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Insolvenz: Wer kauft Weltbild?

Insolvenz

Wer kauft Weltbild?

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    An der Steinernen Furt im Augsburger Stadtteil Lechhausen hat man den großen Knall bereits hinter sich. Am 20. März wurde die traurige Nachricht bekannt, dass bis zum Herbst 656 Mitarbeiter der insolventen Verlagsgruppe Weltbild ihren Job verlieren. Die meisten von ihnen wechselten in eine Auffang-Organisation. Nun steht den Mitarbeitern in den bundesweit rund 220 Weltbild-Buchläden diese Entscheidung bevor. Viele Läden schreiben rote Zahlen.

    Die Beschäftigten in den betroffenen Geschäften können hoffen, dass auch sie nicht sofort auf die Arbeitsagentur angewiesen sind: Wie es jetzt heißt, sei eine Transfergesellschaft auch für die Filialsparte im Gespräch, in der sich Entlassene weiterqualifizieren können. Nach Informationen unserer Zeitung sind rund 50 Filialen von der Schließung bedroht.

    Vieles aber hängt davon ab, wer am Ende als Investor zum Zuge kommt. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz und sein Sprecher Patrick Hacker geben sich hier bedeckt: Auf der Suche nach Investoren gebe es „erste konkrete Angebote“, sagt Hacker. „Sie sind die Basis für die laufenden Verhandlungen“, man sei „vorsichtig optimistisch“. Geiwitz scheint den Plan zu verfolgen, nach der Sanierung der Filialen und des Verlags erst beide Bereiche zusammenzuführen, um dann einen Käufer zu finden. Der Insolvenzverwalter hatte oft betont, Weltbild als Ganzes verkaufen zu wollen. Es kann aber Wochen dauern, bis es so weit ist.

    Doch wer kommt zum Zuge? Im Unternehmen häufen sich die Gerüchte. Viele Interessenten haben offenbar nur Interesse an Teilen von Weltbild. Dies trifft auch auf den Günzburger Buchhändler Hutter zu, dem Interesse an der Buch- oder Spielzeugsparte nachgesagt wird. Hutter wollte zuletzt die Gerüchte nicht kommentieren. Fachleute bezweifeln zudem, ob das mittelständische Unternehmen genug Kapital für die Investition aufbringen kann.

    Auch der Holtzbrinck-Konzern ist im Gespräch

    Als Interessent ist auch der Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern im Gespräch. Auch er hätte es wohl nur auf Filetstücke abgesehen, beispielsweise das Tolino-Geschäft – also den erfolgreichen E-Reader –, das Buchgeschäft oder das Online-Buchgeschäft. Der Frankfurter Medienexperte Holger Ehling stuft Holtzbrinck als „perfekte Lösung“ ein. Holtzbrinck sei „hochseriös“ und „hochsolvent“, habe also viel Kapital. „Es hat durchaus Sinn, dass Verlage einen Buchladen oder einen Online-Shop als eigenen Vertriebskanal besitzen“, sagt Ehling. Weltbild sei zudem eine Marke, die man am Markt erfolgreich pflegen könne.

    Das Unternehmen Weltbild

    Zahlen und Fakten zur Augsburger Weltbild-Gruppe:

    Weltbild beschäftigte einst insgesamt rund 6800 Mitarbeiter, davon 2200 am Standort Augsburg.

    Weltbild gehörte den zwölf katholischen Bistümern, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der Soldatenseelsorge Berlin.

    Weltbild startete 1948 als Winfried-Werk in Augsburg. Der Verlag gab katholische Zeitschriften heraus. Als zusätzlichen Service gab es einen Bücherdienst.

    In den 1980er Jahren blühte das Unternehmen auf, es kaufte Verlage und Zeitschriften dazu. 1994 eröffnete man die ersten Filialen.

    Seit 1997 gibt es den Onlinehandel. Während das Buchgeschäft floriert, kränkelte das Zeitschriftengeschäft. 2008 stieß Weltbild den kompletten Bereich ab.

    Unter dem Dach der Holding DBH waren die Buchhandlungen Hugendubel, Weltbild und Jokers gebündelt. Zum Konzern gehörten auch die Vertriebsmarken Weltbild, Jokers, Kidoh und buecher.de.

    2012 verkündete die Verlagsgruppe 1,59 Milliarden Euro Umsatz.

    In den vergangenen Jahren geriet das Unternehmen unter Druck - die Konkurrenz von Amazon und anderen machte Weltbild zu schaffen.

    Im Januar 2014 meldete Weltbild Insolvenz an.

    In den folgenden Monaten bekamen hunderte Beschäftigte die Kündigung ausgesprochen.

    Im Mai kündigte Investor Paragon an, Weltbild zu übernehmen.

    Wenig später stieg Paragon wieder aus. Anfang August übernahm dann die Beratungs- und Investmentgruppe Droege die Mehrheit an Weltbild.

    Der Online-Medienhändler bücher.de gehört ab August 2014 vollständig zur Weltbild-Gruppe.

    September 2014: Nach der Mehrheitsübernahme durch den Düsseldorfer Investor Droege gibt es eine neue Geschäftsführung: Gerd Robertz, Patrick Hofmann und Sikko Böhm.

    Nach nur sieben Wochen tritt Gerd Robertz ab und widmet sich wieder nur dem Onlinegeschäft bücher.de.

    Im November kündigt die Geschäftsführung von Weltbild an, in der Verwaltung rund 200 Arbeitsplätze zu streichen.

    2015: Weltbild verkauft 67 Filialen an die kleine Kette "Lesenswert".

    Juli 2015: Rund ein halbes Jahr nach der Übernahme der 67 Filialen ist der Käufer pleite.

    Juli 2015: Knapp ein Jahr nach der Übernahme des Weltbild-Konzerns durch den Düsseldorfer Investor Droege muss der Logistikbereich von Weltbild erneut Insolvenz anmelden.

    In Mitarbeiterkreisen fällt auch immer wieder der Name Arvato – ein Dienstleistungsunternehmen, das sich auf den Vertrieb von Druckerzeugnissen spezialisiert hat und zum Bertelsmann-Konzern gehört. Arvato könnte Interesse am Logistikzentrum haben. Medien-Experte Ehling hält Arvato für „hochkompetent“ und einen guten Partner. Auch über einen Interessenten aus der skandinavischen Verlagsbranche gab es Gerüchte. Die schwedische Bonnier-Gruppe (Piper-Verlag) führt nach Informationen unserer Zeitung derzeit allerdings keine Gespräche, wie eine Sprecherin sagte. All diese Unternehmen haben sich nur für Teile der Verlagsgruppe interessiert. Geiwitz will aber aufs Ganze gehen.

    Sollte es zum Komplettverkauf kommen, gibt es offenbar bisher nur zwei Interessenten. Einer ist der schillernde österreichische Investor Josef Taus, der 81 Jahre alt ist. Zu seiner MTH-Gruppe gehören Firmen wie Pfennigpfeiffer, Mäc Geiz und Libro. Letztere Kette verkauft neben Büchern, CDs, DVDs auch Papier- und Schreibwaren. Zu Libro zählen 245 Filialen mit über 1600 Mitarbeitern. Es besteht also eine klare Verbindung zum Weltbild-Geschäft.

    Taus könnte Weltbild gemeinsam mit einem unbekannten deutschen Spieler übernehmen. Er selbst ist ein spät berufener Unternehmer, der erst 1989 voll in die Geschäftswelt einstieg. Der frühere Journalist und Politiker der konservativen Partei ÖVP habe die Ruhe weg, berichtet ein Branchenkenner. MTH ist zwar aus dem jüngsten Bieterverfahren um Weltbild ausgestiegen. Pokert Taus aber nur? Medien-Experte Ehling bezeichnet den Österreicher als hochprofessionell. „Taus ist ein Experte für den Einzelhandel – das würde gut passen“, sagt er. Er frage sich aber, was Taus mit dem Logistikzentrum vorhat.

    Wer ist das "Unternehmen X"?

    Und dann ist noch ein zweites „Unternehmen X“ als Bieter im Gespräch. Es könnte sich um einen Finanzinvestor handeln. Auf den Fluren des Weltbild-Verlages ist von einer skandinavischen Investoren-Gruppe die Rede, die mit Rentenfonds und Lebensversicherungen ihr Geld macht. Mitarbeiter befürchten, dass der Investor Weltbild nach rund fünf Jahren wieder verkaufen könnte.

    Für Medien-Experte Ehling wäre ein Finanzinvestor dagegen nicht die schlechteste Lösung. Zwar haben Finanzinvestoren klare Renditevorgaben und würden meist den Kaufpreis auf das Unternehmen übertragen. Andererseits hätten sie genügend Kapital, um eine Sanierung seriös zu stemmen. „Finanzinvestoren sind für das übernommene Unternehmen auch eine Chance“, sagt Ehling. „Beispielsweise läuft der Wissenschaftsverlag Springer Science + Business Media erfolgreich unter der Ägide eines Finanzinvestors“, sagt Ehling. Springer Science + Business Media war lange in der Hand des schwedischen Investors EQT.

    Der Niedergang von Weltbild

    Mit Pornoliteratur fing vor knapp zweieinhalb Jahren der Niedergang des Weltbild-Verlages an.

    Dass ausgerechnet ein von der katholischen Kirche getragenes Medienunternehmen Geld mit Erotikangeboten oder Esoterikbüchern macht, sorgte für Schlagzeilen und stürzte die Augsburger Verlagsgruppe in die Krise.

    Seitdem hat sich Weltbild nicht mehr erholt. Der Insolvenzantrag ist der vorläufige traurige Höhepunkt der Entwicklung bei dem Konzern mit mehr als 6000 Beschäftigten und etwa eineinhalb Milliarden Euro Umsatz.

    Als im Oktober 2011 das Erotikangebot bei Weltbild bekannt wurde, trat zunächst der von der Kirche entsandte Aufsichtsratsvorsitzende zurück. Dann preschte der Kölner Kardinal Joachim Meisner vor und verlangte eine Trennung von Weltbild.

    Seitdem wurde breit darüber diskutiert, wie sich die Diözesen von Weltbild trennen können. Eine Stiftung war im Gespräch, eine Lösung gab es nicht. Die Beschäftigten appellierten dabei immer wieder an die soziale Verantwortung der Bischöfe.

    Doch nicht nur der Wirbel um Buchtitel wie "Zur Sünde verführt" oder "Das neue Kamasutra" setzte dem Unternehmen zu. Im Wettbewerb mit Online-Gigant Amazon hatten es die Augsburger zunehmend schwer mit ihrem eher klassischen Katalog-Versandhandel.

    Seinen stationären Buchhandel hatte Weltbild im Jahr 2007 mit der Familie Hugendubel zusammengelegt. Das damals gegründete Gemeinschaftsunternehmen betreibt seitdem die Filialen unter etlichen Markennamen wie "Hugendubel", "Weltbild plus", "Jokers" sowie die Karstadt-Buchabteilungen.

    Dass die angeschlagene Verlagsgruppe zuletzt ihre zweiköpfige Geschäftsführung extra um den Sanierungsexperten Josef Schultheis erweiterte, konnte Weltbild nicht mehr retten. Er sollte den Umbau des Hauses in Richtung digitalem Handel beschleunigen.

    Möglicherweise kam dieser Schritt zu spät: Obwohl Weltbild im Weihnachtsgeschäft sogar etwas über dem Plan lag, musste das Unternehmen im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres (30. Juni) Einbußen bei Umsatz und Ergebnis verbuchen.

    "Das auch für die nächsten drei Jahre erwartete geringere Umsatzniveau verdoppelt den Finanzierungsbedarf bis zur Sanierung", begründete das Unternehmen den Insolvenzantrag.

    Die Gewerkschaft Verdi warf der Kirche umgehend vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

    Erst im Oktober wurde bekannt, dass Weltbild in Augsburg ihren Kundendienst auslagern will - 140 Mitarbeiter sind davon betroffen. Doch weitere konkrete Zahlen und detaillierte Planungen zur Sanierung waren seit jeher von Weltbild kaum zu erfahren. Denn was Transparenz anging, operierte das Unternehmen ähnlich verschwiegen wie der große Konkurrent Amazon.

    Liefern sich also ein österreichischer Patriarch und eine skandinavische Heuschrecke ein Rennen?  Ein Skeptiker meint: „Noch ist es nicht klar, dass Geiwitz das Unternehmen vollständig loswird. Am Ende droht doch die Zerschlagung.“

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