Verbraucher in Deutschland zahlen jedes Jahr hunderte Millionen Euro für Strom, den es in Wahrheit gar nicht gibt. Schuld daran ist das schlecht ausgebaute Netz, das noch immer nicht in der Lage ist, die Mengen an Strom, die durch Windkraft erzeugt werden, zuverlässig aufzunehmen und zu verteilen. Die Betreiber von großen Windkraftanlagen kommen aber auch dann auf ihre Kosten, wenn sie wegen einer drohenden Überlastung der Netze keinen Strom einspeisen dürfen. Mit garantierten Zahlungen will der Staat Investoren dazu bringen, ihr Geld in erneuerbare Energien zu stecken. Der Haken an der Sache: Am Ende zahlen die Stromkunden die Zeche.
Experten rechnen mit neuem Windrekord in Deutschland
Gerade die großen Windparks in Norddeutschland erzeugen häufig viel mehr Strom, als das Netz aufnehmen kann. Weil es auch sechs Jahre nach dem Start der Energiewende noch immer keine großen Trassen gibt, die diesen überschüssigen Strom in den Süden bringen, wo er benötigt würde, drehen sich viele Windräder nutzlos. Sie müssen phasenweise vom Netz genommen werden. An diesem Wochenende wird es wieder dazu kommen. Der Energieversorger Eon rechnet wegen des stürmischen Wetters mit einem neuen Windrekord in Deutschland. Damit die Anlagenbesitzer in solchen Fällen nicht leer ausgehen, erhalten sie Entschädigungszahlungen für den nicht abgenommenen Strom. Und diese steigen immer weiter. Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitungsummierten sie sich allein im vergangenen Jahr auf 643 Millionen Euro. Das ist nahezu doppelt so hoch wie 2015 und macht den Strom für alle teurer. Denn die Kosten werden über die sogenannten Netzentgelte auf die Endabnehmer umgelegt.
Die Bayerische Staatsregierung kritisiert diese Praxis massiv. Auch Industrieverbände schlagen Alarm: "Uns treibt natürlich die Sorge um, dass heimischen Firmen im internationalen Wettbewerb Nachteile durch hohe Energiekosten entstehen", sagt Peter Lintner von der Industrie- und Handelskammer für Schwaben auf Nachfrage.
Netzbetreiber kündigen höhere Netzentgelte an
Die Netzentgelte werden für die Nutzung und Instandhaltung der Netze erhoben, also etwa für den Transport des Stroms oder Investitionen in neue Leitungen. Sie machen mehr als ein Fünftel des Gesamtpreises aus. In unserer Region betreiben die Konzerne Amprion (in Schwaben) und Tennet (Altbayern) die großen Übertragungsnetze. Beide haben bereits deutliche Erhöhungen der Netzentgelte zum Jahreswechsel angekündigt und begründen das vor allem mit "netzstabilisierenden Maßnahmen". Hintergrund: Die Einspeisung von Sonnen- und Windenergie ist stark wetterabhängig. Um diese schwer kalkulierbaren Schwankungen auszugleichen, müssen die Netzbetreiber beispielsweise Reservekraftwerke bereit halten und hochfahren oder eben Windparks vorübergehend abschalten.
Zum Problem wird das vor allem für große Industriekunden, die von höheren Kosten im Übertragungsnetz stark betroffen sind. Privathaushalte profitieren zumindest im kommenden Jahr von einem Sondereffekt: Weil die Zusammensetzung der Netzentgelte im niedrigeren Spannungsbereich neu geregelt wird, fallen die Mehrkosten nicht so stark ins Gewicht. In den folgenden Jahren könnte dieser Effekt allerdings verpuffen. Dann könnten weiter steigende Netzentgelte auch private Verbraucher in vollem Umfang treffen.