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Weltbild-Insolvenz: Weltbild-Mitarbeiter starten "katholische Wochen"

Weltbild-Insolvenz

Weltbild-Mitarbeiter starten "katholische Wochen"

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    Schon einmal sind die Weltbild-Mitarbeiter vor den Augsburger Dom gezogen. Jetzt wollen sie eine "katholische Woche" mit vielen Aktionen veranstalten.
    Schon einmal sind die Weltbild-Mitarbeiter vor den Augsburger Dom gezogen. Jetzt wollen sie eine "katholische Woche" mit vielen Aktionen veranstalten. Foto: Archivbild Silvio Wyszengrad

    Timm Boßmann hat bei Weltbild bereits einige Krisen erlebt. Immer wieder haben sich er und seine Gewerkschaftskollegen an die Kirche gewandt, um Arbeitsplätze zu retten. Diesmal aber ist die Situation ungleich ernster. Weltbild hat Insolvenz angemeldet. Nun kämpfen sie vielleicht ihre entscheidende Schlacht. „Es ist wichtig, die Eigentümer an ihre Verantwortung zu erinnern“, sagt Boßmann am Freitag. Aber kann man die Bischöfe noch umstimmen, dass sie sich weiter für Weltbild engagieren?

    "Katholische Wochen" mit vielen Aktionen

    Die Gewerkschaft Verdi fordert den Erhalt aller Teile der Verlagsgruppe. Und setzt dabei auch auf die katholischen Eigentümer, die entschieden haben, Weltbild kein Geld über die ursprünglich zugesagten 65 Millionen Euro hinaus zu bewilligen. Weltbild gehört zwölf Bistümern, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der Soldatenseelsorge. Auf Protestaktionen wollen die Beschäftigten nun „mit den Eigentümern in Kontakt treten“, kündigte Boßmann auf der ersten Pressekonferenz der Gewerkschaft seit dem Insolvenzantrag an.

    Früher sind sie schon einmal schwarz gekleidet vor den Augsburger Dom gezogen. Nun werden sie „katholische Wochen“ mit zahlreichen Aktionen veranstalten. Beginnen soll es mit einer „Woche der Fürbitten“, eine „Woche der Solidarität“ soll folgen. Auch für Betriebsratschef Peter Fitz ist es „besser, Arbeit zu finanzieren als Arbeitslosigkeit“, wie er sagt. „Deshalb werden wir Gesicht zeigen.“

    Die Gewerkschaft will, dass die Kirche bei Weltbild im Boot bleibt. Derzeit ist Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz auf der Suche nach Investoren. Der Wirtschaftssachverständige Klaus Warbruck aus Buchholz bei Hamburg, der seit vergangenem Sommer den Betriebsrat berät, schlägt eine Minderheitsbeteiligung interessierter Bistümer von 25,1 Prozent vor. Weltbild hätte dann einen Ankerinvestor, der bei wichtigen Entscheidungen Einspruch einlegen kann. Ein Geschäft, das sich an Werten orientiere, müsste „gerade für einen christlichen Eigentümer interessant sein“, meint Warbruck.

    Probleme bei SAP-Einführung?

    Denkbar ist für den Sachverständigen aber auch eine Stiftungslösung oder ein nichtkirchlicher Investor, der auf die Zukunft setze. Denn der Weltbild-Buchhandel mit Katalog, Internet und Filialen sei „maßgeschneidert für die Vielfältigkeit des deutschen Buchhandels“. Experten zufolge sind zahlreiche Verlage auf das Geschäft mit Weltbild dringend angewiesen.

    Bei der Gewerkschaft ist man überzeugt, dass Weltbild Zukunft hat. Betriebsratschef Fitz räumt aber ein, dass es „Reibungsverluste gibt, wenn sich ein Unternehmen neu erfindet“. So sei die Einführung einer neuen Software des baden-württembergischen Unternehmens SAP außerordentlich komplex gewesen und habe einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet. Dies habe entscheidend zur schlechten Ertragslage von Weltbild beigetragen. „Aber am Ende hatten die Kollegen in nur drei Jahren die komplette IT umgekrempelt“, sagt Fitz.

    Gleichzeitig äußert die Arbeitnehmerseite erstmals Kritik an der Geschäftsführung rund um Carel Halff. Es sei fatal gewesen, dass die Gesellschafter Anfang Januar vom erhöhten Kapitalbedarf überrascht wurden, meint Wirtschaftssachverständiger Warbruck. Angaben der kirchlichen Eigentümer zufolge beträgt der Kapitalbedarf 135 Millionen Euro. „Da darf es nicht verwundern, dass das auf Widerstand stößt.“ So sei es zur „Panikreaktion“ gekommen. Man hätte erwarten können, „dass früher Gespräche stattfinden, um die Betroffenen vorzubereiten“, sagt Warbruck. Chancen auf eine glimpfliche Sanierung seien so verspielt worden.

    Der Niedergang von Weltbild

    Mit Pornoliteratur fing vor knapp zweieinhalb Jahren der Niedergang des Weltbild-Verlages an.

    Dass ausgerechnet ein von der katholischen Kirche getragenes Medienunternehmen Geld mit Erotikangeboten oder Esoterikbüchern macht, sorgte für Schlagzeilen und stürzte die Augsburger Verlagsgruppe in die Krise.

    Seitdem hat sich Weltbild nicht mehr erholt. Der Insolvenzantrag ist der vorläufige traurige Höhepunkt der Entwicklung bei dem Konzern mit mehr als 6000 Beschäftigten und etwa eineinhalb Milliarden Euro Umsatz.

    Als im Oktober 2011 das Erotikangebot bei Weltbild bekannt wurde, trat zunächst der von der Kirche entsandte Aufsichtsratsvorsitzende zurück. Dann preschte der Kölner Kardinal Joachim Meisner vor und verlangte eine Trennung von Weltbild.

    Seitdem wurde breit darüber diskutiert, wie sich die Diözesen von Weltbild trennen können. Eine Stiftung war im Gespräch, eine Lösung gab es nicht. Die Beschäftigten appellierten dabei immer wieder an die soziale Verantwortung der Bischöfe.

    Doch nicht nur der Wirbel um Buchtitel wie "Zur Sünde verführt" oder "Das neue Kamasutra" setzte dem Unternehmen zu. Im Wettbewerb mit Online-Gigant Amazon hatten es die Augsburger zunehmend schwer mit ihrem eher klassischen Katalog-Versandhandel.

    Seinen stationären Buchhandel hatte Weltbild im Jahr 2007 mit der Familie Hugendubel zusammengelegt. Das damals gegründete Gemeinschaftsunternehmen betreibt seitdem die Filialen unter etlichen Markennamen wie "Hugendubel", "Weltbild plus", "Jokers" sowie die Karstadt-Buchabteilungen.

    Dass die angeschlagene Verlagsgruppe zuletzt ihre zweiköpfige Geschäftsführung extra um den Sanierungsexperten Josef Schultheis erweiterte, konnte Weltbild nicht mehr retten. Er sollte den Umbau des Hauses in Richtung digitalem Handel beschleunigen.

    Möglicherweise kam dieser Schritt zu spät: Obwohl Weltbild im Weihnachtsgeschäft sogar etwas über dem Plan lag, musste das Unternehmen im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres (30. Juni) Einbußen bei Umsatz und Ergebnis verbuchen.

    "Das auch für die nächsten drei Jahre erwartete geringere Umsatzniveau verdoppelt den Finanzierungsbedarf bis zur Sanierung", begründete das Unternehmen den Insolvenzantrag.

    Die Gewerkschaft Verdi warf der Kirche umgehend vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

    Erst im Oktober wurde bekannt, dass Weltbild in Augsburg ihren Kundendienst auslagern will - 140 Mitarbeiter sind davon betroffen. Doch weitere konkrete Zahlen und detaillierte Planungen zur Sanierung waren seit jeher von Weltbild kaum zu erfahren. Denn was Transparenz anging, operierte das Unternehmen ähnlich verschwiegen wie der große Konkurrent Amazon.

    Alle Analysen helfen den Mitarbeitern jetzt aber nicht. Sie machen sich Sorgen, was mit ihren Arbeitsplätzen geschieht, ob sie die Tochter noch ins Skilager schicken können – oder ob sich die angezahlte Küche weiter finanzieren lässt, berichtet der Augsburger Verdi-Sekretär Thomas Gürlebeck.

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