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Psychologie: Mobbing am Arbeitsplatz: Wenn alle gegen einen sind

Psychologie

Mobbing am Arbeitsplatz: Wenn alle gegen einen sind

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    Arbeitsausfälle und Leistungseinbrüche sind nicht die einzige mögliche Folge von Mobbing. Manche Betroffene werden depressiv und bekommen massive gesundheitliche Probleme.
    Arbeitsausfälle und Leistungseinbrüche sind nicht die einzige mögliche Folge von Mobbing. Manche Betroffene werden depressiv und bekommen massive gesundheitliche Probleme. Foto: Jens Kalaene, dpa (Symbolbild)

    Es ist ein eklatantes Risiko für Gesundheit und Wohlbefinden: Mobbing am Arbeitsplatz. Wie kommt es dazu, was kann man dagegen tun? Ein Gespräch mit Diplompsychologen Ludwig Gunkel. Er ist Mitbegründer der Mobbingberatung München und Vorsitzender des Trägervereins Konsens.

    Nimmt das Problem Mobbing Ihrem Gefühl nach zu?

    Gunkel: Man hat zumindest den Eindruck, dass massive Konflikte am Arbeitsplatz häufiger werden. Mobbing hat ja eine enge Definition: Es geht dabei um auf eine Person gerichtete unfaire und negative Handlungen über einen längeren Zeitraum, also mit gewisser Kontinuität. Ob diese Form zunimmt, ist schwer zu sagen. Aber wenn man Mobbing und andere kränkende, eskalierende Konflikte zusammennimmt, haben wir aufgrund unserer Beratungen und betrieblichen Projekte den Eindruck, dass die Zahlen steigen. Wir bekommen mehr Anfragen von Betrieben, die feststellen, dass Konflikte aus dem Ruder laufen. Unsere Telefonberatung für Betroffene, die es zweimal wöchentlich gibt, können wir im Moment nicht ausweiten. Insgesamt, Telefon- und E-Mail-Anfragen zusammengenommen, haben wir etwa 1000 Kontakte pro Jahr.

    Was ist das Charakteristische am Mobbing? Sieht jeder Fall anders aus?

    Gunkel: Ja, jeder Fall ist anders, aber von der Definition her geht es, wie gesagt, um unfaire, negative Handlungen gegen eine Person über einen längeren Zeitraum. Darum herum gibt es ein breites Dunstfeld, wo sich Leute gemobbt fühlen, Konflikte eskalieren, Menschen gekränkt werden. Der „Klassiker“ in den letzten Jahren ist der Konflikt zwischen einem neuen, jungen Vorgesetzten und einem altgedienten Mitarbeiter. Dieser Konflikt eskaliert oft aufgrund unterschiedlicher Erwartungen: Der Vorgesetzte hat spezifische, hohe Erwartungen an den Mitarbeiter, die der Mitarbeiter nicht leisten kann oder will. Häufig ist auch ein anderer Fall: Ein Mitarbeiter kommt nach längerer Krankheit zurück an den Arbeitsplatz, wo er vom Vorgesetzten hört, dass man sich Mitarbeiter, die so lange krank seien, nicht mehr leisten könne, und man versucht, ihn rauszuekeln.

    Was macht Mobbing mit den davon Betroffenen, speziell mit ihrer Gesundheit?

    Gunkel: Das ist relativ gut erforscht und zeigt sich auch in der Beratungspraxis. Anfangs dauert es ein bisschen, bis der Betroffene merkt, was läuft, es zu klären versucht und merkt, dass es nicht geht. Er ist verunsichert, fängt an zu grübeln und genauer zu beobachten, was passiert. Es kommt zu Angst, Unsicherheit und schließlich auch körperlichen Symptomen wie Magengrummeln, Kloß im Hals oder Ähnlichem. Bei anhaltendem Mobbing sind Krankheiten und damit einhergehende Arbeitsunfähigkeit die Folge. Konkrete gesundheitliche Probleme sind dann zum Beispiel massive Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, psychische Probleme sowie Erkrankungen im Magen-Darm-Bereich oder am Herz-Kreislauf-System. Im Grunde handelt es sich dabei um typische Reaktionen auf eine massive und anhaltende Stresssituation.

    Und was macht Mobbing speziell mit der Psyche?

    Gunkel: Es zermürbt! Irgendwann entsteht das Gefühl, man kann machen, was man will, es ist ja doch immer alles falsch. Man entwickelt depressive Gefühle, wird energielos, teilweise auch aggressiv. Dass Betroffene starke depressive Phasen entwickeln, das erleben wir immer wieder. Da ist es ganz wichtig, in Bewegung zu kommen. Bewegung hilft gegen Trübsinn und Depression. Deshalb empfehlen wir den Leuten dringend, rauszugehen. Durch Mobbing werden Menschen aber auch konfus. Es gibt Untersuchungen, dass starke Stresssituationen eine Unkonzentriertheit bedingen, die wiederum zu einer erhöhten Unfallgefahr führt.

    Das alles verursacht sicher nicht unerhebliche Schäden, oder?

    Gunkel: Ja, der Schaden entsteht auf verschiedene Weise. Bei dem von Mobbing Betroffenen kommt es zu Arbeitsausfällen und Leistungseinbrüchen. Die Fehler, die ihm am Anfang unterstellt werden, macht er irgendwann von alleine. Außerdem weitet sich die Konfliktsituation im gesamten Team aus, in der Regel sind immer mehr daran beteiligt, sei es als Mobber oder solche, die vermitteln möchten. All das kostet Energie und Arbeitszeit mit der Folge, dass das Team wesentlich weniger leistungsfähig ist. Es entsteht also ein großer Schaden, den man nicht immer genau beziffern kann.

    Wann wendet sich ein Betroffener erfahrungsgemäß an professionelle Berater?

    Gunkel: Es dauert meist zu lange, bis es dazu kommt. Viele wollen es erst mal nicht wahrhaben, was da passiert, und versuchen, sich klein zu machen, nicht aufzufallen, in der Hoffnung, dass das hilft. Diese Hoffnung trügt jedoch! Außerdem gibt es gerade bei Männern eine große Hemmschwelle, professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen. Manche kommen schon nach drei Wochen, das ist rechtzeitig, denn dann ist der Konflikt noch nicht eskaliert. Bei anderen schwelt der Konflikt schon ein paar Monate, sie sind aber noch arbeitsfähig – das ist auch noch rechtzeitig. Dann aber gibt es Personen, die schon seit einem halben Jahr arbeitsunfähig sind und sich melden, weil sie Ärger mit der Krankenkasse haben. Da ist es schon ziemlich spät – oft sogar zu spät, um noch helfen zu können.

    Wie können Sie denn bei Mobbing-Fällen helfen?

    Gunkel: Unsere Aufgabe ist der Blick von außen auf die Situation und eine Art Weichenstellung. Da gibt es zunächst einmal die Frage: Was möchte die betroffene Person – will sie im Betrieb bleiben oder gehen? Und wenn sie bleiben will: Wo im Betrieb könnte sie Unterstützung bekommen, was ist möglich und praktisch sinnvoll? Wer könnte Ansprechpartner sein – und wie sollte man ihm das Problem vortragen? Wichtig ist, nicht von Mobbing zu sprechen, sondern zu dokumentieren, was ist wann passiert. Zu sagen, „ich werde gemobbt“, wäre schädlich. Denn das käme dem Vorwurf an den Arbeitgeber gleich, seine Fürsorgepflicht verletzt zu haben. Besser ist es zu sagen, dass es nicht gut läuft und dass das Auswirkungen auf die eigene Arbeit hat. Gemeinsam mit dem Betroffenen zu überlegen, wie man den Konflikt lösen kann, das ist das, was wir als Berater leisten können.

    Welche Art von Mobbing ist Ihnen als Berater schon zu Ohren gekommen?

    Gunkel: Dass Arbeitsergebnisse manipuliert oder Informationen bewusst falsch oder unvollständig weitergegeben werden, ist ein häufiges Thema. Es gibt da schon sehr vieles – zum Beispiel auch, dass Ergebnisse von anderen abgegriffen und als eigene präsentiert werden.

    Und wenn man einmal auf die Seite der Mobber wechselt: Was haben sie von ihrem Tun, weshalb werden sie überhaupt zu Mobbern?

    Gunkel: Das Thema ist sehr vielschichtig. Findet ein Team einen „Sündenbock“, der für Probleme verantwortlich gemacht wird, so entlastet dies das Team enorm. Der Gewinn, den die Mobber haben: Sie wissen, wer schuld ist! Ein anderer Punkt ist, dass Mobber versuchen, ihr „Terrain“ gegen Eindringlinge zu verteidigen. Da reicht es oft schon, dass jemand einmal zu viel gelobt wurde am Anfang – es kommt zu Neid und Angst und zum Versuch, diese Person „kleinzuhalten“. Bei Führungskräften schließlich gibt es das strategische Mobbing, wenn eine Führungskraft unter Druck ist, weil das Team die Leistung nicht bringt oder Personal abgebaut werden muss. Häufig ist Mobbing durch Vorgesetzte auch Folge von Fehlern in der Personalführung.

    Kann der Arbeitgeber schädlichem Mobbing vorbeugen beziehungsweise es verhindern?

    Gunkel: Er sollte eine Kultur entwickeln, die davon ausgeht, dass Konflikte immer und überall entstehen und frühzeitig und sachgerecht angegangen werden können. Außerdem sind manche Konflikte tatsächlich vorhersehbar, etwa, wenn jemand unvorbereitet zur Führungskraft gemacht wird und für die Lösung von Konflikten nicht qualifiziert ist. Oder man denke an die Konstellation junger dynamischer Chef und ältere bedächtig arbeitende Kollegin: Bei solchen Situationen, die vorhersehbar konflikthaft sind, kann man vorbeugend etwas tun und den Leuten zum Beispiel einen Coach zur Seite stellen. Zur Vorbeugung kann es aber auch sinnvoll sein, den Status quo zu erheben, etwa durch Befragungen oder Workshops mit den Beschäftigten. Dadurch erfährt die Unternehmensleitung, in welchen Bereichen es gut läuft und wo es Probleme gibt. Die kann man dann zielgerichtet anpacken.

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