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Geschlechtskrankheit: Syphilis bleibt oft unerkannt

Geschlechtskrankheit

Syphilis bleibt oft unerkannt

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    Viele in Deutschland wissen nicht, dass Syphilis eine Sex-Krankheit ist. Oft bleibt bei Betroffenen eine Infektion unbemerkt. Kondome schützen vor der Übertragung beim Sex.
    Viele in Deutschland wissen nicht, dass Syphilis eine Sex-Krankheit ist. Oft bleibt bei Betroffenen eine Infektion unbemerkt. Kondome schützen vor der Übertragung beim Sex. Foto: Peter Endig (dpa)

    Eine komische Stelle am Mund, ein bisschen Ausschlag - das war's oft schon. Auf die Idee, an Syphilis erkrankt zu sein, kommen die wenigsten, wenn sie solche Symptome haben. Das liegt auch daran, dass die Infektionskrankheit, die beim Sex übertragen wird, aus dem Bewusstsein vieler Deutscher verschwunden ist. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat zufällig ausgewählte Erwachsene gefragt, welche sexuell übertragbaren Krankheiten außer HIV sie kennen.

    Syphilis: Symptome treten erst sehr spät auf

    Vielleicht stecken sich auch deshalb seit 2010 wieder mehr Menschen in Deutschland mit Syphilis an. Im Jahr 2015 waren laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) 6834 Menschen betroffen - knapp 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Bemerkt der Erkrankte die Ansteckung nicht, kann Syphilis lebensbedrohlich werden. Wird sie rechtzeitig erkannt, genügt aber meist eine einzige Spritze, um sie wieder loszuwerden. 

    Die Syphilis-Erreger - Bakterien des Typs Treponema pallidum - werden in der Regel beim Sex übertragen, entweder durch Geschlechtsverkehr oder Oralverkehr, erklärt Prof. Norbert Brockmeyer, Präsident der Deutschen STI Gesellschaft zur Förderung der Sexuellen Gesundheit. Über winzige Verletzungen gelangt der Syphilis-Erreger in den Körper. "Die Wahrscheinlichkeit, sich bei ungeschütztem Sex mit einem Betroffenen anzustecken, liegt bei etwa 60 Prozent", sagt Brockmeyer, der auch das Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin am Uniklinikum Bochum leitet.

    Das Tückische an der Syphilis: Hat man sich angesteckt, bemerkt man es - wenn überhaupt - erst viel später. Symptome treten nämlich zwei bis drei Wochen nach der Ansteckung auf, erklärt Clara Lehmann, Expertin der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie.

    Beim Sex übertragen: So gefährlich ist unbehandelte Syphilis

    Wie verläuft eine Syphilis?

    Die Syphilis ist tückisch: Sie verläuft in mehreren Schüben und bleibt zu Beginn oft unbemerkt.

    Nach einer Infektion treten im Genitalbereich zunächst kleine, schmerzlose Geschwüre auf.

    Im zweiten Schub wird neun bis zehn Wochen später ein Hautausschlag sichtbar, rote Flecken bedecken den Körper.

    Doch erst nach drei bis fünf Jahren entfaltet die Krankheit ihre ganze Zerstörungskraft: Der Erreger greift Knochen, Gelenke und Organe an, es kann zu Lähmungen kommen.

    Dringt das Bakterium ins Gehirn vor, sind oft Geisteskrankheiten die Folge.

    Noch um 1900 siechte ein Drittel der Psychiatrie-Patienten in Deutschland mit der Diagnose Syphilis vor sich hin - unheilbar krank.

    Dies änderte sich erst grundlegend, als rund 20 Jahre nach dem Arsen-Präparat Salvarsan, das Paul Ehrlich 1909 entwickelte, das Penizillin entdeckt wurde.

    Wird die Krankheit nicht behandelt, verläuft sie in drei Stadien: Zunächst bildet sich ein Syphilis-Geschwür - oft an den Geschlechtsorganen oder am Mund. "Das heilt nach ein paar Wochen von selbst wieder ab", sagt Lehmann. Der Erreger verteilt sich aber unbemerkt im ganzen Körper. In diesem zweiten Stadium bekommen die Erkrankten meistens einen Hautausschlag, oft sind auch die Entzündungswerte im Blut erhöht, sie bekommen Fieber und fühlen sich allgemein krank. Jedoch: "Auch das heilt wieder ab, und Betroffene merken oft nicht, dass sie Syphilis haben."

    Im dritten Stadium der Syphilis, das ohne Behandlung mehrere Jahre nach der Infektion eintreten kann, schädigt der Erreger im schlimmsten Fall große Gefäße wie die Bauchaorta, so dass sie platzt. Durch die Erkrankung kann auch Nervengewebe im Gehirn oder Rückenmark abgebaut werden. Mögliche Folgen sind Psychosen oder Demenz, wie Lehmann erklärt. Mediziner sprechen in solchen Fällen von der Neurosyphilis, die hierzulande allerdings nicht so häufig vorkommt.

    Damit es so weit gar nicht erst kommt, muss eine Syphilis-Infektion frühzeitig behandelt werden. Meist genügt eine Penizillin-Spritze in den Gesäßmuskel, sagt Brockmeyer. Etwa sieben Tage später ist der Erkrankte nicht mehr ansteckend. In schweren Fällen spritzt der Arzt das Penizillin direkt in eine Vene.

    Syphilis: Erreger hat ohne Kondom leichtes Spiel

    Idealerweise steckt man sich aber natürlich gar nicht erst mit Syphilis an. Beim Sex sollten deshalb stets Kondome zum Einsatz kommen, erklärt Christine Winkelmann, Leiterin des Fachreferats Prävention von HIV/AIDS und anderen sexuell übertragbaren Infektionen der BZgA. Sie betont aber: "Die Nutzung von

    Kampf gegen Aids - Von der ersten Infektion zur effektiven Therapie

    1900: Vermutlich um die Jahrhundertwende geht ein HIV-Urtyp (SI-Virus) in Afrika vom Affen auf den Menschen über.

    1959: Ärzte entnehmen einem Mann im Kongo eine Blutprobe. Jahrzehnte später wird festgestellt, dass sich darin HIV-Antikörper befinden.

    1981: Die US-Gesundheitsbehörden melden, dass immer mehr Homosexuelle unter bis dahin seltenen Infektionen und Hauttumoren leiden. 

    1982: Krankheitsfälle treten auch bei Drogenabhängigen und Blutern auf. Die Krankheit bekommt den Namen Aids (Acquired Immune Deficiency Syndrome, Erworbenes Immunschwäche-Syndrom). In Deutschland wird die erste Aids-Diagnose gestellt.

    1983: Luc Montagnier und seinen Kollegen vom Pasteur-Institut in Paris gelingt es, das Aids-Virus zu isolieren. Der New Yorker Arzt Joseph Sonnabend benutzt erstmals den Begriff "Safer Sex". Auch in Deutschland wird verstärkt über das Thema Aids berichtet.

    1984: Robert Gallo entwickelt ein Zellkultursystem und schafft damit die Voraussetzung für die Entwicklung erster Aids-Tests.

    1985: Die erste internationale Aids-Konferenz tagt. 27 Millionen deutsche Haushalte bekommen Informationsbroschüren zugeschickt.

    1986: Experten bezeichnen den Erreger einheitlich als HIV (Human Immunodeficiency Virus, Humanes Immunschwächevirus).

    1987: Das erste Aids-Medikament AZT wird in den USA und wenig später auch in Deutschland zugelassen. Es kann die Virus-Vermehrung etwas bremsen.

    1991: Die rote Schleife (Red Ribbon) wird zum internationalen Aids-Symbol. Queen-Sänger Freddie Mercury stirbt an HIV.

    1996: Für Aufsehen sorgt die Entdeckung, dass einige Menschen eine genetisch bedingte, wenn auch nicht vollständige HIV-Resistenz haben.

    1999: Schweizer Ärzte haben außergewöhnlichen Erfolg mit einer Hochdosis-Kombinationstherapie aus mehreren Medikamenten (HAART), in der Folge wird diese Strategie zur Standardbehandlung.

    2002: Der Globale Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria wird zur Finanzierung nationaler Maßnahmen gegen diese Krankheiten gegründet.

    2003: Mit dem Fusionshemmer Enfuvirtid (Handelsname Fuzeon) kommt in den USA und der EU eine vierte Klasse von Aids-Medikamenten auf den Markt, nach den sogenannten Nukleosiden, Protease-Hemmern und Transkriptase-Hemmern.

    2008: Luc Montagnier wird gemeinsam mit Françoise Barré-Sinoussi für die Entdeckung von HIV der Medizin-Nobelpreis verliehen.

    2010: Barack Obama hebt das in den USA seit 1987 geltende Einreiseverbot für HIV-Positive auf.

    2014: Bei dem zunächst als "funktionell geheilt" geltenden "Mississippi-Baby" entdecken Ärzte erneut das HI-Virus. Das Mädchen war kurz nach der Geburt mit drei Medikamenten behandelt worden, nach einem halben Jahr entzog es die Mutter einer weiteren Therapie. Monate später war das Kind dennoch virenfrei gewesen. Dies bezeichneten Mediziner als Sensation - bis der Erreger doch wieder auftauchte.

    2016: Die Vereinten Nationen sprechen von einem Wendepunkt der Aids-Epidemie in Afrika. Zum ersten Mal würden auf dem Kontinent mehr Betroffene behandelt als sich neu infizieren.

    Statistisch gesehen sind vor allem Männer gefährdet, die Sex mit Männern haben: Laut RKI steckten sich knapp 85 Prozent der Betroffenen der Syphilis bei sexuellen Kontakten zwischen Männern an. Aber egal ob hetero- oder homosexuell - Syphilis trifft ohnehin eher Männer. Der Anteil der betroffenen Frauen lag 2015 bei 6,2 Prozent.

    Dass sich seit einigen Jahren wieder mehr Menschen mit Syphilis anstecken, liegt Experten zufolge auch an der eigenen Sorglosigkeit. Einige ziehen Sex ohne Kondom schlichtweg vor - auch wenn sie nicht mit ihrem langjährigen Partner schlafen, sagt Brockmeyer. Er sieht auch in Dating-Apps und Chats eine mögliche Ursache für den Anstieg der Syphilis. "Das ist eine Möglichkeit, die es früher nicht gab und die viel mehr sexuelle Kontakte ermöglicht." Und weil die späteren Sex-Partner vorher erstmal miteinander chatten, haben sie häufig das Gefühl, sich bereits zu kennen. Dadurch falle es leichter, das Kondom wegzulassen.

    Lehmann vermutet noch etwas anderes als begünstigenden Faktor der Syphilis: Seit einigen Jahren kann HIV mit Medikamenten so behandelt werden, dass die Virusmenge im Körper sehr gering ist. So können Betroffene ihren Partner bei ungeschütztem Sex nicht mehr anstecken. "Seitdem werden weniger Kondome verwendet, und die Zahl der Syphilis-Fälle und die anderer sexuell übertragbaren Erkrankungen steigt", sagt Lehmann. dpa/tmn/sh

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