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Bundesverwaltungsgericht: Urteil: Schmerzpatient erstreitet Recht auf Anbau von Cannabis

Bundesverwaltungsgericht

Urteil: Schmerzpatient erstreitet Recht auf Anbau von Cannabis

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    Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erlaubt einem schwerkranken Patienten den Cannabis-Anbau.
    Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erlaubt einem schwerkranken Patienten den Cannabis-Anbau. Foto: Koslowski, dpa/Ino (Symbolbild)

    Das Bundesverwaltungsgericht hat erstmalig einem schwerkranken Mann den Cannabis-Anbau zu Hause erlaubt. Wenn keine andere Therapiemöglichkeit zur Verfügung stünde, müsse einem Patienten so der Zugang zu Cannabis ermöglicht werden, entschieden die Bundesrichter.

    Damit hat die Klage eines an Multipler Sklerose erkrankten Mannes in dritter und letzter Instanz Erfolg. Der 52-Jährige aus Mannheim ist seit 1985 an MS erkrankt und lindert die Symptome seiner Krankheit seit vielen Jahren mit Cannabis.

    Die Bundesrichter in Leipzig entschieden, dass schwerkranke Patienten Cannabis zur Therapie anbauen dürfen. Das Entscheidende für den Anbau: Die Alternativlosigkeit. Der Kläger ist chronisch an Multipler Sklerose (MS) erkrankt, kämpft mit spastischen Lähmungen und depressiven Störungen. Kein anderes Medikament hilft ihm in gleicher Weise wie Cannabis. Er ist zuverlässig, hat jahrelange Erfahrungen im Umgang mit der Droge, ist als Erwerbsunfähiger finanziell eingeschränkt. Es sei bei diesem Kläger nicht gerechtfertigt, ihm die Möglichkeit der Selbsthilfe zu versagen, erklärt Philipp.

    Cannabis-Anbau zur Schmerztherapie: Urteil hilft Menschen ohne Alternative

    Das sollten Sie über Cannabis wissen

    Ausgangsquelle für Haschisch und Marihuana ist die Hanfpflanze "Cannabis sativa". Besonders stark konzentriert ist der Wirkstoff THC im Harz der Blüte, das als Haschisch konsumiert wird.

    Marihuana ist eine Mischung aus getrockneten Blättern, Blüten und Zweigen.

    "Hasch" wird geraucht, als Tee aufgebrüht oder in Nahrungsmitteln verarbeitet - gerne in Plätzchen.

    Häufiger starker Konsum kann nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen zur psychischen Abhängigkeit führen.

    Cannabis-Produkte werden seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt - manche Patienten dürfen Cannabis inzwischen legal verwenden.

    Cannabis gehört nach dem deutschen Betäubungsmittelgesetz zu den illegalen Suchtmitteln. Besitz, Anbau und der Handel sind verboten.

    Das Betäubungsmittelgesetz sieht Geldstrafen oder bis zu fünf Jahre Haft vor.

    Beim Umgang mit "nicht geringen Mengen" - bei Haschisch und Marihuana 500 Konsumeinheiten liegt die Höchststrafe bei 15 Jahren.

    Für "Gelegenheitskiffer" kennt das Gesetz die Untergrenze der "geringen Menge" zum Eigenverbrauch. Die Staatsanwaltschaft kann dann von einer Strafverfolgung absehen.

    Derzeit haben in Deutschland nach Angaben des BfArM 635 Patienten eine Ausnahmegenehmigung, Cannabis zur Eigentherapie erwerben zu dürfen. Das sollen sie in der Apotheke tun, wo ein Gramm Medizinalhanf mindestens 15 Euro kostet. Der Knackpunkt: Viele der Schwerkranken können sich das schlicht nicht leisten. Das war auch das Problem des MS-Patienten aus Mannheim, weswegen er die Pflanzen zu Hause anbaute. Nach geltender Rechtslage ist das illegal. Die von ihm gewünschte Sondererlaubnis lehnte das BfArM 2007 ab. Seitdem klagte er sich durch die Instanzen.

    Der Mannheimer ist Patient des Arztes Franjo Grotenhermen, der zugleich Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) ist. Es gebe fünf große Anwendungsbereiche, bei denen Cannabis mit seinem Wirkstoff THC helfen könne, sagt Grotenhermen: Schmerz, neurologische Erkrankungen wie zum Beispiel Tourette, psychische Erkrankungen wie Depressionen, Übelkeit und Erbrechen bei Aids oder Krebs, chronisch-entzündliche Leiden wie Rheuma oder Morbus Crohn. "Es gibt keine andere Substanz, die ein so breites Anwendungsspektrum hat wie THC", erklärt der Mediziner.

    "Er braucht pro Tag drei bis vier Gramm", berichtet seine Lebensgefährtin Gabriele Gebhardt in Leipzig. 24 Pflanzen kultiviere das Paar zu Hause. Sie kämen damit auf Kosten von einem Euro pro Gramm. Um die Gärtnerei zu Hause gehe es ihnen nicht, sie würden sich das Cannabis auch liebend gern aus der Apotheke holen. "Wenn wir das Geld hätten. Haben wir aber nicht", sagt Gebhardt. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen bislang die Kosten nicht. Cannabis ist ein Betäubungsmittel - und kein verschreibungsfähiges Medikament.

    Neues Gesetz soll Kranken Zugang zu Cannabis erleichtern

    Die große Bandbreite ist zugleich das große Problem von Cannabis. Es fehlen wissenschaftliche Studien, um die Wirksamkeit bei den einzelnen Indikationen zu belegen. Alles zu erforschen, würde Jahrzehnte dauern. Grotenhermen vertraut bei seiner Lobbyarbeit für Cannabis als Medikament fest auf die Erfahrung seiner Patienten. "Die Patienten sind weiter als wir Ärzte."

    Dass es einen gewissen Handlungsbedarf gibt, hat inzwischen auch das Bundesgesundheitsministerium erkannt. Es hat im Januar einen Gesetzentwurf vorgelegt, der chronisch Kranken den Zugang zu Cannabis aus der Apotheke erleichtern soll - natürlich in "eng begrenzten Ausnahmefällen", wie es im Entwurf heißt. Er regelt auch die Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Bis das Gesetz in Kraft tritt, wird noch einige Zeit vergehen. Bis dahin wird der Mannheimer MS-Patient sein Cannabis weiter zu Hause anbauen - ab jetzt legal. dpa/AZ

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