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Rauchen: Warum immer mehr Menschen E-Zigaretten qualmen

Rauchen

Warum immer mehr Menschen E-Zigaretten qualmen

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    Sven Grunwald verkauft E-Zigaretten samt Zubehör in Augsburg. Er beobachtet: Immer mehr Menschen greifen zum Verdampfer.
    Sven Grunwald verkauft E-Zigaretten samt Zubehör in Augsburg. Er beobachtet: Immer mehr Menschen greifen zum Verdampfer. Foto: Michael Hochgemuth

    Das "E" liegt im Trend. Ob Auto, Fahrrad, Zigarette, alles soll bitte mit Strom versorgt werden. Immer mit der Hoffnung, damit besonders sauber unterwegs zu sein. Gerade die E-Zigarette gilt längst als das, was das E-Auto gerne wäre: ein echter Ersatz zum Vorgänger. Auch wenn in diesem Quartal mehr versteuerte Zigaretten produziert wurden als im Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt mitteilte, bedeutet das nicht, dass mehr gequalmt wird. Vielmehr geht die Zahl der Tabakraucher europaweit zurück. Parallel dazu steigen die Nutzerzahlen des elektrischen Pendants deutlich.

    Geschmacksrichtungen: von Cappucchino bis Piña colada

    Sichtbar wird das unter anderem an den vielen Geschäften, die überall in Deutschland aufmachen. Sie verkaufen nichts anderes als die elektronischen Zigaretten und das für das Rauchen benötigte Zubehör – Tabak, wie man ihn für Zigaretten braucht, findet man dort keinen. Allein in Augsburg gibt es inzwischen fünf solcher Läden. Darunter ist seit drei Jahren der Shop Dampf-Generation. Der Trend zur E-Zigarette startete bereits 2007, schätzt Verkäufer Sven Grunwald. Eröffneten sie zuerst noch als Hinterhofgeschäfte, sind die Läden heute in den Innenstädten angekommen.

    Doch wie genau muss man sich so eine elektronische Zigarette vorstellen? Die Ähnlichkeit mit einer echten Kippe hält sich in Grenzen. Sie sieht eher aus wie ein zu groß geratener Kugelschreiber. Eine E-Zigarette, das ist: ein Akku, ein Verdampfer mit einem Heizdraht, ein Tank für die meist nikotinhaltige Flüssigkeit und ein Mundstück. Das alles ist ab 30 Euro zu haben. Die Geschmacksrichtungen der Flüssigkeiten, mit denen der Tank befüllt wird und die man raucht, scheinen unendlich. Von Cappuccino und Schokolade über Piña colada ist alles zu haben. "Bei uns gibt es gut 300 Sorten. Am beliebtesten sind Fruchtsorten wie Apfel und Kirsche, aber auch Menthol wird gern gekauft", sagt der Augsburger Händler Grunwald.

    Die E-Zigarette und ihr Saubermann-Image

    Die Vielfalt der Geschmäcker ist ein Grund, warum es der alte Glimmstängel und seine Ersatzprodukte, wie Nikotinpflaster, -sprays und -kaugummis, schwer haben. So sind zwar die Umsätze der Tabakindustrie in Europa weiterhin hoch, aber die der Pharmaindustrie mit Nikotinersatzprodukten dramatisch rückläufig. Auch weltweit gesehen stehen die Tabakkonzerne gut da. Gerade in vielen afrikanischen Ländern und Schwellenländern greift die Bevölkerung mehr denn je zur Zigarette.

    Gleichzeitig hat sich die E-Zigarette mit ihrem Saubermann-Image längst auf dem europäischen Markt etabliert. 200 Millionen Euro Umsatz verbuchten allein die deutschen Händler nach Branchenangaben im Jahr 2014. Für dieses Jahr wird bereits ein Umsatz von 600 Millionen erwartet. Der Augsburger Händler Grunewald kann das bestätigen. "Die Nachfrage ist nach wie vor hoch. Auch wenn sich der Umsatz langsam einpendelt." Der Verband des E-Zigarettenhandels (VdeH) schätzt, dass in Deutschland 3,5 Millionen Menschen regelmäßig dampfen – die meisten von ihnen waren davor Raucher. 91 Prozent gaben bei einer Studie des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) im Jahr 2015 an, früher Tabak konsumiert zu haben. Die Gründe für den Wechsel sind vielfältig. Vom besseren Geruch und Geschmack ist ein Großteil sehr angetan. Über 80 Prozent glauben, seit dem Umstieg besser atmen zu können. Hauptgrund aber ist die Überzeugung, die E-Zigarette sei weniger schädlich als ihr Vorgänger.

    Ist die E-Zigarette weniger gesundheitsschädlich als der Glimmstengel?

    Ob sich dieser Eindruck mit der Wirklichkeit deckt, darüber wird in der Forschung nach wie vor gestritten. In der ersten Langzeitstudie zum Thema untersuchte die britische Krebsforschungs-Organisation unter anderem E-Zigarettennutzer, die länger als sechs Monate von Tabak auf die E-Zigarette umgestiegen waren. Ergebnis: Die Mengen an giftigen und krebserregenden Stoffen im Körper sind bei E-Rauchern deutlich geringer als beim Tabakkonsumenten. US-Kardiologen hingegen meldeten Anfang des Jahres, durch das Dampfen erhöhe sich das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Einige Studien zeigen zudem, dass beim Inhalieren Schwermetalle aufgenommen werden.

    Tatsache ist, dass man beim Dampfen allerlei Parfüme und Chemikalien einatmet, über deren Auswirkungen auf die Gesundheit bislang wenig bekannt ist. Gleichzeitig starben laut "Tabakatlas 2015" des Deutschen Krebsforschungszentrums im Jahr 2013 121000 Menschen in Deutschland an den Folgen des herkömmlichen Rauchens. Das sind 13,5 Prozent aller bundesweiten Todesfälle in diesem Jahr. Manche hoffen, diese Zahl würde sich reduzieren, wenn mehr Raucher auf E-Zigaretten umsteigen.

    Gesetzliche Regelungen zur E-Zigarette sind unklar

    Auf der anderen Seite besteht die Sorge, dass gerade dieses Saubermann-Image vor allem junge Nichtraucher verführt. "Wenn uns ein Kunde fragt, wie gesund die E-Zigarette ist, sagen wir ganz klar: Gesund ist es nicht, aber gesünder als die Zigarette. Mit einer Ayurveda-Therapie hat das hier aber nichts zu tun. Wir wollen nicht, dass die Leute sich selbst belügen", sagt Verkäufer Grunwald.

    Ähnlich unklar wie das Gesundheitsrisiko ist in Deutschland die gesetzliche Lage. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, E-Zigaretten fielen unter das Bundesnichtraucherschutzgesetz. Das Verwaltungsgericht Köln erlaubte im Februar 2014 hingegen den E-Zigarettenkonsum in Gaststätten. Klar geregelt ist zumindest, dass E-Zigaretten sowie die Flüssigkeit nur an Erwachsene verkauft werden dürfen. Und klar ist auch, dass die E-Zigarette längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

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