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"Made in Germany": Warum viele deutsche Unternehmen so stark und doch so unbekannt sind

"Made in Germany"

Warum viele deutsche Unternehmen so stark und doch so unbekannt sind

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    KUKA ist einer der sogenannten "Hidden Champions". Viele deutschen Unternehmen sind erfolgreich und doch unbekannt
    KUKA ist einer der sogenannten "Hidden Champions". Viele deutschen Unternehmen sind erfolgreich und doch unbekannt Foto: Stefan Puchner

    Tüftler wie Rudolph Diesel, Gottlieb Daimler oder Werner von Siemens begründeten einst den Weltruhm deutscher Ingenieurskunst. Heute noch genießen Industrieprodukte mit dem Etikett „Made in Germany“ einen exzellenten Ruf. Der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Dan Breznitz bewundert in dem englischsprachigen Management-Magazin Harvard Business Review, wie deutsche Firmen ihre amerikanischen und chinesischen Konkurrenten übertrumpfen.

    Was den Erfindergeist betreffe, schafften sie die Goldmedaille mit links. Knapp die Hälfte der mittelständischen Weltmarktführer stammt aus Deutschland. Trotz ihrer beherrschenden Stellung sind diese Firmen aber weitgehend unbekannt. Der Wirtschaftswissenschaftler und Mittelstandsexperte Hermann Simon bezeichnet sie daher als Hidden Champions – versteckte Meister der Weltwirtschaft.

    Die „Hidden Champions“ nehmen eine beherrschende Position in ihrem Markt ein, sind in der Öffentlichkeit aber weitgehend unbekannt. Woran liegt das?

    Simon: Das hat zwei Ursachen. Zum einen sind diese Unternehmen sehr verschwiegen, um nicht die Konkurrenz zu wecken. Sie stecken ihre Energie eher ins Geschäft als in aufwendige Werbung. Eine Studie in den USA zeigt, dass die stillen, aber fleißigen „Pflugpferde“ langfristig erfolgreicher sind als die „Showpferde“. Andererseits sind sehr viele der Produkte, die die Hidden Champions herstellen, unauffällig. Wer ein Auto kauft, fragt nicht danach, wer den Zylinderkolben produziert hat. Die Unbekanntheit kann aber auch ein Nachteil sein. Etwa bei der Suche nach qualifiziertem Personal oder wenn die Firma versucht, Anleihen am Kapitalmarkt zu platzieren. Papiere von Unternehmen, die keiner kennt, verkaufen sich schlecht.

    Was ist das Erfolgsgeheimnis dieser Unternehmen?

    Simon: Es gibt kein pauschales Erfolgsgeheimnis. Die Hidden Champions machen viele kleine Dinge besser als ihre Konkurrenten. Die beiden wichtigsten Pfeiler, auf denen ihr Erfolg ruht, sind Fokussierung und Globalisierung. Nur wenn man sich auf etwas konzentriert, kann man erfolgreich sein. Ein 100-Meter-Sprinter der gleichzeitig Marathon läuft, wird in beiden Wettbewerben nur mittelmäßig abschneiden. Die Konzentration auf ein oder wenige Produkte engt allerdings den Markt ein. Groß wird er erst durch die Globalisierung. Das ist der wichtigste Wachstumstreiber. Viele der Hidden Champions sind heute etwa fünfmal so groß wie vor 20 Jahren. Das Hauptwachstum erzielen sie aber nicht in Deutschland. Mindestens genauso wichtig sind Innovationen. Nicht durch Imitation, sondern durch Innovation wird man Weltmarktführer. Die Hidden Champions stecken mit sechs Prozent etwa doppelt so viel Geld in Forschung und Entwicklung wie normale Industriebetriebe. Sie melden fünfmal mehr Patente pro Mitarbeiter an als Großkonzerne.

    Dan Breznitz schwärmt im „Harvard Business Review“ von der Fähigkeit deutscher Firmen, neue Ideen in alten Industriezweigen anzuwenden. Welche Funktion nehmen dabei Forschungsorganisationen wie die Fraunhofer-Gesellschaft ein?

    Simon: Was die Innovationsfähigkeit betrifft, nimmt insbesondere die Fraunhofer-Gesellschaft eine Art Brückenfunktion ein. Beispielhaft ist die Geschichte der in München ansässigen ARRI (Arnold & Richter Cine Technik GmbH & Co. Betriebs KG). Jahrzehntelang waren die Münchner in Sachen Filmkameras Weltspitze und erhielten in Hollywood viele Oscars für ihre Technik. Doch mit der Umstellung auf digitale Filmtechnik war das Unternehmen urplötzlich seiner Geschäftsgrundlage beraubt. Zusammen mit der Fraunhofer-Gesellschaft entwickelte ARRI eine digitale Filmkamera und konnte so seine Stellung als Weltmarktführer behaupten.

    Welche Rolle spielt dabei die Qualifikation der Mitarbeiter?

    Simon: Der moderne Wettbewerb ist ein Qualifikationswettbewerb. Die Überlegenheit nach außen beruht innen auf besser qualifizierten Mitarbeitern. Deshalb bilden die Hidden Champions auch 50 Prozent mehr aus als das durchschnittliche Unternehmen. Bei den Neueinstellungen hat sich der Prozentsatz der Hochschulabsolventen in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Natürlich kämpfen auch diese Unternehmen mit dem Fachkräftemangel. Vor allem in ländlich geprägten Gegenden tun sich diese Firmen schwer, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Denn vor allem junge, gut ausgebildete Leute zieht es nicht aufs Land. Andererseits zeigen die Mitarbeiter dort häufig eine große Betriebstreue und bleiben oft ein ganzes Arbeitsleben lang. Ich rate den Hidden Champions, ihr Personal in der Region zu suchen. Sie müssen früh auf die Leute zugehen, etwa durch Schulpartnerschaften und Kooperationen.

    Sind die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland für mittelständische Unternehmen besonders günstig?

    Simon: Man kann den Rückschluss ziehen, wenn fast die Hälfte der Hidden Champions weltweit aus Deutschland kommt, dass die Bedingungen so schlecht nicht sein können. Viele Unternehmer klagen über zu hohe Steuern. Andererseits schätzen die Firmen die gut ausgebauten Verkehrs- und Telekommunikationsnetze. Auch die duale Berufsausbildung wird als Vorteil gesehen. Außerdem ist die deutsche Verwaltung nicht so schlecht, wie sie oft gemacht wird. Die Leute beschweren sich ständig über die hohen Sicherheitsstandards. Letztlich sind diese aber Teil der deutschen Qualität.

    Wo gibt es Ihrer Meinung nach Verbesserungspotenzial?

    Simon: Nach wie vor gibt es bei Neugründungen einen Engpass bei Risikofinanzierungen. Der Bund leistet aber mit dem High-Tech- Gründerfonds einen wichtigen Beitrag. Problematisch sind die Frühpensionierungen. Man braucht die Älteren mehr denn je. Das Renteneintrittsalter sollte flexibilisiert werden. Ein weiterer Schwachpunkt ist eher kulturell bedingt. Unternehmertum ist in Deutschland traditionell ein schwieriges Thema. Das wird uns schon in die Wiege gelegt. Die meisten Eltern sehen es lieber, wenn ihr Kind einen Posten bei einer großen Firma oder beim Staat annimmt, als wenn es ein eigenes Unternehmen gründet. Interview: Stefan Reinbold

    Beispiele für „Hidden Champions“  aus der Region

    In der Region gibt es zahlreiche Hidden Champions. Simon nennt nur einige Beispiele:

    1. KUKA Systems mit Sitz in Augsburg stellt automatisierte Produktions- und Montagelösungen in der industriellen Fertigung her.
    2. Josef Gartner GmbH in Gundelfingen fertigt hauptsächlich maßgeschneiderte Fassadenkonstruktionen in Aluminium und Stahl an.
    3. Peri GmbH aus Weißenhorn ist weltweit führend in der Herstellung von Schalungs- und Gerüstsystemen.
    4. AL-KO Kober AG mit Hauptsitz in Kötz ist Hersteller verschiedenster Produkte in den Bereichen Fahrzeugtechnik, Luft- und Klimatechnik sowie Garten und Hobby.
    5. Liebherr Hydraulikbagger GmbH in Kirchdorf/Iller stellt Hydraulikbagger und Muldenkipper her.
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