Sie nennen sich heroisch „Die Essensretter“. Sind selbst ernannte Robin Hoods der verzehrbaren Konsumwelt. Erst kommt für sie die Recherche, dann die Kampagne. Das unterscheidet die Foodwatch-Verbraucherschützer von Journalisten, für die auf Recherche im Idealfall eine ausgewogene Berichterstattung und nicht Marketing in eigener Sache folgt.
"Bayerisches Brot" - Foodwatch zeigt in 35-seitigem Report Mängel auf
Foodwatch-Mann Johannes Heeg, Jahrgang 1986, der sich dank gelockter, dunkler Haare und Bart bestens in der Robin-Hood-Truppe macht, nennt sich selbst „Campaigner“. Schon am Montagabend sind Teile der Kampagne der Organisation an die Öffentlichkeit gedrungen. „Die Preußen“, wie sich das am Dienstag nach München zur Pressekonferenz angereiste Foodwatch-Team aus Berlin vorstellt, haben einen kritischen 35-seitigen Report mit dem Titel „Bayerisches Brot“ erstellt.
Heeg und seine Leute knöpfen sich darin acht im Freistaat ansässige Großbäckereien vor, darunter in unserer Region die Firma Ihle aus Friedberg. Foodwatch ist ein gemeinnütziger Verein, der sich aus Spenden und Beiträgen von 35.000 Förderern finanziert. Zu ihnen zählen laut Homepage Prominente wie Schauspieler Wolfgang Fierek, Starkoch Tim Mälzer oder Pop-Sängerin Judith Holofernes („Wir sind Helden“).
Die Foodwatch-Heroen sind in Bayern tätig geworden, weil ihnen der Müller-Brot-Skandal keine Ruhe gelassen hat: „Nach und nach kamen Anfang 2012 Berichte über katastrophale hygienische Bedingungen an die Öffentlichkeit.“ Der Vorwurf der Verbraucherschützer lautet: „Die Behörden hatten schon früh davon gewusst, die Kunden der Bäckerei jedoch nicht informiert.“
Ihle & Co.: Metallspäne, Plastikstreifen und Käferbefall in Bäckereien
Der Zusammenhang geht den „Essensrettern“ besonders gegen den Strich. Sie fordern Transparenz. Um den Gesetzgeber dafür zu gewinnen, haben die Foodwatch-Experten in Sachen „Bayerisches Brots“ nachgehakt. Armin Juncker vom Verband Deutscher Großbäckereien sagt dazu aber: „Foodwatch will Behörden und Gerichte zu mehr Transparenz bewegen, wir sind nur das Vehikel dafür.“ Im Übrigen sei er dafür, dass alle Bäckereien scharf kontrolliert würden.
Das war so im Fall Ihle. Bei immer wiederkehrenden Überprüfungen sind nach Darstellung von Foodwatch von 2013 bis 2016 bei 14 von 19 Kontrollen im Hauptbetrieb in Friedberg Mängel festgestellt worden. In sieben Fällen seien Backwaren mit Fremdkörpern verunreinigt gewesen – von „Metallspänen“ über einen „Teil einer blauen Kunststofffolie“ bis hin zu einem „Plastikstreifen, circa 20 Zentimeter lang, vermutlich Klebeband“ in einem „Gourmet-Brot“, wie es seitens der Behörden hieß. Stellenweise habe es auch massiven Käfer-und Schabenbefall gegeben.
Verbraucherschutz: Foodwatch kritisiert deutsche Politik
Das Unternehmen hat sich für solche Vorfälle aus der Vergangenheit entschuldigt und betont, dass heute nach Millionen-Investitionen dergleichen hygienische Probleme nicht mehr existierten. Auch habe Ihle zu keiner Zeit Produkte zurückrufen müssen.
Die Foodwatch-Robin-Hoods lassen nicht locker. Heeg und seine Kämpfer nehmen jetzt vehement die Politik ins Visier. So werfen sie Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf vor, „zugeschaut zu haben, wie Schaben in den Backstuben Schuhplattler tanzen“.
Auf was wollen die Foodwatch-Aktivisten letztlich hinaus? Weil es in Deutschland zu kompliziert ist und viel zu lange dauert, ehe Bürger auf Basis des Verbraucherinformationsgesetzes Fakten über Hygienemängel erhalten, empfehlen die Experten das dänische Modell. Hier hängen seit 2001 die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen an den Türen von Restaurants und Supermärkten aus.
Dank Smiley-Symbolen, also mehr oder weniger lächelnden Gesichtern, kann der Verbraucher sofort erkennen, ob bei seinem Bäcker alles in Ordnung ist. Die Maßnahme zieht einen enormen erzieherischen Effekt nach sich: Der Anteil der Betriebe mit dem besten Smiley hat sich seitdem um 15 Prozentpunkte erhöht. Gleichzeitig konnte die Quote der Läden und Lokale, die beanstandet wurden, sogar halbiert werden.
Was an dem Modell interessant ist: Es mussten keine zusätzlichen Kontrolleure eingesetzt werden. Die Kosten sind nicht gestiegen. Aus Sicht von Foodwatch wird es Zeit für mehr Transparenz, denn Fälle wie in Bayern seien nur die Spitze des Eisbergs. Es müsse Schluss sein mit Zeiten, in denen Verbraucher nicht wissen, was in ihrem Brot steckt.
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