Wenn an diesem Pfingstsonntag der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke im Dom das Pontifikalamt zelebrieren und die Gemeinde „Komm, Schöpfer Geist“ anstimmen wird, dann werden nicht alle Kirchgänger festlich gestimmt sein. Drei Monate nach Bekanntwerden des Finanzskandals um fragwürdige Immobiliengeschäfte des Bistums, der bundesweit Schlagzeilen machte, ist die Stimmung weiterhin angespannt.
Engagierte Katholiken werfen dem Bischof vor, seiner Verantwortung nicht gerecht geworden zu sein. Ein Priester aus dem Bistum sagte nun: Viele seien empört, innerhalb der Kirche herrsche Misstrauen. Er glaube nicht, sagte der Priester, dass Hanke den Finanzskandal ehrlich und vollständig aufarbeiten wolle.
Für eine Verlustbilanz ist es zu früh. Wie viel Geld der Diözese am Ende fehlen könnte, ist noch unklar. Verloren aber – so viel steht fest – hat die katholische Kirche nicht nur an Glaubwürdigkeit, sondern auch an Mitgliedern. Zum Beispiel in Eichstätt: Das Standesamt der überschaubaren Universitätsstadt, das auch umliegende Gemeinden mitbetreut, verzeichnet im laufenden Jahr bereits fast so viele Kirchenaustritte wie im Jahr 2017.
Insgesamt waren es bislang 98 (2017: 101). Allein im Februar, als der Skandal öffentlich wurde, waren es 37 (nur Katholiken). Josef Zinsmeister, Leiter des Standesamtes, sagte auf Anfrage: „Kein Ereignis in den letzten Jahrzehnten hat eine so hohe Zahl von Kirchenaustritten nach sich gezogen.“ Beispiel Ingolstadt: Im Jahr 2017 gab es hier insgesamt 693 Austritte aus der katholischen Kirche. Bis Mitte Mai dieses Jahres waren es schon 377. Im Februar und März lag die Zahl jeweils über 100. Deutlich über dem Schnitt der Vormonate.
Finanzskandal in Eichstätt: Bischof Hanke zeigt sich selbstkritisch
Bischof Gregor Maria Hanke reagierte in Interviews bisher stets selbstkritisch, „erschüttert“ und „zutiefst beschämt“ auf den Finanzskandal. Auch über einen Rücktritt habe er nachgedacht, sagte er. Aber verantwortlich handeln heiße für ihn, sich nicht „vom Acker machen, sondern diesen Weg der Aufklärung und Umstrukturierung weiterzugehen“. Und so wurde unter anderem der Vermögensverwaltungsrat im Bistum bis auf einen Ruhestandsgeistlichen mit unabhängigen Experten neu besetzt. Der neue Finanzdirektor, Florian Bohn, ist kein Geistlicher, sondern Betriebswirt. Neue Diözesangesetze, die Hanke in Kraft setzte, sollen „eine klare Trennung zwischen operativem Geschäft und Kontrollinstanzen“ gewährleisten. Zudem stellte sich Hanke auf Veranstaltungen den Fragen der Gläubigen und Mitarbeiter zur Finanzaffäre.
Ulrich Hemel, Vorsitzender des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU), bescheinigt Hanke, dass es „erhebliche Bemühungen“ im Bistum Eichstätt gebe. Dennoch sagte er: „Bischof Hanke ist meiner Meinung nach mit der Aufarbeitung des Finanzskandals überfordert – schon deshalb, weil er nicht die notwendige ökonomische Kompetenz hat.“ Sollte der Bischof also zurücktreten? Hemels Antwort: „Mir wäre eine Reform der gesamten kirchlichen Finanzverwaltung lieber als der Rücktritt eines einzelnen Bischofs.“
Dass es Handlungsbedarf gibt, haben die deutschen Bischöfe erkannt. Nach Ansicht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, habe eine 2014 gestartete „Transparenzinitiative“ bislang aber nicht den gewünschten Erfolg gehabt.
Der Kirchenrechtsprofessor Thomas Schüller von der Uni Münster sagte unserer Redaktion dazu: „Inzwischen haben 24 von 27 Bistümern in unterschiedlichem Maße Transparenz an den Tag gelegt.“ Vergleichbar seien ihre Bilanzen dennoch nicht, weil nicht jedes Bistum auch das Vermögen jedes einzelnen seiner maßgeblichen Rechtsträger – Diözese, Bischöflicher Stuhl und Domkapitel – offengelegt habe. „Die Bischöfe wollen sich immer noch nicht allzu sehr in die Karten schauen lassen.“ Schüller hatte Hanke Versagen vorgeworfen. Er habe „ein verfilztes System ermöglicht“ und es den Beschuldigten „brutal leicht gemacht“.
Schaden für Bistum Eichstätt womöglich deutlich geringer
Das Bistum hatte den Skandal selbst öffentlich gemacht. Aber entgegen anderslautender Beteuerungen von Bischof Hanke soll dieser seinem früheren stellvertretenden Finanzdirektor, einem der Beschuldigten, recht nahe gestanden haben. So heißt es in Eichstätter Kirchenkreisen, der frühere stellvertretende Finanzdirektor habe als enger Vertrauter des Bischofs gegolten. Interessant auch die Rolle, die der Leitende Finanz- und Baudirektor des Bistums Eichstätt möglicherweise spielte, der Ende 2016 dieses Amt niederlegte. Auch als Domdekan zog er sich zurück; er nannte dafür „persönliche, nicht zuletzt auch gesundheitliche Gründe“.
Mit seiner Unterschrift hatte er die dubiosen Finanzgeschäfte offenbar ermöglicht, könnte hierbei aber von den Beschuldigten getäuscht worden sein. In der Strafanzeige des Bistums wird er, der zuvor als Caritasdirektor für fast 3000 Mitarbeiter verantwortlich war, als überfordert dargestellt – er habe „ohne tiefergehende wirtschaftliche Kenntnis“ gehandelt. Menschen, die ihn kennen, bezweifeln das. Die Katholiken, die Hanke Ende März bei der Kleruskongregation angezeigt hatten und – trotz eines abwartenden Bescheides aus Rom – nach wie vor eine unabhängige Untersuchung fordern, sehen ohnehin den Bischof und ihn in der „Hauptverantwortung“.
Auf Anfrage teilte die Staatsanwaltschaft München II am Freitag mit, dass es weiter nur zwei Beschuldigte gibt: den früheren stellvertretenden Finanzdirektor und eine „als Projektentwickler im Immobilienbereich tätige Person“. Ihnen werden Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr vorgeworfen. Sie haben teilweise gestanden; der frühere stellvertretende Finanzdirektor ist nicht mehr in U-Haft. Wie berichtet, gehen die Ermittler – anders als das Bistum – nur noch von einem gesicherten Vermögensschaden von mindestens einer Million US-Dollar aus. Dabei handele es sich um Bestechungszahlungen. Bei Bekanntwerden des Skandals war noch von einem mutmaßlichen Schaden in Höhe von 60 Millionen die Rede.
Ulrich Ziegert, Anwalt des früheren stellvertretenden Finanzdirektors, sagte: „Die vom Bistum Eichstätt in der Strafanzeige gegenüber meinem Mandanten erhobenen Tatvorwürfe sind aus meiner Sicht größtenteils nicht berechtigt. Dass mein Mandant nun wieder auf freiem Fuß ist, zeigt, dass die Staatsanwaltschaft das ähnlich sieht.“ Die Ermittlungen laufen.