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Mit dem Zug quer durch die USA fahren. Wie man mit dem Zug von Seattle nach New York gelangt und damit quer durch Nordamerika fährt.

Zugfahrt durch die USA

Von Küste zu Küste: Eine 6600 Kilometer lange Entdeckungsreise mit dem Zug durch die USA

Viele Schluchten in Utah verdanken sich dem Green River. Die Zugtrasse verläuft über weite Strecken entlang des Flusses, der später in den Colorado River mündet.
Viele Schluchten in Utah verdanken sich dem Green River. Die Zugtrasse verläuft über weite Strecken entlang des Flusses, der später in den Colorado River mündet. Foto: Finn Huwald/dpa-tmn

Frühmorgens an einem kalten Tag in Seattle. Am Bahnhof ertönt die Durchsage: Eine Schlammlawine versperre die Strecke. Der Zug könne nicht fahren. Nach langem Warten heißt es: ab mit Bussen nach Portland. Leider verschleiert Nebel die Blicke auf bekannte Vulkane wie den Mount Rainier.

Mit Verspätungen, Umleitungen und Ersatzverkehr sind Zugreisende nicht nur in Deutschland geschlagen, auch in den USA kommen sie häufig vor. Dafür aber locken unterwegs ganz andere Dimensionen.

Tausende Kilometer lange Strecken, spektakuläre Natur in Überdosis: Zugfahren in den USA ist ein unvergessliches Erlebnis. Man kann tage- oder sogar wochenlang durch das drittgrößte Land der Welt mit den Amtrak-Bahnen reisen. Mit über 30 Linien und knapp 34.500 Schienenkilometern ermöglicht das Zugunternehmen Fahrten innerhalb der USA und auch teilweise in Kanada zu über 500 Zielen in 46 Staaten. So wirbt Amtrak auf seiner Webseite. Für uns geht es auf einer der wohl atemberaubendsten Strecken von Seattle an der West- nach New York City an der Ostküste.

Schlafen im Sitzen – bequem geht anders

Mit einigen Stunden Verspätung startet in Portland schließlich die Zugreise nach Sacramento in Kalifornien. Schon beim Anblick des silberglänzenden Schienengespanns fühlt man sich wie in einem Hollywood-Film – es riecht nach Abenteuer.

Doch die erste Nacht auf einem ganz normalen Zugsitz – Schlafabteile sind vergleichsweise teuer – gerät ziemlich ungemütlich. Eine eigene Decke und Kopfkissen sind ein Muss. Um sechs Uhr klingelt der Wecker.

Umstieg in Sacramento vom „Coast Starlight“-Zug in den „California Zephyr“. „Anstatt das Flugzeug zu nehmen, was die herkömmliche Art des Pendelns ist, wollte ich den berüchtigten Weg mit dem Amtrak ausprobieren“, erzählt der mitreisende indische Student Arunachalam Barathidasan. Immer wieder hört man, dass in den USA nur geflogen wird, aber vom Zugfahren ist kaum die Rede.

Dabei nutzten im vergangenen Jahr rund 28,6 Millionen Gäste Amtrak, ein Bruchteil zwar im Vergleich zu den Flugpassagieren, aber die Kurve zeigt nach oben: „Im Geschäftsjahr 2023 stiegen die Fahrgastzahlen im Fernverkehr um fast 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Amtrak ist ein starker Konkurrent für Fluggesellschaften in vielen regionalen Märkten.“ Sagt zumindest Amtrak-Sprecherin Kelly Just.

Die Strecke des „California Zephyr“ führt von der San Francisco Bay bis nach Chicago und bietet somit die längste durchgehende Zugfahrt in den USA. Es geht über drei Tage durch sieben Bundesstaaten, laut Kelly Just die beliebteste Langstrecke in den USA. Spektakuläre Abschnitte in den Rocky Mountains warten – und nicht nur die.

Um die Natur besonders zu bestaunen, bietet der Fernzug, wie andere Zuglinien auch, ein Highlight für Schaulustige: den Sightseeing-Waggon. Durch riesige Panoramafenster verschmilzt der Zug mit der Natur.

So schlängelt sich der Silberpfeil durch die verschneiten Berge von Kalifornien zunächst bis nach Reno in Nevada. Das Abteil mit den Fensterfronten ist voll besetzt. Touristen und andere Reisende sitzen quer zur Fahrtrichtung, um den perfekten Blick nach draußen zu genießen. Als die Sonne sich verabschiedet, ist das Bedauern groß.

Kurze Pause irgendwo in Colorado: Lokomotiven der Union Pacific sind bei Amtrak normalerweise nicht im Einsatz. In diesem Fall war es aufgrund von Problemen aber so.
Kurze Pause irgendwo in Colorado: Lokomotiven der Union Pacific sind bei Amtrak normalerweise nicht im Einsatz. In diesem Fall war es aufgrund von Problemen aber so. Foto: Finn Huwald/dpa-tmn

Schneebedeckte Berge, goldene Wüsten

Aber schon beim Aufstehen geht das Staunen weiter. Die Lichter von Salt Lake City in Utah brennen noch, von hinter den Bergen schimmert das Tageslicht immer heller. Der Zug schaukelt hin und her, tastet sich streckenweise langsam vorn, die Natur fährt die ganze Bandbreite auf: Erst ziehen schneebedeckte Berge vorbei, dann die Wüsten von Utah. Schließlich dringt der „California Zephyr“ in tiefe Canyons vor.

So viel Vielfalt in vergleichsweise kurzer Zeit muss man erst einmal verarbeiten, doch die Landschaft ist einer der Hauptgründe, aus denen sich Kundinnen und Kunden auf eine Amtrak-Fernreise begeben, hat eine Befragung ergeben.

Dass von Küste zu Küste schon vor über 150 Jahren Züge fuhren, ist schwer vorstellbar. Als erste Zugstrecke in Nordamerika führt die Association of American Railroads die „Baltimore and Ohio Railroad“ anno 1827 auf, 1830 beginnt in South Carolina der erste regelmäßige Personen-Zugverkehr in den USA, und 1869 wird die erste transkontinentale Linie zwischen den Goldgräberstädten der Westküste und den Zentren der Ostküste vollendet. Wird solch eine Reise irgendwann langweilig? Nein, die Natur fesselt unentwegt. Es geht durch orange-gelbe Schluchten, grüne Flüsse schlängeln sich durch die Landschaft, dann schweift der Blick wieder über endlose Steppen mit Sträuchern. Allein die Farbenvielfalt ist spektakulär.

Ikonischer Anblick, den man schon kennt, bevor man vor Ort war: Downtown Manhattan bei Nacht.
Ikonischer Anblick, den man schon kennt, bevor man vor Ort war: Downtown Manhattan bei Nacht. Foto: Finn Huwald/dpa-tmn

Noch 20 Stunden bis New York

Schließlich, nach 30 Stunden, kurvt der Zug durch die Rocky Mountains in Richtung Denver, die „Mile High City“, deren Capitol eine Meile über dem Meeresspiegel liegt. Weiterfahrt nach Chicago, durch die Nacht, der Zug ist jetzt vergleichsweise leer. Dieses Mal beim Aufwachen keine traumhaften Berge, nur Felder. Doch die Faszination bleibt angesichts der Weite, die wieder daran denken lässt, dass man über Tausende Kilometer quer durch ein Land fährt.

Zwischendurch überquert der Zug den Mississippi River. Langsam zuckelt er über eine Stahlbrücke. Wenige Stunden später erreicht der „California Zephyr“ den Endhaltepunkt Chicago, sogar pünktlich.

Am späten Abend setzt sich der tägliche verkehrende „Lake Shore Limited Train“ in Bewegung, mit dem es in knapp 20 Stunden nach New York City geht. Jetzt ist viel Zivilisation an Bord, die Waggons sind rappelvoll. Das Wetter ist schlecht, die Sicht unspektakulär.

Andererseits wecken die vielen weltbekannten Attraktionen auf einer Zugreise quer durch die Staaten auch Assoziationen und Erinnerungen: etwa der Hudson River, der als Highlight in den letzten Stunden entlang der Trasse der ständige Begleiter ist.

Auf diesem Fluss geschah vor 15 Jahren das „Wunder vom Hudson“, die Notlandung eines Passagierflugzeuges. Ein Schwarm Gänse war in die Triebwerke geraten. Der Pilot landete den Flieger sicher auf dem Hudson River in New York City. Die Bilder gingen um die Welt.

Und dann erscheint als unser Ziel New York City am Horizont. Das Abenteuer ist zu Ende: einmal quer durch die USA, fünf Tage Zugreise, 13 Staaten, rund 6600 Kilometer auf Schienen. Und kaum eine Sekunde Langeweile. tmn

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