Das ist Markus Thiel
Der Forscher Markus Thiel lebt in Harburg (Landkreis Donau-Ries).
Schon während seiner Schulzeit beschloss er, Luft- und Raumfahrttechnik zu studieren.
Thiel studierte an der TU München. Ein Verwandter machte ihn während dieser Zeit auf das Max-Planck-Institut in Garching aufmerksam.
Er absolvierte dort ein Praktikum und konstruierte als Diplomarbeit einen ausklappbaren Masten für einen Satelliten, der prompt im Weltraum eingesetzt wurde.
17 Jahre blieb er am Institut, 1995 stieg er in das Rosetta-Projekt ein, zuletzt als Projektleiter des Ankersystems.
Seit mehreren Jahren ist Markus Thiel nun bei der Firma Kayser-Threde in München tätig, wo er eine neue Generation von Wetter-Satelliten mit entwickelt.
Das Rosetta-Projekt betreut er nebenberuflich weiter mit.
„Es war ein Wechselbad der Gefühle“, beschreibt der Harburger Markus Thiel die historischen Stunden, als er im Landezentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln live miterlebte, wie erstmals in der Menschheitsgeschichte ein Landemodul auf einem Kometen aufsetzte. Thiel hatte die beiden Harpunen konstruiert, die den kühlschrankgroßen Lander Philae der Rosetta-Sonde auf dem 500 Millionen Kilometer entfernten Tschurjumow-Gerassimenko-Kometen verankern sollten. So war der Jubel am Mittwoch um 17 Uhr groß, als die Funkdaten zeigten, dass der Lander erfolgreich vom „Mutterschiff“ abgekoppelt und auf dem Kometen aufgesetzt wurde.
Markus Thiel: "Optimismus zeitweise im Keller"
Doch schon eine Stunde später folgte die Ernüchterung: Magnetfeld-Messer und Solargeneratoren sandten ständig wechselnde Daten, die Funksignale schwankten in ihrer Intensität – drei Anzeichen, dass der Lander nicht fest stand, sondern sich bewegte. „Die Harpunen wurden wahrscheinlich nicht abgefeuert, womöglich konnte der Befehl dazu nicht übermittelt werden“, so Markus Thiel in seinem ersten Interview zur Landemission gegenüber unserer Zeitung. „Da war der Optimismus zeitweise im Keller.“
Doch spät in der Nacht kam die echte Erfolgsmeldung: Die Funkverbindung ist stabil, die Messdaten von Magnetfeld und Sonnenlichtstärke bleiben einheitlich – die Landeeinheit steht fest. Schließlich die ultimative Bestätigung, dass die Verbindung zum Weltraum-Labor auf dem durchs All rasenden Kometen steht: „Die Sonde übermittelte uns messerscharfe Bilder.“ Sie wurden am Donnerstag veröffentlicht, doch Markus Thiel war einer der ersten Menschen, der sie zu Gesicht bekam.
Am Donnerstag ging es vornehmlich darum, die Lage zu analysieren – Wo genau steht die Landeeinheit? In welcher Lage befindet sie sich, steht sie auf den Beinen oder ist sie umgekippt? Welche Funktionen sind intakt?
Rosetta Mission: Bald kommen wohl Thiels Harpunen zum Einsatz
In den folgenden Tagen sollen dann alle Untersuchungen durchgeführt werden, für die kein fester Bodenkontakt erforderlich ist – Magnetfeldmessungen, Fotos, Untersuchungen von Oberflächenmaterial, das vom Bohrer abgekratzt und ins Innere des Labors verbracht wird.
Dann schlägt möglicherweise die Stunde der beiden Harpunen von Markus Thiel: Man geht derzeit davon aus, dass sie nach wie vor funktionsfähig sind. Sollte es möglich sein, das Kommando zum Abfeuern zu geben, werde man dies wohl tun. „Rein rechnerisch ist der Rückstoß beim Abfeuern so stark, dass er den Lander mit vier Zentimetern pro Sekunde vom Asteroiden weg bewegt“, so Thiel.
Aber die Harpunenpfeile rasen ungleich schneller in den Boden und klappen dort ihre Widerhaken aus. Derart verankert kann das Labor dann weitere Untersuchungen durchführen, der Bohrer kann ins Innere des Kometen eindringen und Untersuchungen über dessen genaue Zusammensetzung ermöglichen. Diese entspricht der Stunde Null der Entstehung des Sonnensystems und gibt vielleicht Aufschluss darüber, ob erst Kometen die Bausteine des Lebens auf die Erde brachten.
Rosetta Mission: Experten sprechen von Weltsensation
Die zehnjährige Reise der Rosetta-Mission durchs All
Weit über sechs Milliarden Kilometer in gut zehneinhalb Jahren - die europäische Kometensonde »Rosetta» hatte eine lange Strecke hinter sich, als ihre Mission am Mittwoch mit der Landung eines Mini-Labors auf dem Zielkometen 67P/Tschurjumov-Gerasimenko ihren Höhepunkt fand. Um Schwung auf ihrer Reise aufzunehmen, passierte »Rosetta» im vergangenen Jahrzehnt dreimal die Erde und einmal den Mars.
2. März 2004: »Rosetta» startet an Bord einer Ariane-5G-Trägerrakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana.
4. März 2005: Erster Vorbeiflug an der Erde in 1955 Kilometern Entfernung.
25. Februar 2007: »Rosetta» passiert unseren Nachbarplaneten Mars in einer Distanz von nur 250 Kilometern.
13. November 2007: Zweiter Vorbeiflug an der Erde, diesmal in 5301 Kilometern Entfernung.
5. September 2008: »Rosetta» begegnet im All dem Asteroiden Steins, der zwischen Mars und Jupiter seine Bahn um die Sonne zieht. Die Sonde nähert sich dem kleinen Himmelskörper bis auf 802,6 Kilometer.
13. November 2009: Dritter Vorbeiflug an der Erde in 2480 Kilometern Distanz.
10. Juli 2010: »Rosetta» passiert den großen Asteroiden Lutetia und nähert sich ihm bis auf 3162 Kilometer.
8. Juni 2011: Aus Energiespargründen werden die Instrumente von »Rosetta» in eine zweieinhalbjährige »Tiefschlafphase» versetzt.
20. Januar 2014: »Rosetta» erwacht planmäßig aus dem »Winterschlaf», ihre Instrumente werden nach und nach reaktiviert.
6. August 2014: Ankunft am Kometen Tschurjumov-Gerasimenko, genannt Tschuri. »Rosetta» schwenkt in den folgenden Tagen in eine Umlaufbahn um den Brocken aus Eis, gefrorenen Gasen und Staub ein.
12. November 2014: »Rosettas» Landeeinheit »Philae» löst sich von der Muttersonde und sinkt auf die Oberfläche des Kometen hinab. Nach stundenlanger Spannung verkünden die ESA-Wissenschaftler, dass der Forschungsroboter auf Tschuri gelandet ist. (afp)
Derzeit ist die Stimmung im Kölner Landezentrum wieder höchst optimistisch. Markus Thiel zum emotionalen Auf und Ab und dem rationalen Vorgehen als Wissenschaftler: „Als Techniker ist man immer sehr selbstkritisch und wünscht sich ein hundertprozentiges Funktionieren.“ Es sei aber von Anfang an klar gewesen, dass vieles schief gehen kann. Die Beteiligt seien sich aber einig: „Schon das erste Aufkommen der Landeeinheit gilt als Weltsensation.“ Thiel zeigt sich bescheiden angesichts von Vergleichen mit der Mondlandung von 1969: „Damals ging es um Menschen und der Aufwand insgesamt steht in keinem Verhältnis zu unserem Unterfangen.“ Doch nicht ohne Stolz fügt er hinzu: „Von der technischen Komplexität her ist es schon vergleichbar.“ Eines ist laut Thiel jetzt schon sicher: „Dieses Ereignis wird man so schnell nicht vergessen."