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Nachruf auf Steve Jobs: iDreamer

Nachruf auf Steve Jobs

iDreamer

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    Steve Jobs am Anfang seiner beispiellosen Karriere.
    Steve Jobs am Anfang seiner beispiellosen Karriere.

    „Es ist besser, ein Pirat zu sein, als der Navy beizutreten. Lasst uns ein Pirat sein.“ (Steve Jobs über seine Philosophie. Die Navy ist die US-Marine.)

    Steve Jobs, Gründer des amerikanischen Technikkonzerns Apple, ist im Alter von 56 Jahren am Mittwoch in San Francisco an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Er hatte an Bauchspeicheldrüsenkrebs gelitten und 2009 eine neue Leber erhalten. Ende August war der Manager als Chef seines Unternehmens zurückgetreten.

    Insgeheim hatten viele Anhänger gehofft, Jobs kehre irgendwann an die Spitze des Unternehmens zurück und werde doch wieder gesund. Schließlich erschien der zuletzt hager gewordene große Mann mit Nickelbrille, ergrautem Bart, schwarzem Pullover, locker sitzender Jeanshose und Turnschuhen vielen als eine Art Gott, als „iGod“; eine Anspielung auf all seine mit dem kleinen „i“ beginnenden Produkte, die uns eine neue, schicke und komfortable Welt der Kommunikation und Unterhaltung erschlossen haben. Jobs wurde von seinen Fans, die manchmal in ihrer Anbetungshaltung wie Jünger wirkten, einem Messias gleich verehrt.

    In einer Garage fing alles an

    Als Apple die Welt mit dem iPad, einer Mischung aus tragbarem Computer und Telefon, überraschte, zeigte die britische Wirtschaftszeitung Economist den Unternehmer als Jesus-Ikone. Er selbst machte in seinen raren Interviews wenig Anstalten, sich gegen diese Überhöhung zu verwahren. Jobs hat mit Jesus wenig gemein. Er fiel nicht als Verkünder einer Philosophie von Nächstenliebe und Vergebung auf. Wer die öffentlichen Stationen des Amerikaners wie in einem Film nachvollzieht (und das ist heute durch Internet-Videoforen wie Youtube einfach), erlebt einen knallharten, trickreichen, Produkte geschickt verkaufenden Geschäftsmann, der seine Kraft aus dem träumerischen und revolutionären Umfeld der 60er Jahre speiste. Als Jobs in der kalifornischen Garage der Eltern mit seinem damaligen Freund Steve Wozniak ab 1976 die Computertechnologie umwälzte, hörten beide Lieder der Beatles und vor allem Bob Dylan. Sie müssen sich wie Popstars gefühlt haben, die leider noch ohne Bühne gegen den damals übermächtig scheinenden, aber schon erkennbar schwerfälligen Computer-Riesen IBM anrockten. So entstand 1976 der erste Computer, dessen Gehäuse noch aus Holz war. Erst mit dem ein Jahr später entworfenen Apple II gelang den jungen Wilden der Durchbruch. Zwei für den Sonnenstaat Kalifornien ungewöhnlich blasse Männer in ungebügelten T-Shirts und abgeschnittenen Jeanshosen sollen damals – so wollen es die Biografen – wenig über Frauen und viel über Technik gesprochen haben.

    Die Studienabbrecher kennen sich schon einige Zeit. Sie sind hungrig, verliebt in die Elektronik. Und Jobs, der von Adoptiveltern großgezogen wurde, steckt voller Sehnsucht nach Anerkennung. Wozniak ist der Techniker und eigentliche Erfinder, auch wenn sich bis heute hartnäckig Legenden halten, Jobs habe selbst Computer entworfen. „Steve hat nicht einmal Schaltkreise gebaut und keine Zeile eines Codes geschrieben“, wird Wozniak zitiert. „Ich wäre aber niemals auf die Idee gekommen, Computer zu verkaufen. Das war Steves Wirken.“

    Später sollten sich die Apple-Pioniere überwerfen. Jobs konnte Weggefährten oft nicht als dauerhafte Freunde gewinnen, zu wechselnd, ja launisch war der Charakter des Managers. Sein langjähriger Kollege Jay Elliot, der nach wie vor zu den Bewunderern von Jobs gehört, beschreibt den Apple-Chef als detailversessenen Perfektionisten, der „als herumschleichender Manager“ Mitarbeiter zum Wahnsinn treiben konnte. „Mit alarmierender Regelmäßigkeit tauchte er an deinem Arbeitsplatz auf und stellte so ziemlich alle Entscheidungen infrage, die du seit seinem letzten Besuch getroffen hattest.“ Wenn dem Unternehmer etwas nicht gefiel, sagte er: „Das ist scheiße.“ Diese rüde Art des von manchen als überheblich beschriebenen Mannes deutet Elliot auf wohlwollende Weise. Jobs habe Mitarbeitern nur zu verstehen gegeben, dass er etwas nicht verstehe.

    Revolutionäre sind nicht immer höflich und meist anstrengende, eben fordernde Menschen. Jobs hat auch sich selbst unter Druck gesetzt und sich dabei aufgerieben. In der Apple-Geschichte fiel ihm die Rolle des Visionärs, Antreibers von Technologie und genialen Vermarkters zu. Die amerikanische Managerin Pam Kerwin kannte Jobs gut: „Steve ist wie alle Genies. Wer sagt denn, dass Mozart ein guter Mensch war?“ Sie gesteht dem einstigen Apple-Chef zu, Technologien wie etwa das Musikabspielgerät iPod oder das internetfähige Handy iPhone „gebären zu können“. Andere Beobachter sprechen davon, Jobs sei in der Lage gewesen, vorauszuahnen, was Menschen in 20 Jahren für Produkte wollen. Der iDreamer versetzte sich dabei (und das ist wahrscheinlich der wirklich revolutionäre Akt) in die Perspektive eines Verbrauchers hinein. Den Käufern wollte er es so einfach wie möglich machen. Er war der „ultimative Konsument“, meint Elliot. Mit dieser Haltung kann ein Arbeitgeber seine Angestellten bis aufs Blut reizen. Der Einfachheits-Fanatiker traktierte Mitarbeiter bei der Entwicklung des iPhones mit der Vorgabe: „Dieses Telefon wird nur einen Knopf haben. Kriegt raus, wie.“ Es kam, wie der Meister befohlen hatte: Schon in der ursprünglichen Version hatte das Zauberding, das sich mit einem archaischen Wischen über den Bildschirm hinweg bedienen lässt, einen Knopf.

    Rockmusik als Kraftzentrum

    Energie schöpfte Jobs immer wieder aus der Rockmusik. Früher verband ihn sogar einmal eine Liebesbeziehung mit der amerikanischen Folksängerin Joan Baez, die es sich in einem Titel auch genialisch-einfach machte und zur Erkenntnis kam, Liebe sei nur ein Wort mit vier Buchstaben. Ihr vorübergehender Freund hielt es mit Dylan und brachte das Kunststück fertig, 1984 eine Rede vor Apple-Aktionären mit einem Zitat aus einem der besten Stücke des Poeten zu beginnen.

    Jobs, noch mit vollem, zur Seite gescheiteltem Haar, Jackett und einer Fliege zum hellen Hemd, verriet, was ihn im Innersten antreibt, indem er eine lange Passage aus dem Stück „The times they are a-changing“ vortrug, ein Titel, bei dem es jedem einigermaßen revolutionär gesinnten Menschen immer noch kalt den Rücken runterläuft. Mit glänzenden Augen und Ehrfurcht spricht der sonst so respektlose Jobs diese Dylan-Worte: „Kommt, ihr Schreiberlinge und Kritiker, die ihr mit eurer Feder die Zukunft vorherschreibt. Macht eure Augen auf. (...) Denn wer jetzt verliert, wird später gewinnen. Denn die Zeiten ändern sich jetzt.“ Dylan singt das in seinem für die Ewigkeit bestimmten Song in rollend-aufrührerischer Weise. Jobs wurde selbst Opfer einer Revolte und aus dem Unternehmen vertrieben, um als Retter in der Not 1996 zurückzukehren. Die besten Zeiten begannen. Er lebte seine Träume. Ob das Musikabspielgerät iPod oder das iPhone, sie wurden zu Fixsternen am Produkthimmel.

    Der Tod des einstigen Hippies, Buddhisten, Verächters jeden Fleischkonsums und Vaters von vier Kindern hat weltweit Betroffenheit ausgelöst, wie das selten einem Unternehmer widerfuhr. Alec Baldwin stellt Jobs auf eine Stufe mit den amerikanischen Erfinderlegenden Henry Ford und Thomas Alva Edison. Übertreibt der Schauspieler?

    Ein Blick in die Biografien beider Genies fördert auf überraschende Weise Parallelen zwischen den drei Amerikanern hervor. Der US-Wissenschaftler W. Bernard Carlson schreibt: „Was Edison hochgradig erfolgreich machte, war nicht nur seine Fähigkeit, neue Geräte in seinem Labor zu vollenden, sondern auch seine Entschlossenheit, Investoren und die Öffentlichkeit von neuen Erfindungen wie der Glühlampe zu überzeugen.“ Gleiches ließe sich über das Talent von Jobs sagen, Produkte zur Marktreife zu bringen und massenhaft zu verkaufen. Edison war ein längeres Leben als dem Apple-Mann vergönnt. Er starb 1931 im Alter von 84 Jahren. Ford verstarb mit 83. Wie Jobs den Computer zu einem Gegenstand für breite Massen machte, gelang es Ford mit seinem Modell T und der Weiterentwicklung der Fließbandarbeit, das Auto zu einem Gebrauchsgegenstand zu entwickeln.

    Der Autor Jeffrey S. Young nennt Jobs „den Ford der Computerindustrie“. Die Zeiten ändern sich eben, wie Dylan, der leider nicht den Literatur-Nobelpreis bekommen hat, singt.

    Vielleicht werden Historiker einst schreiben, dass der 27-jährige Facebook-Gründer Mark Zuckerberg der Jobs der sozialen Netzwerkkultur im Internet sei. Dafür muss der junge Milliardär aber noch an der unbändigen Leidenschaft des Apple-Mannes Maß nehmen. Wie schrieb Jobs: „Bleib hungrig.“

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