aber auch notwendigerweise) dem Regiment des Katastrophenschutzes unterstellt ist, dies kann nicht frei von Komplikationen geschehen.“ Er beklagt seelische Beeinträchtigungen bei Bewohnern, Mitarbeitern, Angehörigen. „Die Situation vor Ort – hier in unserem Aichacher Heim besonders gekennzeichnet durch die vielen schrecklichen Todesfälle – führt zu Belastungen für alle in einem bisher so noch nie vorgekommenen Ausmaß.“

    AWO-Vorsitzender fordert vorsichtige Öffnung von Seniorenheimen

    Auch die Bewohner hätten Sorgen und Ängste – „hervorgerufen durch die jetzt über Wochen andauernde körperliche und seelische Vereinsamung und konfrontiert durch Betreuer mit Masken oder gar in Vollkörper-Schutzkleidung“. Münzenrieder führt außerdem die „bedrückende Lage der Angehörigen“ an, die seit Wochen keinen direkten Kontakt zu den Heimbewohnern hätten. Er fordert, hier „zeitnah eine Änderung“ vorzunehmen: „Eine vorsichtige und verantwortungsvolle Öffnung der Seniorenheime ist das Gebot der Stunde.“ Alle Beteiligten – „die virologische Seite und deren soziales Pendant“ – müssten gemeinsam Wege finden.

    Auf Nachfrage unserer Redaktion hatte AWO-Vorstandsvorsitzender Dieter Egger in den vergangenen Tagen mehrfach die Vorwürfe des Gesundheitsamtes zurückgewiesen. Am Freitag erklärte er, er kenne sie nicht. Am Montag, nachdem seine Vorwürfe bekräftigt hatte, sagte er, entsprechende E-Mails des Gesundheitsamtes lägen dem Heim vor , seien aber „undetailliert, unspezifisch“, nicht als Prüfberichte erkennbar, und „elementare Inhalte“ seien „zum Teil nicht enthalten“. Egger kritisierte vielmehr die späte Reihentestung von 61 Bewohnern und 92 Mitarbeitern im Heim. Das Gesundheitsamt vertrat stets die Auffassung, konsequenter Infektionsschutz sei wichtiger, Tests immer nur eine Momentaufnahme. Selbst nach früheren Tests von 40 Bewohnern und 30 Mitarbeitern habe es immer weitere Erkrankte gegeben. Das Gesundheitsamt wertet die Ergebnisse der Reihentestung aktuell noch aus.

    Zahl der Corona-Infizierten im Landkreis Aichach-Friedberg sinkt

    Im Landkreis sind dem Gesundheitsamt aktuell 54 an Covid-19 Erkrankte bekannt. Seit Beginn wurden insgesamt 295 Personen mit positivem Testergebnis registriert, davon sind 221 wieder gesund. 20 Menschen, bei denen eine Covid-19-Infektion nachgewiesen werden konnte, starben. 17 davon waren Bewohner des AWO-Heims in Aichach. In den Kliniken an der Paar werden derzeit sieben positiv auf Covid-19 getestete Patienten behandelt, vier davon beatmet.

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