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Augsburg: Was aus dem Unternehmen Weltbild wurde

Augsburg

Was aus dem Unternehmen Weltbild wurde

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    Besucher bummeln zwischen den Buchreihen. Es ist ruhig in dem Weltbild-Laden, aber nicht leer. Über dem Eingang hängt immer noch der bekannte rote Schriftzug. Innen stehen rote Sessel, in denen Bücherfreunde schmökern können. Die Kassiererinnen sind freundlich, die Bestseller sorgsam geordnet. Und ja, es darf sie wieder geben, prickelnde Bücher wie „Fifty Shades of Grey“. Und ja, es gibt sie noch, die Buddhastatuen, Zimmerspringbrunnen, Eismaschinen, bei denen nicht sicher ist, ob sie zu einem Buchhändler passen. Nach Monaten großer Aufregung ist es um Weltbild zwar ruhiger geworden. Doch unter der Oberfläche brodelt es. Und es kann gut sein, dass die nächsten Monate wieder aufregend werden. Der Reihe nach.

    Die Kirche ist raus

    Weltbild – viele Kunden dürften das Unternehmen noch immer mit der Kirche verbinden. Doch das ist längst vorbei. Einst gehörte Weltbild zwölf Bistümern, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der Soldatenseelsorge. Dann kam die Krise, dann die Insolvenz. Im Juli 2014 wurde bekannt, das der Düsseldorfer Investor Walter P.J. Droege bei Weltbild einsteigt. Er betreibt eine Unternehmensberatung und zählt zu den reichsten Deutschen. Die

    Streit um den Investor

    Ganz anders geht es dem Investor. Er ist bei vielen Arbeitnehmervertretern umstrittener denn je. Hieß man Droege erst mit Freude willkommen, ist das Vertrauen mittlerweile zerstört. Zu viele Zusagen seien nicht eingehalten worden, beschrieb Verdi-Sekretär Thomas Gürlebeck einmal die Lage. Droege wurde „Lüge“ vorgeworfen, die Gewerkschaft bildete ihn im Netz als Pinocchio ab – mit langer Lügennase. Auch das Verhältnis zwischen Insolvenzverwalter Geiwitz und Walter Droege scheint zerrüttet zu sein. Es gebe „verschiedene Wege zum Erfolg“, ließ Geiwitz mitteilen, als Droege mit dem Umbau begann. Damit sagte er zwischen den Zeilen: Was Droege macht, ist nicht der Weg, den sich Geiwitz wünscht. Eine der ersten Weichenstellungen des Investors: Der Weltbild-Konzern wurde zerschlagen. Haupthaus und Filialen wurden zur „Weltbild Retail“, das Logistikzentrum ging an den Logistikspezialisten „Also“, an dem Droege beteiligt ist. Droege selbst äußert sich bisher kaum.

    Chaos in den verkauften Filialen

    Mit rund 220 Läden war Weltbild vor der Insolvenz einer der größten Buchhändler Deutschlands. Bereits im Zuge der Insolvenz gingen 54 Filialen verloren. Diesen März verkaufte die Geschäftsführung weitere 67 Filialen an die fast unbekannte Buchhandelskette Lesensart von Rüdiger Wenk im nordrhein-westfälischen Ahaus – vor allem die schwierigen, unrentablen Standorte. Weltbild kündigte an, künftig noch mit 85 Filialen bundesweit vertreten sein zu wollen. In diesen hat sich wenig geändert. In den abgestoßenen Geschäften aber herrscht Endzeitstimmung – also bei Lesensart. Betriebsrat Olaf Keith und seine Kollegen richteten kürzlich einen Hilferuf an den früheren Eigentümer Weltbild und an Investor Walter Droege. Die Mitarbeiter in den Lesensart-Filialen seien „zwischen Hammer und Amboss geraten“ und werden „seit Wochen rücksichtslos zerrieben“. Bei ihnen herrsche „Fassungslosigkeit, tiefe Enttäuschung und völlige Hoffnungslosigkeit“. Die Standorte Balingen, Rostock, Ahlen, Straubing, Viersen und Ansbach seien bereits geschlossen, berichten die Betriebsräte. Die Mitarbeiter seien frei gestellt worden.

    Das Grundproblem: Weltbild habe zwar Mitarbeiter und Ware an Lesensart übergeben, nicht aber die Mietverträge. Denn Mietverträge kann man nicht verkaufen, sagt Keith. So kann es sein, dass einige Vermieter keinen Vertrag mit Lesensart eingehen wollen. Andere Ex-Weltbild-Filialen werden an die Ein-Euro-Kette Euroshop untervermietet – auch die Filiale in Neuburg an der Donau. Es scheine, „dass alle verkauften Filialen abgewickelt“ werden sollen, schreiben die Lesensart-Betriebsräte im Hilferuf. Eine Antwort auf ihren offenen Brief hätten sie nicht erhalten.

    Haupthaus vor dem Umbruch

    Weltbild, das sind neben den Läden auch der Katalog und der Online-Shop. Das Unternehmen schrieb vor der Insolvenz tiefrote Zahlen. Dass sich auch im Haupthaus etwas ändern muss, sagen fast alle Gesprächspartner. Aber welche Strategie ist richtig?

    Die Gewerkschaft Verdi kritisiert, dass Investor Droege zu sehr an Werbung und Katalog spare. Zu wenig Kataloge heiße zu wenig Kunden und zu wenig Umsatz, lautet die Rechnung der Gewerkschaft. „Der Schrumpfungsprozess lässt uns immer kleiner werden“, kritisiert Betriebsrat Boßmann. „Wir wollen aber eine nachhaltige Lösung.“ Die Gewerkschaft Verdi befürchtet, dass von den verbliebenen rund 450 Stellen in Augsburg in der Retail rund 100 Jobs bedroht sind.

    Das Unternehmen betonte dagegen wiederholt, „durch Fluktuation“ habe sich der ursprünglich geplante Stellenabbau bei Weltbild Retail deutlich reduziert und betrage nur noch 60 Stellen. Nicht Stellenabbau, sondern die Neuausrichtung der Betriebsabläufe stehe heute im Vordergrund. Und immer wieder haben die Geschäftsführer Patrick Hofmann und Sikko Böhm betont, Weltbild solle ein „Multichannel-Anbieter“ bleiben – das heißt, man setze auf die vier Kanäle stationärer Handel, Online, Direktmarketing und Social Media.

    So oder so, der Dauerzwist zwischen Unternehmen und den Verdi-Betriebsräten ist derart verfahren, dass er ein Fall fürs Gericht geworden ist. Das Management hat eine Einigungsstelle durchgesetzt, in der beide Seiten plus einem Schlichter vertreten sind. Am morgigen Dienstag, 14. Juli, ist der erste Termin. Ob bereits eine Einigung zustande kommt, ist unsicher.

    Die Logistik ist nicht ausgelastet

    Am modernen Logistikzentrum im Stadtteil Lechhausen prangt noch immer die Aufschrift „Weltbild“. Tatsächlich gehört es längst zum Logistikspezialisten „Also“. Innen werden Pakete für die Kunden zusammengestellt, Paketdienste liefern sie dann aus. Durch die Schrumpfung von Weltbild ist die Logistik aber nur zur Hälfte ausgelastet. Die Geschäftsführung will jetzt Aufträge dritter Firmen an Land ziehen (siehe Artikel nebenan). Vorher aber sollen 150 von 450 Stellen entfallen. Dagegen haben sich Betriebsrat und Gewerkschaft bisher erfolgreich gewehrt. Wie es weitergeht, muss nun ebenfalls an der Einigungsstelle geklärt werden.

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